Weibliche Western, Männerbeziehungen

Neu im Kino KW 46

The Power of the Dog, 2021, Jane Campion

Filme von Kelly Reichardt, Jane Campion, Jason Reitman, Sebastian Meise und ein weiterer JFK-Vorschlaghammer von Oliver Stone. Ein selektiver Überblick.

Die Geschichte des Ghostbusters-Franchise ist eine schwierige. Der erste Teil ein wunderpraller Anarcho-Blockbuster, das Sequel dann ein blutleerer Aufguss. Über Paul Feigs 2016 unternommenen Reanimationsversuch wollen wir lieber schweigen. Das Erbe, dass Ghostbusters Legacy antritt, ist also ein tonnenschweres. Und ein buchstäbliches außerdem: Regie führt Jason Reitman, Sohn von Ghostbusters-Regisseur Ivan Reitman. Wir verweisen auf die filmfilter-Kritik zum Film, hier nur so viel: Die Art und Weise, wie Reitman der Jüngere mit diesem Erbe umgeht, funktioniert, der Film ist toll, alle atmen auf.

Ungleich stiller geht es in First Cow zu, dem zweiten Western von Kelly Reichardt. Reichardts Filme zeichnen sich nicht zuletzt durch die Abwesenheit jeder selbstzweckhaften Ästhetik aus; zurückhaltender kann man bei gleichbleibender intellektueller und konzeptueller Stringenz eigentlich nicht erzählen. Das gilt auch für First Cow, in dem zwei Männer im Oregon der 1820er Jahre nachts heimlich die einzige Kuh am Ort melken, die natürlich nicht ihnen gehört, sondern dem örtlichen Grundbesitzer. Alles, was bei den beiden mehr als nur eine Arbeitsgemeinschaft oder auch mehr als Freundschaft sein oder werden könnte, deutet Reichardt nur an. Die fast meditative Atmosphäre des Films verweist still auf all das ungelebte, weil unlebbare Leben der Menschen, die in den Mythen nicht vorkommen und vergessen wurden.

First Cow, 2019, Kelly Reichardt

Und noch ein Western von einer Regisseurin, die einen für das Durchschnittsgenrekino ungewohnten Blick auf Geschlechterverhältnisse kultiviert hat: Jane Campions The Power of the Dog erzählt die Geschichte zweier Brüder, von denen der eine versucht, dem anderen das Leben zur Hölle zu machen. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman von John Savage, der bereits 1967 unternahm, was heute im Western (also in den vergleichsweise wenigen Filmen des Genres, die zurzeit überhaupt noch gedreht werden) Standard ist: Immer geht es um die Dekonstruktion (oder Destruktion) seiner Mythen; dass zum Beispiel Indianer das Fort angreifen und ein John Wayne dann rettet, was zu retten ist, lässt sich heute nicht mehr plausibel erzählen. Reichardt nimmt das Genre in aller Ruhe auseinander, indem sie das Western-Setting mit stillem Realismus durchtränkt. The Power of the Dog verfährt da direkter und zeigt eine Welt, in der toxische Männlichkeit die Beziehungen der Menschen im Wesentlichen strukturiert (nunmehr auch auf Netflix).

Jesse Plemons, Kirsten Dunst in Power of the Dog

Ein weiterer Film über zwei Männer startet ebenfalls dieses Woche. Franz Rogowski (Transit, In den Gängen) spielt einen Mann, der immer wieder ins Gefängnis eingeliefert wird – einer von etwa 50.000 Männern, die zwischen 1950 und 1969 in der BRD nach Paragraph 175 verurteilt wurden. Bei einem seiner Knastaufenthalte trifft er den wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten Viktor, über die Jahre entsteht eine Freundschaft. Große Freiheit entfaltet auf der Leinwand eine Intensität, die man im deutschsprachigen Kino selten findet. Ihre Voraussetzung ist – neben den großartigen Schauspielern –, dass Regisseur Sebastian Meise sein Thema bearbeitet, ohne in moralisch anklagenden Duktus oder pädagogisch wertvolles Thesenkino zu verfallen. Das funktioniert, weil hier die Figuren (und vor allem die Körper der Figuren) im Zentrum stehen, in die sich die Geschichte einschreibt. Und das in Große Freiheit ganz buchstäblich.

Große Freiheit, 2021, Sebastian Meise

Man kann Oliver Stone ja so einiges vorwerfen, aber mangelnde Beharrlichkeit nicht. 1991 brachte er seinen grandios gefilmten, packenden und unglaublich unterhaltsamen Verschwörungsmumpitz JFK in die Kinos. Um in drei Stunden zu beweisen, dass nicht ein Einzeltäter, sondern ein reaktionäres Komplott John F. Kennedy 1963 ermordete. Das ist etwa zwei Dutzend Mal widerlegt worden, aber Stone kann nicht ablassen. Jetzt bringt er seinen Dokumentarfilm JFK Revisited – Die Wahrheit über den Mord an John F. Kennedy in die Kinos, um noch einmal zu beweisen, dass er recht hat, damals, heute und für immer. Dazu verfährt Stone wie bereits in JFK so subtil und komplex wie ein Vorschlaghammer, der auf dem Kopf der Zuschauerin niedergeht. Sehenswert ist das Ganze dennoch, gerade im Doppelpack mit dem Film von 1991. Denn in der Zusammenschau zeigt sich, wie sich der Status von Verschwörungserzählungen verschoben hat. War die Annahme von Verschwörungen als maßgeblichen Faktoren des Weltgeschehens strukturell immer schon, wenn man so will, reaktionär, gab es doch so etwas wie linke Verschwörungstheorien (die meist allerdings in den eher spinnerten Segmenten der Linken umgingen). Inzwischen aber ist die Verschwörung ein politisch vollständig rechter Topos geworden. Was einen Altlinken wie Stone, in dessen Filmästhetik das Rechthaben eine entscheidende Größe ist, natürlich von nichts abhält.

JFK Revisited, 2021, Oliver Stone

Zur Erholung dann noch sieben Stunden Krieg und Frieden. Der Verleih Bildstörung bringt den 1966 bis 1967 unter der Regie von Sergei Bondarchuk entstandenen Film wieder in die Kinos. Hier die filmfilter-Kurzkritik.