Der Pate als Rancher

Kann Kevin Costner das rote und blaue Amerika vereinen?

Kevin Costner, Yellowstone
Yellowstone, 2018–, Taylor Sheridan, John Linson

Amerika ist, sehr grob betrachtet, in blau und rot gespalten; in Demokraten und Republikaner, in Liberale und Konservative, in Staaten wie Kalifornien und, sagen wir, Montana. Aber eine Western-Serie mit Kevin Costner, die seifiges Dallas-Melodrama mit The Godfather-Anleihen verbindet, ist zu einem Crossover-Hit geworden, der die kulturellen Spaltungen in Post-Trump-Amerika zu verstehen scheint.

Gut möglich, dass Sie noch nie davon gehört haben, obwohl es die meist gesehene Serie in den USA ist. Zu verdanken ist das wohl zu einem großen Teil dem Publikum im ländlich dominierten „Heartland“ – dem „von den Eliten vergessenen“ Teil des Landes, an den Donald Trump appellierte. Die Rede ist von Yellowstone.

Für all jene, die sie nicht kennen – und das sind die meisten, denn bei uns kann man Yellowstone nur bei UPC TV im Stream anschauen oder bei Prime Video kaufen: Es geht um die Duttons. Eine ultrareiche, weiße Familie mit Kevin Costner als herrischer Mafioso-Figur und J.R.-Verschnitt, der eine riesige Ranch in Montana betreibt, die er mit allen Mitteln (unter anderem auch Mord) vor Bauunternehmern, Touristen und amerikanischen Ureinwohnern verteidigt. Seine Sprösslinge, drei Söhne und eine Tochter, buhlen um seine Gunst. Die Serie wird gern als republikanische Version von Succession gesehen, aber im Gegensatz zu Jesse Armstrongs preisgekrönter Prestige-Serie auf HBO, die zuletzt solide 1,7 Millionen Zuseher:innen hatte, ist Yellowstone viel beliebter.

Bei der Premiere der vierten Season vergangenen November schalteten live fast 13 Millionen Menschen im ganzen Land den Kabelkanal Paramount Network ein. Das sind Zahlen, die man sonst nur aus der Blütezeit von Game of Thrones oder The Walking Dead kennt (bzw. dieser Tage House of the Dragon). Das kann wohl nur bedeuten, dass Yellowstone auf gewisse Weise den Zeitgeist zu treffen vermag.

Mitschöpfer Taylor Sheridan, ein Texaner, der auch als Chefautor und gelegentlicher Regisseur der Serie fungiert, hat Auszeichnungen für düstere Neo-Western wie Sicario oder Hell oder High Water bekommen. Yellowstone jedoch wurde seit ihrer Premiere 2018 von Preisverleihungen und liberalen US-Medien weitgehend ignoriert. Eine Kollegin hat sie in ihrer Ode als die „meistgesehene Serie, über die niemand spricht“ bezeichnet. Das mag daran liegen, dass die Erzählung selbst und die Leute, die sie mögen, vielen zu konservativ sind. Mit ihren verschwitzten Cowboys, den malerischen Berglandschaften und den abfälligen Witzen über verweichlichte Stadtmenschen richtet sich Yellowstone direkt an Amerikas republikanisches Kernland. Von einigen Konservativen wurde die Serie als Feier der „nicht-woken“ Werte des „roten Staates“ begrüßt, zum Beispiel von der Tochter des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten John McCain.

Aber nun beginnen auch Menschen aus liberalen Kreisen vermehrt sich als Liebhaber zu outen. Denn die Serie scheint etwas über den gegenwärtigen Geisteszustand der USA zu sagen – und nach Ansicht von ein paar Folgen ist das nicht schwer verständlich. Yellowstone ist eine ziemlich effektive, süffige, hurrapatriotische Seifenoper über einen Mann, der um jeden Preis an seiner Macht festhält. Die LA Times hat das Ganze „The Godfather on a ranch“ genannt. Hier der reißerische Trailer zu S4:

Zur Erinnerung: Der charismatische Pate John Dutton wird von eben jenem Mann gespielt, der sich stellvertretend für seine Landsleute mit den amerikanischen Ureinwohnern aussöhnen wollte – durch das erfolgreiche Western-Epos Der mit dem Wolf tanzt (1990). Man kann es Costner also schwer nachtragen.

Tressie McMillan Cottom hat in ihrer Kolumne kürzlich über die Identität der Serie und ihre heimlichen liberalen Fans geschrieben. Sie sagt, Yellowstone sei „eine konservative Fantasie, die Liberale sehen sollten“. Zusätzlich empfehle ich Howard Homonoffs Artikel, als gutes Beispiel dafür, wie diese „rote“ Serie einen „blauen“ Fernsehkritiker anlocken kann. Er schreibt: „John Duttons Kampf, sein Land für seine Kinder zu bewahren, suggeriert nichts anderes als die Tragödie von Shakespeares King Lear oder die Melancholie von Tschechows Der Kirschgarten.“ Damit hat er wohl nicht ganz unrecht. Kevin Costners tragischer Held verkörpert das ranzige Patriarchat, das seinen eigenen Untergang kuratiert.

Es gibt eine sehr beliebte Szene in der ersten Staffel, in der sich Dutton über eine Busladung asiatischer Touristen ärgert, die auf seinem Grundstück einen Bären fotografieren. Billig, aber effektiv:

Mehr amerikanischer Machismo geht nicht. Seher:innen der Serie wissen, dass Dutton früher einen Berg in die Luft sprengen ließ, um Wasser von einem Rivalen abzuleiten, was erst dazu führte, dass die Bären auf sein Land gekommen sind. Die Folge trägt den Titel „A Monster Is Among Us“, und es ist wirklich schwierig zu sagen, ob sich das auf den Bären, auf die Touristen oder auf Dutton bezieht.