Erich von Medici

Schöne Pleskow-Retro im Wiener Metro

Pleskow, Nicholson, One Flew Over the Cuckoo's Nest
One Flew Over the Cuckoo's Nest, 1975, Miloš Forman

Eric Pleskow: „Ein paar Oscars zu Hause“. Am 24. April wäre der ehemalige Hollywood-Produzent und langjährige Präsident der Viennale 100 Jahre alt geworden. Grund genug für eine Retrospektive im Wiener Metro Kinokulturhaus.

Während Alex Garland sich in seinem bildgewaltigen Anti-Kriegsgedicht Civil War im Kino gerade einen zweiten Bürgerkrieg in den USA ausmalt (schwer zu sagen, ob es eine heftige Warnung oder eine finstere Prophezeiung sein soll, vielleicht beides), verkündete Peter Finchs Nachrichtensprecher Howard Beale den Tod der Demokratie schon vor fast fünfzig Jahren in Sidney Lumets Oscar-gekröntem Meistwerk Network (1976): „In unseren verängstigten Seelen wissen wir, dass die Demokratie ein sterbender Riese ist, ein krankes, krankes, sterbendes, verfallendes politisches Konzept, das sich in seinem letzten Schmerz windet!“

Sie können sich den legendären „We’re In A Lot of Trouble“-Monolog und die noch legendärere „I’m Mad As Hell“-Szene in ihrer ganzen, glorreichen Pracht am 27. April auf der großen Leinwand im Wiener Metro-Kino ansehen. Denn mitproduziert hat die Mediensatire Network der in Österreich geborene Eric Pleskow, damals Präsident von United Artists. Nächste Woche wäre der 2019 verstorbene Hollywood-Produzent und ehemalige Präsident der Viennale 100 Jahre alt geworden. Ein guter Grund für das Filmarchiv Austria ein Best-of-Pleskow zu zeigen.

Am 24. April 1924 in Wien als Erich Pleskoff geboren, flüchtete er drei Tage vor Kriegsausbruch mit seinen jüdischen Eltern über Umwege in die USA. Ein Zufall brachte ihn zum Film; der Rest ist Oscar-Geschichte. Selbst produziert hat er tatsächlich nur einen Film, John Boormans Ostasien-Drama Beyond Rangoon (1995), aber für vierzehn Filme, die später mit mindestens einem Academy Award ausgezeichnet wurden, gab er grünes Licht. „Ich habe ein paar Oscars zu Hause und das ist gefährlich“, hat er einmal kokett erzählt. „Ich war neulich kurzatmig und musste den Krankenwagen rufen. Sie kamen rein, sahen die Oscars und vergaßen, warum sie eigentlich reingekommen waren.“

Fünf Oscars in allen Hauptkategorien gewann Miloš Formans One Flew Over the Cuckoo’s Nest, ein Drama, das ein gespaltenes Amerika brillant auf die Dimensionen einer psychiatrischen Anstalt reduzierte. Aber während der Film Jack Nicholson als liebenswerten Schurken New Hollywoods zementierte, erinnere ich mich lieber an seine Gegenspielerin, die so beängstigend war, dass sie Mildred Ratched (gespielt von der wunderbaren Louise Fletcher) in den Bereich der Ikonen hob. Die Banalität des Bösen in einer knackigen weißen Mütze oder einfach nur eine Frau, die sich gegen einen Grobian und Lustmolch durchsetzt.

Eric Pleskow stieß zu dem Film, als der sich bereits in jenem Status befand, der in Hollywood development hell genannt wird (Kirk Douglas hatte 1962 die Rechte an Ken Keseys Roman erworben). Kein Studio wollte ihn produzieren. 20th Century Fox war daran interessiert, aber nur unter der Bedingung, dass McMurphy am Ende überlebt. Dies wurde dankend abgelehnt und United Artists bekam den Film. Für Pleskow war es der Auftakt zu einem Coup: Sein Filmstudio gewann dreimal hintereinander den Oscar für den besten Film. Im Jahr 1976 für Cuckoo’s Nest, 1977 für Rocky und 1978 für Annie Hall. Als Präsident der United Artists und später als Mitbegründer der Orion Pictures ging er Risiken ein, die kein anderer eingehen wollte.

Jonathan Demmes Silence of the Lambs (1991) räumte bei den Oscars ab, wie es nur selten bei Genre-Filmen der Fall ist, und machte Jodie Fosters Clarice Starling zu einem feministischen Leuchtfeuer in der Populärkultur. „Dies ist ein Studio, das riskante Projekte aufnimmt und vorantreibt“, sagte die Schauspielerin über Orion. Ein Risiko war auch Amadeus, ein Film, der aus so manchem Blickwinkel wie das Produkt einer konservativen und risikoscheuen Industrie aussieht, aber in der Art und Weise seiner Entstehung in aller Stille radikal war. Miloš Formans Mozart-Film aus dem Jahr 1984 gewann sieben Oscars, von denen einer ab sofort seinen Platz im Metro-Kinokulturhaus einnehmen wird, wo man auch einen Saal nach Pleskow benannt hat.

Dances with Wolves (1990) klang auch nicht gerade sexy. Western galten Anfang der Neunziger als totes Genre. Große Teile der Dialoge werden in dem Sioux-Dialekt Lakota gesprochen und sind untertitelt. Die ursprüngliche Kinofassung war drei Stunden lang und Kevin Costner hatte noch nie Regie geführt. Pleskow hat ihm vertraut und der Film gewann sieben Oscars. Die Retrospektive zeigt außerdem Alan Parkers tadellos inszeniertes Mississippi Burning (1988) und Oliver Stones Antikriegs-Epos Platoon (1986).

„Manchmal fühlte ich mich wie die Medici“, sagte Pleskow einmal und bezog sich dabei auf die florentinische Dynastie, die über eine blühende italienische Kunstszene herrschte und mit ihrem Geld Größen wie Botticelli, Leonardo und Michelangelo förderte. Keine kleine Leistung für einen Buben aus der Wiener Porzellangasse.

Retrospektive vom 24. April bis 14. Mai 2024 im Wiener Metro Kinokulturhaus