The Many Saints of Newark (2021)

Das Sopranos-Prequel überzeugt als Groschenroman – auf Netflix

Nivola, Taylor, The Many Saints of Newark
The Many Saints of Newark, 2021, Alan Taylor

The Many Saints of Newark setzt einiges voraus. Man sollte vor dem Sehen des Films sämtliche sieben Jahrgänge der Sopranos präsent haben. Und das nicht nur, um die Details erkennen und einordnen zu können, sondern wirklich für die Basics: Gewicht und Bedeutung des Geschehens versteht nur, wer weiß, was aus den Figuren später einmal werden wird und vor allem wie sie sterben werden.

Der von David Chase und Lawrence Konner geschriebene Film erzählt die Vorgeschichte, also das Werden von Tony Soprano, der in Many Saints von Michael Gandolfini, dem Sohn des 2013 verstorbenen James Gandolfini, gespielt wird. Eine Geisterstunde auch in diesem Sinne. Wenn man viel Zeit mit den Sopranos verbracht und sie alle, wie man so sagt, in sein Herz geschlossen hat, sieht man viele wandelnde Tote.

The Many Saints of Newark ist auch in der Hinsicht ein sehr kluger Film, dass er sich nicht auf das Naheliegendste konzentriert (wenn auch die Tagline zum Film „Who made Tony Soprano?“ heißt), sondern auf eine im Serienkosmos bislang eher marginale Figur umschwenkt, den Vater von Christopher Moltisanti (hier präsent mit der Stimme von Michael Imperioli). Ein Kleingangster, der für den Aufstieg vorgesehen ist, aber, wie viele Gewaltmänner aus dem Mafia-Mittelbau, an der eigenen Gewaltneigung und am toxischen Ehrenkodex scheitert. Ein tragisch-ödipaler Motherfucker außerdem, der den eigenen Vater (gespielt von Ray Liotta, womit die Verbindung zwischen dieser Serienwelt und Good Fellas noch einmal enger wird) umbringt und mit seiner Stiefmutter ins Bett geht. Sehr schön, wie auch auf der Leinwand banale Gewalt, Komik und eine Tragödie griechischen Ausmaßes zusammenfinden. Außerdem verwebt das Script die Wurstereien des Newarker Kriminellen-Adels mit den Race Riots der späten Sechzigerjahre.

Die Übertragung vom Serien- ins Filmformat funktioniert jedenfalls. The Many Saints of Newark ist kein alles erklärendes Prequel, sondern eine Ergänzung auf einem Nebengleis, die sich anfühlt wie ein brillant geschriebener 120-Seiten-Groschen-Roman, den man in einem Zug wegliest.

 

The Many Saints of Newark
USA 2021, Regie Alan Taylor
Mit Alessandro Nivola, Leslie Odom Jr., Ray Liotta, Michael Gandolfini
Laufzeit 120 Minuten