Das ABC des Kinos

Neu im Kino KW 25

AEIOU, sophie rois
AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe, 2022, Nicolette Krebitz

Zu den von uns extra besprochenen Filmen „Elvis“ und „Chiara“ und „The Black Phone“ und „Memoria“ kommen das Alphabet der Liebe („AEIOU“) und der Hinweis auf einen prominenten Open-Air-Sommerstart. Eine Kinostart-Auswahl für Österreich, von Benjamin Moldenhauer, Alexandra Seitz und Roman Scheiber.

Los geht’s mit einem Spektakel sondergleichen, dem ersten Kinofilm von Baz Luhrmann seit seiner Verfilmung von The Great Gatsby 2013. Luhrmann inszenierte 1996 mit seinem Romeo-und-Julia-Film Shakespeare als farbenseliges Pop-Spektakel. Elvis geht nun ähnlich frei an das Genre Biopic ran. Das funktioniert soweit recht wunderbar, was nicht zuletzt an dem tollen Cast liegt – Austin Butler als Elvis Presley und Tom Hanks als sein Manager Colonel Tom Parker. Hier unsere gewogene Kritik zum Film.

Vom Farbenrausch in die Düsternis: Scott Derrickson, der mit Sinister und Der Exorzismus von Emily Rose grundsolide Horrorfilme fabrizierte, hat mit The Black Phone eine Geschichte von Joe Hill verfilmt. Kinder werden entführt, eins landet in einem Keller und nimmt über ein schwarzes Telefon Kontakt mit einem anderen auf, das in diesem Keller verstorben ist. Die Schwester des Entführten sieht in ihren Träumen Dinge, von denen sie nichts wissen kann, und ermittelt gemeinsam mit der Polizei. Die Maske des Entführers – The Grabber (gespielt von Ethan Hawke) – sieht fies aus, die Atmosphäre ist wie schon in Sinister für Mainstream-Horror-Verhältnisse überdurchschnittlich düster. Der Geist von Stephen King weht durch diese Bilder: Kindermörder mit schwarzen Ballons, übersinnlich begabte Mädchen, prügelnde Eltern. Dunkel funkelnder Kleinstadthorror, finden wir.

Von ganz anderen Schrecknissen der Kindheit und Jugend handelt der italienische Coming-of-Age-Film Chiara. Die Titelheldin findet heraus, dass ihr Vater bei der Mafia ist und lernt so in kurzer Zeit, dass Eltern Geheimnisse und dass diese Geheimnisse Konsequenzen haben können. Regisseur Jonas Carpignanos Film ist in einem so komplexen wie wirkungsvollen neorealistischen Stil gehalten. Dazu unsere geneigte Kritik.

Über Memoria und das Slow Cinema von Apichatpong Weerasethakul haben wir ja schon anlässlich des Deutschland-Starts geschrieben, hier die dazu passenden Gedanken.

(Zum deutschen Kinostart von AEIOU schrieb Alexandra Seitz:) Wenden wir uns Anna und Adrian zu, der Dame und dem Tunichtgut, Heldin und Held von Nicolette Krebitz‘ im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale uraufgeführtem Film AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe. Sie sind ein ungleiches Paar. Aber sind sie deswegen auch ein unmögliches? Anna ist eine angesehene Schauspielerin, die an der mangelnden Bewegung in ihrem Leben gerade etwas zu leiden beginnt. Waisenkind Adrian, ein schwieriger Fall, droht an seinem Schulabschluss zu scheitern, weil ihn die kriminelle Energie hartnäckig vom rechten Wege ablenkt. Als er zu ihr in den Sprechunterricht kommt, um sich auf eine Schultheateraufführung vorzubereiten, erkennt sie in ihm jenen Dieb wieder, der ihr neulich die Handtasche entriss. Keine:r der beiden lässt sich etwas anmerken.

Fakt ist: Anna ist mindestens dreißig Jahre älter als Adrian. Doch den ficht das nicht an, er verliebt sich, ohne lange zu hadern. Das Hadern ist ihre Sache, denn sie bekommt es nicht nur mit gesellschaftlichen Vorurteilen, sondern vor allem mit verinnerlichten Vorbehalten zu tun. Die schließlich aber von Sophie Rois – die sich unverhohlen solidarisch in die Rolle der Anna wirft – mit charakteristisch angriffslustig vorgeschobenem Unterkiefer gekontert werden.

In gewisser Weise knüpft AEIOU an die höchst unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen Frau und Wolf an, die Krebitz 2016 in Wild in Szene setzte. Neuerlich erzählt sie von Grenzüberschreitung und Selbstüberwindung und der Hinfälligkeit klischeehafter Beziehungsbilder, nur diesmal mit fast schon komödiantischer Leichtigkeit.

Zu guter Letzt sei noch auf den Start des vielleicht schönsten Open-Air-Sommerkinos in Wien verwiesen: KINO WIE NOCH NIE öffnet seine Pforten, heuer von 23. Juni bis 21. August, und wartet wie üblich mitten im Grünen (des Wiener Augartenspitzes) und zugleich mitten in Bobo-Town Leopoldstadt mit gewohnt gutem Programm auf. Schwerpunkte würdigen die Französin Céline Sciamma (hier eine Kritik ihres jüngsten Films, im Sommer folgt im filmfilter ein Tour d’Horizon über ihr Schaffen) und den überraschend verstorbenen und viel betrauerten Willi Resetarits.

Sechzig Abende lang verspricht das Filmarchiv Austria einen Sommercocktail aus Klassikern, Neuentdeckungen und Zukunftshoffnungen, mit Filmgesprächen, Kulinarik und Musik. News from Home  künden von aktuellen und kommenden heimischen Highlights, die Cinema Sessions blicken zurück ins Jahr 1922 und End of Days betrachtet die Dinge vom Ausgang her. Hier das Programm.