Sommerhighlights

Neu im Kino KW 32 (AT)

Anais, Bruni-Tedeschi, Demoustier
Der Sommer mit Anaïs, 2021, Charline Bourgeois-Tacquet

Spannender Alien-Horror („Nope“), eine sentimentale Reise („The Last Bus“) und ein schöner Sommerfilm („Les amours d’Anaïs“): unsere Neustart-Empfehlungen für Österreich.

Die größte Aufmerksamkeit unter den Titeln dieser Woche dürfte dem lang erwarteten dritten Film von Jordan Peele zuteil werden; in der Tat legt der nach Get Out (2017) und Us (2019) mit Nope, neuerlich nach eigenem Drehbuch inszeniert, ein weiteres wunderbares Beispiel vor für das, was sich gewinnen lässt, wenn einer etwas wagt.

Mit der Zuordnung zu einem bestimmten Genre hält Nope sich gar nicht erst auf. Trägt stattdessen Elemente aus Science-Fiction, Horror und Satire in einem Western-Setting zusammen, tut den ein oder anderen abstrusen Einfall dazu, jagt alles durch den Mixer und wirft das Resultat mit epischer Geste auf die ganz große Leinwand, dabei eine beträchtliche Dosis ästhetischer Energie auf kunstvolle Bildgestaltung verwendend.

Worum es geht? Ist es nicht seltsam, dass die mächtige Wolke direkt über dem Hügelzug, der den so täuschend freundlich benannten Agua Dulce Canyon begrenzt, sich nicht und nicht bewegt? Fragt sich der stoische OJ Haywood und fragt sich bald auch dessen temperamental völlig konträr veranlagte Schwester Em, die dort gemeinsam eine Filmpferde-Ranch betreiben. Gleichso und noch so einiges anderes fragen sich die Zuschauer:innen; und Peele lässt sich nicht lumpen und gibt ihnen die eine oder andere Nuss zu knacken sowie allerhand zu bedenken.

Das Motiv des Spektakels zieht sich auf mehreren Ebenen und in vielfacher Gestalt durch die wilde Handlung. Vom amoklaufenden Schimpansen bis zum himmelfahrenden Schimmel, vom Alien mit Verdauungsstörungen bis zum aufgeblasenen Cowboy, der zum Showdown einschwebt. Und es ist nicht die geringste Erkenntnis, die sich aus Nope mitnehmen lässt, dass zum Spektakel die Zähmung gehört, der wiederum die Gefahr der Annäherung vorauszugehen hat. Indem er die Annäherung mit fotografischen Apparaten jener mit Waffen gleichkommen lässt, wodurch noch das Abbild des Spektakels selbst wieder ein Spektakel wird, setzt Peele noch eins drauf. Willkommen im Film! (Hier unsere weiterführende Kritik)

Nach dem Tod seiner Frau Mary macht sich Tom auf den Weg von John O’Groats, hoch oben im Nordosten Schottlands, nach Land’s End in Cornwall in Englands Südwesten. Dort hatten die beiden einander einst kennen- und liebengelernt, dort hat ihr junges Glück allerdings auch einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Und doch, einmal noch hatte Mary in die alte Heimat zurückkehren wollen; und nun erfüllt ihr eben Tom auf seinen eigenen letzten Metern diesen letzten Wunsch. Es ist ein buchstäbliches Angehen gegen den Tod, und doch ist es auch eine schöne Liebesgeschichte. Passend lautet der Titel des in Rede stehenden Films des schottischen Regisseurs Gillies MacKinnon im englischen Original The Last Bus (Der Engländer, der in den Bus stieg und bis ans Ende der Welt fuhr). Denn der Clou an der 838 Meilen weiten Reise ist, dass sie in öffentlichen Bussen vonstatten geht, die der alte Herr mit seinem Rentnerticket umsonst nutzen kann. Und so ist The Last Bus ein entschleunigtes Roadmovie, eine „Sentimental Journey“, ein Panoramaschwenk über die vielfältigen Landschaften Großbritanniens und seine bunte Bevölkerung, eine Liebesgeschichte in wehmütigen Erinnerungen, vor allem aber: eine Timothy-Spall-One-Man-Show – und als solche unbedingt sehenswert. Mit Präzision und Virtuosität macht er aus einer durchaus auch ein wenig skurril anmutenden Figur eine übers Land ziehende freundliche Seele, die Menschen einander näher und das Gute in ihnen zum Vorschein bringt. Allein durch seine Anwesenheit wird der Autobus zur Nuss-Schale, in der Empathie wächst. Denn wer nebeneinander sitzt, der kann sich auch einander zuwenden; alles was es dazu braucht, ist, sich ein klein wenig zur Seite zu drehen.

(Und schon zum Deutschlandstart des folgenden Films schrieb Kollege Moldenhauer:) Eine leichte und dann auch noch sehr romantische Komödie ist Der Sommer mit Anaïs, der erste Film der Autorin und Regisseurin Charline Bourgeois-Tacquet. Auf den ersten Blick ein weiterer Film über eine Frau in den Dreißigern, die sich nicht entscheiden kann und nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Greta Gerwig und Joachim Triers Der schlimmste Mensch der Welt (unsere Kritik) sind nicht weit, wenn Anaïs (Anaïs Demoustier) innerlich unruhig, aber mit großem Lebenshunger auf der Leinwand sucht und zweifelt. Das innerliche Chaos bedingt ein äußeres: Ein alternder Verleger (Denis Podalydès) will eine unverbindliche Affäre mit Anaïs, sie ist schnell gelangweilt und verliebt sich stattdessen in dessen Frau (Valeria Bruni Tedeschi). Ein schöner Sommerfilm.