Aus der Haut fahren

Neu im Kino KW 5 (AT)

Emde, Dassler, Schaad, Aus meiner Haut
Aus meiner Haut, 2022, Alex Schaad

„Aus meiner Haut“, Frau im Nebel, Tom als Ove, Spinnenmörder, Fleischblumen: der Wochenüberblick von Benjamin Moldenhauer und Roman Scheiber.

Die schönsten Bilder unter den Kinostarts dieser Woche hat Park Chan-wook fabriziert. Menschen in diesigen Nieselregenszenarien, erhabene Berglandschaften, Noir-City-Atmosphäre, Blut, das sich im Wasser eines Swimming Pools verteilt. Der Plot und die Figuren ergeben eine schöne, leise Variation des Noir-Genres. Hier unsere Kritik zu Die Frau im Nebel (und hier ein ergänzender Streaming-Tipp).

Um wenigstens hundert Grad weniger stylish oder gar abgründig ist der neue Film von Regie-Routinier Marc Foster, in dem Schauspiel-Routinier Tom Hanks einen starrköpfigen Mann spielt, der nach dem Tod seiner Frau innerlich und äußerlich verhärtet ist. Und, man ist nicht überrascht, durch die Freundschaft zu einer denkbar gegensätzlichen Frau (Mariana Trevino) wieder zurück ins Leben und zum Glück findet. Ein Mann namens Otto ist die zweite Verfilmung von Fredrik Backmans Roman „Ein Mann namens Ove“. Die erste, von 2015, war eine schwedische Produktion und so solide wie unspektakulär. Das gilt dann auch für die Hollywood-Version, wobei Foster und Hanks im Verbund die Drama-, Lakonie- und Versöhnungsknöpfe noch einmal passgenauer drücken (Tom Hanks‘ Karriere-Entwicklung verfolgen wir ja eher besorgt).

Aus meiner Haut, die erste größere Produktion des Studenten-Oscar-Gewinners Alex Schaad, wurde bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Queer Lion ausgezeichnet. Die Plotprämisse ist ambitioniert, aber wenn man die an mindestens einem Punkt nicht ganz nachvollziehbare Logik geschluckt hat, kann man sich auf die Konstruktion einlassen. Eine Kommune praktiziert den Körpertausch. Zwei Paare schlüpfen jeweils in die Körper ihres männlichen bzw. weiblichen Gegenübers. Und dann beginnen die Verwicklungen, die in Aus meiner Haut nichts Komisches haben, sondern als Seelendrama inklusive Retraumatisierung erzählt werden. Die einen wollen ihren neuen Körper nicht mehr verlassen, die anderen halten den Identitätswechsel nicht aus. Auf die eine oder andere Weise geraten alle zunehmend außer sich.

Die nüchterne, spannende, mit teils atemraubend detaillierten Gewaltszenen schockierende Suche nach dem sogenannten „Spinnenmörder“, basierend auf einer wahren Geschichte aus der heiligen Stadt Maschhad Anfang der Jahrtausendwende, kann angesichts derzeitiger misogyner Verbrechen des fundamentalistischen Regimes im Iran mindestens als brennend aktuell bezeichnet werden. Unsere ausführliche Besprechung von Holy Spider finden Sie hier.

Der vielleicht schönste Filmtitel der Woche: Human Flowers of Flesh. IndieWire nennt den zweiten Langfilm von Helena Wittmann eine „meditative Perle“ bzw. ein „halluzinatorisches Märchen“. Kamerafrau und Experimentalfilmemacherin Wittmann lässt ihre Hauptdarstellerin Angeliki Papoulia (die übrigens Stargast des heurigen Crossing Europe Festivals in Linz sein wird) schweigend mit ihren Männern übers Mittelmeer segeln, bis ein Erlebnis am Hafen von Marseille die Crew in Bewegung bringt.