Der nette Mann von nebenan

Tom Hanks ist für drei Goldene Himbeeren nominiert. Ist der Oscar-Preisträger am Ende?

Luhrmann, Hanks, Elvis
Elvis, 2022, Baz Luhrmann

Tom Hanks hat kein gutes Jahr hinter sich. Während es seinem Kollegen Austin Butler gelungen ist, eine Oscar-Nominierung für seine Hauptrolle in Baz Luhrmanns Elvis zu sichern, wurde Hanks mit gleich zwei Nominierungen für die Goldene Himbeere geehrt – wer’s nicht kennt: Es geht um den Blumentopf für eine der schlechtesten Schauspielleistungen des vergangenen Jahres. Die US-Kritiken waren vernichtend, leider mit Recht. Unter schweren Prothesen, mit künstlicher Maske und bizarrem niederländischen Nuschel-Akzent spielt Tom Hanks den Bösewicht-Manager Colonel Tom Parker mit so viel Karikatur und Melodrama, dass er die sehr wahre, beeindruckende Geschichte von Elvis Presley in den Bereich der Parodie zieht. Obendrein ist Hanks als „schlechtester Schauspieler“ für seine Rolle als Meister Geppetto in Pinocchio nominiert, wobei er hier eigentlich nur das spielt, was er am besten kann: den liebevollen Vater.

Sein jüngster Film A Man Called Otto, mit dem Tom Hanks als streitsüchtiger, selbstmörderischer Witwer offenbar in seine „grantiger Opa“-Phase übergeht, komplettiert das Triptychon fragwürdiger Karriereentscheidungen ganz gut. Der Schauspieler soll das zuckersüße Hollywood-Remake des schwedischen Hits En man som heter Ove aufwerten, aber ohne „Every American’s Darling“ in eine Schublade stecken zu wollen: den todessehnsüchtigen Griesgram kauft man ihm einfach nicht ab.

Tom Hanks ist einer von wenigen echten amerikanischen Lieblingen. Er ist für großherzige Rollen bekannt, die widerspiegeln, wie die Welt ihn sieht: den einsamen Witwer, den gutmütigen Helden, den ritterlichen Kapitän, den Sinn suchenden Soldaten, den freundlichen Gefängniswärter, den modernen Robinson Crusoe, den netten Kindermoderator oder die liebenswürdige Cowboy-Puppe.

Jahrelang wurde Tom Hanks als Amerikas Gentleman-Star in der klassischen Tradition von Jimmy Stewart beschrieben. Er ist die Seele des Anstands des Mannes von nebenan!

Mit einer Karriere, die sich über vier Jahrzehnte erstreckt, ist sein Ruf als Schauspieler und Mensch nahezu unantastbar. Ein paar Himbeeren werden das nicht ändern. Aber vielleicht offenbart sich gerade seine größte Schwäche: Tom Hanks scheint nicht in der Lage zu sein, eine unsympathische Figur spielen zu können. Er ist nicht plötzlich der nächste Walter Matthau.

Im Jahr 2016 hat das US-Männermagazin Esquire ihm sehr treffend den Titel America’s Dad“ verliehen, eine Rolle, die der Schauspieler verinnerlicht hat, sei es als „wunderbarer Mr. Rogers“, Walt Disney höchstpersönlich, oder als freundlicher Puppenspieler. Manuel Betancourt schreibt, dass dies ein einfacher Übergang war, teilweise weil „Hanks nie als Schauspieler berufen wurde, um Sexappeal auszustrahlen (…) Genau wie bei Ihrem eigenen Vater können Sie wissen, dass er Sex hat (hatte), ohne jemals darüber nachdenken zu müssen, was das konkret bedeutet.“

Bevor er Amerikas Vater wurde, war Tom Hanks Amerikas cooler Bruder. Er spielte den Komiker in Filmen wie Splash (1984) und Big (1988). Legendär ist die Szene in A League of Their Own (1992), in der er verkündet, dass es im Baseball kein Weinen gibt.

In den frühen 1990er Jahren kam ein Film, der die Sicht der Welt auf ihn als Schauspieler veränderte: Philadelphia brachte die Folgen der AIDS-Epidemie in den Mainstream und dem Schauspieler seinen ersten Oscar. Aber mehr als jeder andere Film seiner Karriere war es ein Jahr später Forrest Gump (1994), der Tom Hanks zu einem der beliebtesten Kinostars machte. Er strahlte den Amerikanischen Exzeptionalismus aus, von dem viele Amerikaner halt gerne glauben wollen, dass er wahr ist: dass sie nämlich die größten, freiesten und nettesten Menschen der Welt seien.

Im Grunde wiederholt Tom Hanks seine Masche immer und immer wieder und wechselt dabei nur das Kostüm. Sobald er diese Komfortzone verlässt, verwandelt sich seine Performance in etwas so unerträglich Albernes, dass es den jeweiligen Film zwangsläufig zur Parodie macht. Sagen wir es einfach so: Tom Hanks ist kein schlechter Schauspieler, aber Vielseitigkeit war nie seine Stärke.