23 – Nichts ist so wie es scheint (1998)

Hans-Christian Schmids fabelhafter Hackerfilm – als Mediabook

23, Schmid, Diehl
23, 1998, Hans-Christian Schmid

23: Karl ist hochintelligent, im sozialen Umgang etwas speziell, äußerst zielstrebig, und er programmiert. Hans-Christian Schmids Spielfilm läuft auf vielen Ebenen: als Porträt eines jungen, wütenden Mannes, der an der Welt und an den eigenen Fähigkeiten irre wird; als Zeitbild der Bundesrepublik der Achtzigerjahre; als Film über den soghaften Gedankenrausch, den Verschwörungstheorien bei psychisch labilen Menschen erzeugen können. Karl entdeckt das Werk von Robert Anton Wilson, dem Autor des Weltdeutungsromans „Illuminatus!“, und nimmt das alles todernst. Der Schlüssel zum Verständnis und zur Beeinflussung des Weltgeschehens ist die Zahl 23, und wer so einen schönen Schlüssel und damit ein von Zweifeln nicht berührbares Geheimwissen erst einmal gefunden hat, gibt es natürlich nicht mehr her. Auch wenn der Preis die eigene psychische Gesundheit ist.

Karl wird gespielt von August Diehl, und 23 ist einer der Fälle, bei denen Rolle und Schauspieler auf eine rundum ideale Weise zusammengefunden haben. Diehl spielt den renitent-eigensinnigen, dann mehr und mehr paranoischen jungen Mann erst mit einem überlegenen, aber doch in sich gekehrten Lächeln. Dann als einen, dessen Fokussiertheit die spätere Manie schon erahnen lässt. Und am Ende mit erloschenen Augen, als weit vor der Zeit gealterten Menschen, der zur Büropflanze geworden ist, die von ihren Erinnerungen lebt.

23 basiert auf der Lebensgeschichte des Hackers Karl Koch, der im Alter von nur, natürlich, 23 Jahren unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist. Man hätte aus dem Stoff einen True-Crime-Reißer machen können, ohne Weiteres. Schmid allerdings ist schon mit seinem zweiten Kinofilm gelungen, was auch seine späteren wie Requiem oder Wir sind dann wohl die Angehörigen (mehr dazu hier) auszeichnet. Das Spektakuläre wird unspektakulär erzählt, nämlich im Gestus abgeklärter Melancholie. In dieser Abgeklärtheit löst alles Exploitative des True-Crime-Genres sich einfach auf, und das ist schön.

Als umfangreiches Mediabook bei Turbine Medien, selbstverständlich limitiert auf 2323 Exemplare.

 

23 – Nichts ist so wie es scheint
Regie Hans-Christian Schmid
Mit August Diehl, Fabian Busch, Dieter Landuris
Laufzeit 99 Minuten