Erzfeindin des Feminismus?

Mitnichten. „Barbie“ von Greta Gerwig – bei Sky

Gerwig, Baumbach, Barbie
Barbie, 2023, Greta Gerwig

„Barbie“: Greta Gerwig und Noah Baumbach klopfen die Kultpuppe auf ihr gesellschaftssatirisches Potenzial ab.

Eine Überdosis Pink ist im Kaufpreis inbegriffen. Wie hier überhaupt so einiges über drüber ist, also übertrieben, überkandidelt, überzogen und überspannt. Das muss so sein. Dieser Film heißt schließlich nicht zum Scherz Barbie, dieser Film handelt von Barbie. Also von der von Ruth Handler erfundenen, in den späten Fünfzigern in den USA auf den Markt gebrachten Plastikpuppe, die, erwachsen, modebewusst, erfolgreich und alleinstehend, eine Alternative zu den ewig gleichen Babypuppen darstellte, mit denen Mädchen für ihre zukünftige gesellschaftliche Aufgabe trainiert wurden. Allerdings sind die Proportionen einer Barbie nicht nur anatomisch, sondern vor allem politisch unkorrekt. Blond, blauäugig, vollbusig, mit ihrer Wespentaille, ihren Endlosbeinen, die unten in High-Heels-Füße münden und oben in keiner Vagina, mit den unendlich vielen Klamotten und einem unstillbaren Hunger auf Konsum, ist Barbie schuld an falschen Körperbildern, falschen Geschlechterbildern und falschen Weltbildern.

Und jede emanzipierte Frau, die auf sich hält, verbannt die Barbiepuppe aus dem Zimmer ihrer Tochter – oder versucht es zumindest. Dass es mittlerweile Barbies in unterschiedlichen Hautfarben gibt und auch eine Barbie im Rollstuhl sitzt, macht die Sache nicht besser. Und Barbies mit normalen Proportionen konnten sich gar nicht erst durchsetzen; neben ihren Hungerhaken-Schwestern wirkten sie mehr als nur vollschlank, die Produktion wurde eingestellt.

Gerwig, Robbie, Barbie

Der Mattel-Konzern, dessen eingetragenes Warenzeichen Barbie ist, ist sich der Problematik seiner regelmäßig im ideologischen Kreuzfeuer stehenden Goldesel-Figur im Übrigen wohl bewusst und versucht auf unterschiedliche Weisen gegenzusteuern. Beispielsweise indem er zum Frauentag 2018 eine Serie von „Inspiring Women“ nachgebildeten Puppen vorstellte, darunter Amelia Earhart und Frida Kahlo. Auch der nun vorliegende Film will in diesem Kontext der Image-Korrektur gesehen werden. Gelungen ist ein veritabler Coup, führt doch keine geringere als Indie-Star Greta Gerwig Regie und wurden die Rollen von Barbie und Ken, der selbstverständlich nicht fehlen darf, von den hoch angesehenen Margot Robbie und Ryan Gosling übernommen. Woraus zu schließen ist, dass es sich bei Barbie, Überdosis Pink hin oder her, weniger um einen eindimensionalen Popcorn-Film für kleine Mädchen handelt als vielmehr um einen ebenso ernst zu nehmenden wie längst überfälligen Debattenbeitrag, der sich mit der kritischen Befragung des inkriminierten Lieblingsspielzeugs hinsichtlich seines (selbst)ironischen Potenzials eher an Erwachsene richtet.

Dass dies gelingt und über weite Strecken entweder hochkomisch oder grenzgenial oder sogar beides zugleich ausfällt, ist dem Drehbuch zu danken, geschrieben von Gerwig gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem nicht minder vielgepriesenen Filmemacher Noah Baumbach. Die beiden packen den Stier bei den Hörnern, indem sie die Plastic People dem Realitätscheck unterziehen. Nach einer umwerfenden, nichts geringeres als den Beginn von Kubricks 2001 zitierenden Einleitung nämlich sowie einem geradezu enervierend gut gelaunten ersten Kapitel („Hi, Barbie!“) stellt sich plötzlich und schockierend die Frage nach dem Tod, die selbstverständlich in Barbieland rein gar nichts verloren hat. Rasch ist die Ursache erkannt: ein Riss zwischen gespielter und realer Welt, der geschlossen werden muss – zu welchem Behufe Barbie und Ken in Los Angeles aufschlagen und gegen die Wirklichkeit prallen. Dieser Aufprall ist für Barbie schmerzhafter als für Ken, denn beiden offenbart sich bei dieser Gelegenheit das Patriarchat. In der Folge kommt es in Barbieland zum längst überfälligen Kampf der Geschlechter. Alldieweil die Anzugträger von Mattel, allen voran der von Will Ferrell mit wie immer großer Freude an der anarchischen Sache gegebene CEO, sich um Schadensbegrenzung bemühen: Zurück in die Schachtel!, lautet hier der Schlachtruf. Doch der CEO hat die Puppenspielerin nicht auf dem Schirm, der das angerichtete Tohuwabohu mittlerweile einen Heidenspaß macht. Um von der ihrer selbst sich bewusst gewordenen Barbie zu schweigen, die nicht mehr länger Blondie-Bimbo sein will.

Gerwig und Baumbach scheuen weder vor Kapitalismuskritik noch vor Emanzipationsdiskursen zurück. Sie werfen eine Menge Bälle in die Luft. Nicht mit jedem wird in der Folge meisterlich jongliert, manche fallen zu Boden, einige fliegen weit übers Feld hinaus, andere stellen sich als würfelförmig oder pyramidal heraus. Aber derart abwechslungsreich und gewinnbringend haben die Frauen und Männer, die Mädels und Buben im Publikum sicher noch nie über dieses Spielzeug nachgedacht – darüber, wofür es steht, und wofür es stehen könnte.

Bei Sky Q oder Sky X, nebst weiterer Filme mit Margot Robbie wie BABYLON oder THE WOLF OF WALL STREET

Barbie
USA 2023, Regie Greta Gerwig
Mit Margot Robbie, Ryan Gosling, Dua Lipa, Will Ferrell
Laufzeit 114 Minuten