DVD-Sammlung. Warum Serien und Filme spurlos verschwinden – und warum Sie Ihre Disc-Kollektion vielleicht doch nicht weggeben sollten.
Wenn Sie schon darüber nachgedacht haben, Ihre mit DVDs und Blu-rays gefüllten Regale auszumisten, sollten Sie es sich vielleicht noch einmal überlegen. Um Geld zu sparen, nehmen Streaming-Dienste Serien und Filme einfach aus ihren Bibliotheken.
Disney zieht seine Sparmaßnahmen beinhart durch und hat haufenweise Serien und Filme aus seinem Katalog geschmissen. Zugegeben, es waren nicht nur Perlen darunter, aber auf der schwarzen Liste war zum Beispiel auch die neue Serie Willow, eine gelungene Serienfortsetzung des verschmähten Fantasy-Klassikers.
Serien wie Nautilus sind bereits abgedreht, werden aber gar nicht erst ausgestrahlt. „Vor zwei Jahren war Nautilus eine große Neuigkeit“, schrieb im August Stuart Heritage vom Guardian. Ein teures, in Australien produziertes Disney+-Prequel zu Jules Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer. „Allerdings wird niemand Nautilus sehen, denn obwohl es bereits gedreht wurde, hat Disney+ beschlossen, es nicht zu streamen.“ Wenn es Disney nicht schafft, die Abenteuerserie zu verkaufen, wird das U-Boot von Kapitän Nemo nie das Licht der Welt erblicken.
Die Entscheidung ist ein Teil des im Mai vorgestellten Disney-Plans zur Entfernung von Streaming-Content im Wert von etwa 1,5 bis 1,8 Milliarden US-Dollar, was bedeutet, dass der Wert des Unternehmens erheblich sinkt und es weniger Steuern zahlen muss. Durch das Entfernen von Titeln aus ihren Bibliotheken können Streamer diese bei der Steuererklärung als Verluste abschreiben und müssen den Künstlern weniger in Restbeträgen auszahlen. Aber es ist eben auch eine Kultur der Abwertung. Ist alles, was hier gehen muss, wirklich nicht „wert“ zu bleiben?
Disney+ ist nicht der einzige Sender, der Filme und Serien cancelt. HBO Max hat sich unter anderem von Westworld, Raised by Wolves und Love Life getrennt und die zweite Staffel der feministischen Pornokomödie Minx (hier unsere Besprechung) in den Sand gesetzt, gerade als sie mit der Produktion fertig war (der amerikanische Pay-TV-Sender Starz hat die Serie gekauft).
Von Netflix ist man das gewohnt. Der Streamer hat uns an das Verschwinden von Filmen und Serien aus dem System gewöhnt. Es handelt sich dabei aber nie um Eigenproduktionen. Was wir gerade sehen, ist also, gelinde gesagt, beunruhigend. Wenn Disney „ausmistet“ und HBO Max eine Serie wie Westworld loswerden kann, was kommt als nächstes? Succession?
Ich finde es vertretbar, darüber verwirrt zu sein. Früher war es ziemlich einfach: Man gibt jemandem Geld und bekommt dafür eine Ware, die einem dann gehört. Aber das digitale Zeitalter hat die einst einfachen Transaktionen komplizierter gemacht. Wir kaufen keine Medien mehr. Wir lizenzieren sie. Diese Lizenz bleibt bestehen, bis das Unternehmen nicht mehr existiert oder bis das Unternehmen sich dazu entschließt, den Titel nicht mehr zu unterstützen. Nehmen wir zum Beispiel Black Widow, einen Film, für den die Leute bei seiner Veröffentlichung digital 22 Euro bezahlten. Sollte Disney jemals beschließen, aus dem Streaming-Spiel auszusteigen oder den Film aus welchen Gründen auch immer zu entfernen, haben Sie keinen Zugriff mehr auf diesen Titel. Das Gleiche gilt für alles, was Sie etwa über Amazon oder Apple „gekauft“ haben.
Für Zuseher:innen gibt es wenig Grund, optimistisch in die Zukunft des Streamings zu blicken. Auch Sky Deutschland hat die Reißleine gezogen und die Produktion von deutschen Originals eingestellt. Der Markt ist übersättigt. Die Blase rund um den Boom der 2010er Jahre ist endgültig geplatzt. Wenn wir jedoch in die Vergangenheit blicken, gibt es vielleicht eine praktische Alternative. Das bringt mich zu meinem Schlussplädoyer: Die einst boomende Heimvideobranche ist in den vergangenen zehn Jahren erheblich geschrumpft, aber da überschwemmte Dienste schrumpfen und gleichzeitig die Abo-Preise steigen, wird der Wert einer eigenen Bibliothek schnell deutlich. An dem Gefühl, etwas zu haben und dann zu verlieren, führt kein Weg vorbei. Es ist frustrierender und beleidigender als die Erkenntnis, dass es Dinge gibt, die man gar nicht erst hatte. Eine DVD gehört (jedenfalls fachgerecht gelagert) für immer Ihnen und sie wird (so es noch funktionierende Player gibt) voraussichtlich jede Art von Streaming-Krieg überleben.
