Die Waffen der Frauen

Streaming-Tipps zum Weltfrauentag

Robertson, Swimming with Sharks
Swimming with Sharks, 2022, Kathleen Robertson

Weltfrauentag, und der filmfilter feiert Frauen: Michelle Yeoh mit Würstel-Fingern, zwei Actioner von Kathryn Bigelow, eine Eighties-Ode an den weiblichen Ehrgeiz und mehr.

Einmal im Jahr wird auf die Rechte und Errungenschaften meines Geschlechts aufmerksam gemacht – was in einer Welt echter Geschlechterparität nicht notwendig wäre, weil es so wäre, als würde man die Tatsache feiern, dass der Himmel blau ist. Aber hier sind wir nun einmal.

Frauen mögen in Hollywood-Produktionen unerfreulicher Weise immer noch unterrepräsentiert sein, doch sind sie natürlich das ganze Jahr über spannend – nicht nur am Weltfrauentag und nicht nur im Kino. Aber klar: Aus diesem Anlass fahren die Streamer ihre „weiblichen Geschütze“ auf. Kramt man in den Online-Bibliotheken, findet man zum Beispiel bei Sky Michaela Coels humoristische, tabubrechende Rachefantasie I May Destroy You (Tipp hier). Netflix hat eine eigene Damen-Kollektion und veröffentlicht zur Feier des Tages Vanessa Jopps neue deutsche RomCom Faraway. Wer ein bisschen tiefer gräbt, findet auch schöne Filme wie Lulu Wangs The Farewell.

Oder frau sieht sich flat auf Prime Video an, wie der Blick von Mary Harron auf Christian Bales perfekt geformtem Körper verweilt – auf die gleiche Weise, wie Männer seit Jahrzehnten Frauenkörper filmen. Wenige wissen, dass die Literaturverfilmung American Psycho von einer Frau stammt. Genauso wenig wusste ich als junges Mädchen, dass Point Break (flat bei Prime Video und Mubi) oder Gefährliche Brandung, wie er im Fernsehen hieß, von Kathryn Bigelow inszeniert wurde. (Leider realisierte ich erst mit Mitte zwanzig, dass der Blick einer Frau radikale neue Perspektiven eröffnen kann.) Der Kultklassiker aus dem Jahr 1991, der 2015 ein in meinen Augen zu frühes, unnötiges Remake hervorgebracht hat, ist eine actiongeladene Meditation über Männerfreundschaft, Gewalt und die vermeintliche Natur der Dinge, quasi ein Western im Wasser. Keanu Reeves hatte als Schauspieler noch einiges zu lernen, was den Film bei wiederholter Betrachtung auf eine großartige Weise unfreiwillig komisch macht, aber die charismatische Qualität von Patrick Swayze macht ihn auch zeitlos. Mehr Coolness geht nicht. Die Fallschirmsprung-Actionszene bleibt eine der besten, die jemals gefilmt wurden. Bigelow setzte grobe Handkameras ein, ein Stil, den sie später in The Hurt Locker (auch Mubi) perfektionieren würde. Mit diesem geschickt und präzis inszenierten Kriegsfilm über ein Bombenkommando im Irak versetzt sie die Zuschauer:innen mitten ins Geschehen – und erhielt als erste Frau einen Oscar für die beste Regie. Ein technisches Wunderwerk. (Und apropos Mubi: Dort läuft z.B. auch eine infektiös-feministische 68er-Farce.)

Speaking of Action und Oscars. Sie können den Weltfrauentag auch mit dem Sky-Pop-up-Sender begehen und Michelle Yeoh dabei zusehen, wie sie von einem Paralleluniversum zum nächsten springt. Die Schauspielerin, in Asien schon seit Jahrzehnten im Hongkong Action-Kino ein Mega-Star, spielt mehrere Versionen von sich selbst im Film der Stunde, der wohl zu den Oscar-Lieblingen zählen wird. Everything Everywhere All at Once beginnt passenderweise damit, dass die Kamera durch einen Spiegel geht. Gar nicht so subtil sagt das amerikanische Regieduo Dan Kwan und Daniel Scheinert damit, dass man hier wie Alice im Wunderland das Unmögliche erwarten sollte. Die skurrile, beseelte Geschichte mit sprechenden Steinen, Würstel-Fingern und Martial-Arts-Kämpfen mit Sexspielzeugen dreht sich um eine chinesische Waschsalonbesitzerin, fabelhaft gespielt von Yeoh, die eben in mehreren Paralleluniversen durchlebt, was aus ihr geworden wäre, hätte sie im Leben andere Entscheidungen getroffen. Die Oscars haben in diesem Jahr keine Frau für die Regie nominiert, nachdem zwei Jahre in Folge Frauen die Kategorie eingenommen haben (scheinbar war das zu viel), aber Michelle Yeoh sollte den Preis als beste Schauspielerin gewinnen. Cate Blanchett hat schon zwei zu Hause stehen und es wäre eine längst überfällige Würdigung der 60-jährigen Malaysierin.

Melanie Griffith wiederum bekam ihre erste und einzige Oscar-Nominierung für ihre Rolle der unterschätzen Sekretärin Tess McGill, die mit himmelhohen Haaren und Schulterpolstern 1988 Manhattan eroberte. Working Girl (flat bei Disney+) oder auf Deutsch Die Waffen der Frauen, ist selbstverständlich kein Film darüber, den Kapitalismus zu stürzen oder das Patriarchat niederzureißen. Die Komödie hat auch nicht die Scharfsinnigkeit von Mike Nichols besten Filmen wie The Graduate. Es ist eine schamlose Märchenfantasie, aber dass eine Frau, die auch im echten Leben wie ein Sexspielzeug behandelt wurde, am Ende den Job und den Prinzen bekam, war ein bisschen revolutionär.

Dass eine Karrierefrau nicht automatisch eine gute Chefin sein muss, zeigt uns Diane Kruger, neben der Christoph Waltz als „Boss from Hell“ ziemlich blass aussieht. Kann sich noch jemand an Kevin Spaceys Wutanfälle als bösartiger Hollywood-Studio-Boss in Swimming with Sharks erinnern? Knapp dreißig Jahre später behält eine neue sechsteilige Version davon (ab heute in der Canal+ App) etwas von dieser Bösartigkeit bei, teilt sie aber zwischen Diane Kruger und Kiernan Shipka auf. Die Showrunnerin Kathleen Robertson hat die Blaupause des 1994er Films genommen und sie in eine Seifenoper über erotische Besessenheit verwandelt.

Ein letzter Tipp zum Weltfrauentag (gegen moderates Entgelt bei diversen Anbietern): Barbet Schroeders Single White Female (1992) mit einer sehr jungen und fantastischen Jennifer Jason Leigh und mit Bridget Fonda. Obwohl oft kopiert und parodiert, bleibt Weiblich, ledig, jung sucht… wahrscheinlich der beste „Bad Roommate“-Film, der jemals gedreht wurde.