The Creator

Melancholische Action-Dystopie – auf Disney+

Edwards, Yuna Voyles, The Creator
The Creator, 2023, Gareth Edwards © PD / 20th Century Studios

„The Creator“: Der neue Film von Gareth Edwards erzählt von Menschen in Zeiten Künstlicher Intelligenz, verbindet Low-Budget-Ästhetik mit Action-Überwältigung und feiert die Vermischung – jetzt auf Disc oder Disney+

Es ist immer wieder ganz bezaubernd, wenn sich im dystopischen Actionkino Mythen, Bilder und der Geist der Zeit verbinden. Dinge werden sichtbar gemacht und zugleich verborgen, Subtext hieß das früher, und trotzdem kracht es ganz gewaltig. Der Regisseur Gareth Edwards hat 2010 mit seinem Debüt Monsters einen Science-Fiction-Film gedreht, der um die Abwesenheit der Titelhelden im Bild kreiste und mit einer im Genre ja eher seltenen Indie-Sensibilität daherkam. Es folgten ein sehr, sehr guter Godzilla-Film und ein eher untypischer Beitrag zum Star Wars-Franchise (Rogue One).

Die Eigenwilligkeit, die entstehen kann, sobald ein Autorenfilmer sich in den eher strikten Koordinaten des Actiongenres austobt, hat Edwards sich in seinem neuen Film erhalten. Wenn in The Creator die Spezialeinheit in feindliches Gebiet einfällt, wird das nicht mit wahlweise triumphierenden oder düsteren Ritt-der-Walküren-Variationen untermalt, sondern mit einem Radiohead-Song („Everything in Its Right Place“). Das macht dann schon mal einen Unterschied.

An seinem richtigen Platz ist von Anfang an allerdings nichts mehr in The Creator. Los Angeles wurde durch einen Atomschlag ausgelöscht, der Westen befindet sich im Krieg mit der Künstlichen Intelligenz, die amerikanische Forscher selbst erschaffen haben. KI ist verboten worden. In den asiatischen Ländern wird trotzdem weiter experimentiert, hier hat die KI die Selbstproduktion übernommen, und die „Simulants“ werden den sogenannten echten Menschen immer ähnlicher. Amerikanische Einheiten fallen in fremdes Territorium ein, um Labore wegzusprengen und um den Mastermind der KI-Entwicklung zu töten, eine fast schon mythisch aufgeladene Gestalt, Nirmata.

Edwards, Washington, The Creator
John David Washington

Der Held Joshua (John David Washington) ist als Doppelagent in New Asia eingesetzt und mit der Tochter von Nirmata verheiratet. Sie ist schwanger, die beiden lieben einander wirklich. Das US-Militär bringt Joshuas Frau und das ungeborene Kind bei einem Einsatz um. Fünf Jahre später macht sich Joshua auf die Suche nach seiner Frau, die überlebt haben soll, mit dem Auftrag, eine den Krieg entscheidende asiatische Wunderwaffe zu zerstören. Die entpuppt sich als KI in androgyner Kindergestalt (Madeleine Yuna Voyles).

Während der Reise des Helden und des Kindes durch asiatisches Kriegsgebiet verwandelt Edwards die Erzählung von einer Kriegs- in eine antiimperialistische Evolutionserzählung. Und die ist für ein Blockbuster-Format erstaunlich langsam gehalten, auch wenn es immer wieder ordentlich schallert. Dazu kommt, dass The Creator mit einem kleinen Team und größtenteils mit billigen Kameras gedreht wurde (eine Sony FX3 bekommt man zurzeit für knapp 5.000 Euro). Diese seien so lichtempfindlich, dass man nachts nur mit Mondlicht drehen kann, erzählt Edwards. „Das bedeutete auch, dass wir nicht die riesigen Scheinwerfer brauchten, die man oft an Filmsets sieht. Einige der von uns verwendeten LED-Leuchten waren sogar so klein und leicht, dass wir sie oft nicht auf ein Stativ stellen mussten, sondern der Best Boy sie an einer Stange halten konnte, ähnlich wie der Tontechniker ein Mikrofon hält. Wenn sich die Schauspieler bewegten, konnte sich die Beleuchtung sofort anpassen, ohne dass wir Stunden am Tag mit dem Bewegen der riesigen Ausrüstung verloren.“

Dunkelheit, Langsamkeit und die körnige Low-Budget-Ästhetik, die Bilder mit Überwältigungscharakter hier nicht ausschließt, verleihen dem Film eine durchweg melancholische Atmosphäre. Es läuft auf ein Tearjerker-Finale zu, das andere Vertreter des manchmal allzu intelligenten zeitgenössischen Actionkinos wie zum Beispiel Christopher Nolan oder Denis Villeneuve nicht hinbekommen, weil deren Sachen dann doch allzu ausgedacht wirken. Gareth Edwards‘ Bilder und Geschichten haben dagegen nichts ungut Konstruiertes, sondern funktionieren auf allen Ebenen.

The Creator ist vollgestopft mit Anspielungen auf Vietnam-Filme, auf Apocalypse Now und Die Verdammten des Krieges vor allem, und die Soldatinnen und Soldaten des Westens werden im Verlauf von Verteidigern der Zivilisation zu Aggressoren. Der Film treibt seine Metaphorik an diesem Punkt sehr weit. Am Ende ist der Kampf der Menschen gegen die Künstliche Intelligenz nicht mehr nur, wie es in einem zweiten Schritt scheint, ein Abwehrkampf gegen die nächste Stufe der Menschheitsentwicklung, sondern ein Angriffskrieg gegen einen imaginierten Feind und die eigene Humanität.

Mit seiner Humanisierung der Roboter schließt The Creator an Blade Runner an, mit dem Mythos des Kindes als Erlöserfigur an Children of Men und 500 andere. In der Direktheit seiner Metaphorik geht er sehr weit. „I think the subtext is rapidly becoming a text here“ (Rupert Giles) – wenngleich ein sehr offener. Gareth Edwards hat schon in Monsters die Schönheit und das Potenzial des radikal Fremden gefeiert. In The Creator sind es am Ende die Mischformen, die die unrealisierten Möglichkeiten der Gattung präsentieren. Joshua hat einen künstlichen Arm und ein künstliches Bein. Beides spielt für den Plotverlauf keine Rolle, ist aber wichtig für das, was in The Creator immer wieder mitschwingt. Dass es die Hybride sind, die die Menschheit retten werden. Wie überhaupt jede vernünftige Utopie die Vermischung feiert.

 

The Creator
USA 2023, Regie Gareth Edwards
Mit John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Gemma Chan, Ken Watanabe
Laufzeit 133 Minuten