Schocktober

Halloween-Streaming-Special

Fox, Jennifer's Body
Jennifer's Body, 2009, Karyn Kusama

Halloween gibt es nur einmal Ende Oktober, aber es ist möglich, die Festlichkeiten über den halben Monat auszudehnen. Um für die Feiertage in die richtige Stimmung zu kommen, haben wir wieder die Bibliotheken diverser Streamer durchforstet.

 

Preacher (Netflix)

Die AMC-Serie von Comedy-Duo Seth Rogen und Evan Goldberg und Showrunner Sam Catlin (Breaking Bad) lief hierzulande bislang bei Prime Video. Nun sind die vier Staffeln Ende September auf Netflix erschienen und im Prime Video-Abo ist nur die erste Staffel zurückgeblieben. Die Comic-Serienadaption ist rotzfrech, erzählerisch erfinderisch und politisch zutiefst unkorrekt. Dominic Cooper spielt den titelgebenden Priester, der sich gemeinsam mit einem irischen Vampir (Joseph Gilgun) und seiner Ex-Freundin (Ruth Negga) auf die Suche nach Gott macht. Ästhetisch liegt Preacher (von Autor Garth Ennis stammen auch die Comics von The Boys) irgendwo zwischen Quentin Tarantino und den Coen-Brüdern, aber es ist ein ganz eigenes, lebendiges Ding.

Netflix verfügt über eine ausgiebige Halloween-Kollektion und zeigt unter anderem auch die neue schwedische Workplace-Slasher-Satire The Conference und Mike Flanagans Gothic-Serie The Fall of the House of Usher. Der Horrorspezialist verabschiedet sich damit vom US-Streamer. Mit 2024 wechselt er zur Konkurrenz und geht zu Amazon.

 

Don’t Look Now (Canal+)

Selbst diejenigen, die Nicolas Roegs beachtenswerte Adaption von Daphne du Mauriers Kurzgeschichte noch nicht gesehen haben, sind wahrscheinlich mit den eindrucksvollen Bildern vertraut: das ertrunkene kleine Mädchen im roten Regenmantel, das zu Beginn des Films von ihrem Vater aus dem Teich gezogen wird; die für damals sehr intime Sexszene zwischen Donald Sutherland und Julie Christie, unterbrochen von Szenen, in denen sie sich fürs Abendessen fertig machen; und das wirklich schockierende Ende des Films, vielleicht eines der berühmtesten seit Hitchcocks Psycho.

Das Archiv von Canal+ birgt außerdem Schätze wie Ingmar Bergmans 1968er Horrordrama Die Stunde des Wolfs und David Lynchs Schwarzweiß-Klassiker The Elephant Man (1980) mit John Hurt in der großartigen Rolle des Elefantenmenschen.

 

Only Lovers Left Alive (Mubi)

Existenzielle Erschöpfung lastet schwer auf diesem wunderbaren Film von Jim Jarmusch aus dem Jahr 2013, in dem Tilda Swinton und Tom Hiddleston ein blass-schönes Vampirpaar spielen, das Jahrhunderte damit verbracht hat, die Menschheit aus dem Schatten zu beobachten. Jarmuschs trockener Sinn für Humor ist hier intakt und er hat mit Adam und Eve vielleicht auch die besten Figuren geschaffen, die er je geschrieben hat. Es ist ein Film über die Liebe als Anti-Aging-Kraft, eine Gegenüberstellung von Tanger und Detroit, mit Jarmuschs Band SQÜRL und dem Lautenisten Jozef van Wissem auf dem Soundtrack.

Seit 13. Oktober zeigt Mubi außerdem vier weitere anspruchsvolle Vampirfilme von F.W. Murnaus Stummfilm-Klassiker Nosferatu (1922) bis zu Park Chan-wooks raffinierter Moralstudie Durst (2009).

 

X (Sky)

Ti Wests Hommage an die Slasher der 1970er spielt 1979 in einem abgelegenen Bauernhaus in der Nähe von Houston und folgt einer Gruppe von sexhungrigen jungen Leuten (darunter die fantastische Mia Goth), die einen Softporno drehen wollen. Mit (hier unsere Kritik) ist es dem Regisseur im Jahr 2022 gelungen, lustig, nachdenklich und gelegentlich sogar innovativ zu sein. Er versteht, dass eine von Jugend besessene Gesellschaft nicht nur vor dem Älterwerden Angst hat, sondern auch davor, dass ältere Menschen möglicherweise noch sexuelle Sehnsüchte haben. Die Fortsetzung Pearl ist fast noch besser (auch bei Sky gegen moderates Entgelt).

Sky zeigt zwischen 23. Oktober und 1. November wieder ein spezielles Halloween-Programm. Zu den Highlights zählen unter anderem Black Phone (2021) mit Ethan Hawke als Kindermörder und Halloween Ends (2022), David Gordon Greens kontroverses Finale der Horror-Neuauflage.

 

Les Yeux sans visage (Prime Video)

Dieses französische Meisterwerk aus dem Jahr 1960 ist nicht nur eklig, sondern schleicht sich an einen heran. Es ist womöglich das größte Psychodrama, das nicht von einem Schweden gemacht wurde – sondern von Georges Franju, einem Großen des französischen Kinos. Es geht um einen Wissenschafter (Pierre Brasseur), der davon besessen ist, das entstellte Gesicht seiner Tochter (Edith Scob) wiederherzustellen, indem er die Gesichtszüge junger Frauen transplantiert. Eine Fabel über Schöpfung, Hybris, Frauenfeindlichkeit, die Illusion körperlicher Perfektion. Es ist ein Film, der endlose Interpretationen zulässt.

Prime Video zeigt außerdem Luca Guadagninos 2018er Suspiria und den neuen, schwarzhumorigen Slasher Totally Killer, der gerne als „Scream meets Back to the Future“ beschrieben wird.

 

Jennifer’s Body (Disney+)

Als der Film von Karyn Kusama und Diablo Cody im Jahr 2009 in die Kinos kam, waren die meisten Kritiker:innen nicht begeistert. Viele schienen zu glauben, dass dieses von Frauen geschriebene und inszenierte B-Movie mit einer vampirischen Megan Fox ein trashig-spaßiger Softporno für Männer sein wollte. Der Horrorfilm, der die Weichen für spätere Rape-and-Revenge-Filme wie Promising Young Woman (2020) stellte, hat inzwischen allerdings Kult-Status erlangt – als eine Art vergessene, feministische Rachefantasie für Frauen.

Die „Halloween-Sammlung“ von Disney+ beinhaltet seit Oktober außerdem Neuheiten wie die Horrorkomödie Haunted Mansion und die Stephen King-Adaption The Boogeyman (hier unsere Kritik).