A Week to live

Neu im Kino KW 25

a day to die, bruce willis
A Day to Die, 2022, Wes Miller

Zu den von uns extra besprochenen Filmen „Elvis“ und „Chiara“ kommen ein sinistrer Thriller mit Ethan Hawke („The Black Phone“) und weitere interessante Titel, z.B. auch Bruce-Willis-Wehmut mit „A Day to Die“. Eine Kinostart-Auswahl für Deutschland.

Los geht’s mit einem Spektakel sondergleichen, dem ersten Kinofilm von Baz Luhrmann seit seiner Verfilmung von The Great Gatsby 2013. Luhrmann inszenierte 1996 mit seinem Romeo-und-Julia-Film Shakespeare als farbenseliges Pop-Spektakel. Elvis geht nun ähnlich frei an das Genre Biopic ran. Das funktioniert soweit recht wunderbar, was nicht zuletzt an dem tollen Cast liegt – Austin Butler als Elvis Presley und Tom Hanks als sein Manager Colonel Tom Parker. Dazu unsere gewogene Kritik zum Film.

Vom Farbenrausch in die Düsternis: Scott Derrickson, der mit Sinister und Der Exorzismus von Emily Rose grundsolide Horrorfilme fabrizierte, hat mit The Black Phone eine Geschichte von Joe Hill verfilmt. Kinder werden entführt, eins landet in einem Keller und nimmt über ein schwarzes Telefon Kontakt mit einem anderen auf, das in diesem Keller verstorben ist. Die Schwester des Entführten sieht in ihren Träumen Dinge, von denen sie nichts wissen kann, und ermittelt gemeinsam mit der Polizei. Die Maske des Entführers – The Grabber (gespielt von Ethan Hawke) – sieht fies aus, die Atmosphäre ist wie schon in Sinister für Mainstream-Horror-Verhältnisse überdurchschnittlich düster. Der Geist von Stephen King weht durch diese Bilder: Kindermörder mit schwarzen Ballons, übersinnlich begabte Mädchen, prügelnde Eltern. Dunkel funkelnder Kleinstadthorror.

Von ganz anderen Schrecknissen der Kindheit und Jugend handelt der italienische Coming-of-Age-Film Chiara. Die Titelheldin findet heraus, dass ihr Vater bei der Mafia ist und lernt so in kurzer Zeit, dass Eltern Geheimnisse und dass diese Geheimnisse Konsequenzen haben können. Regisseur Jonas Carpignanos Film ist in einem so komplexen wie wirkungsvollen neorealistischen Stil gehalten. Dazu unsere geneigte Kritik.

Einen ungleich brutaleren Realismus fährt Animals – Wie wilde Tiere auf, um seine Geschichte zu erzählen. Der reale Fall, auf dem er basiert, ging als erster offiziell homophob motivierter Mordfall in die Kriminalgeschichte Belgiens ein. Brahim (Soufiane Chilah) macht den Fehler, sich gegenüber vier betrunkenen Männern zu outen. Regisseur und Drehbuchautor Nabil Ben Yadir inszeniert seine Ermordung unerbittlich als eine Entfesselung von kaputter, gewalttätiger Männlichkeit. Animals erzählt nichts, was man nicht schon weiß: dass zum Beispiel Homophobie ein viel zu schwaches Wort ist für das Gewaltpotenzial, um das es hier geht. Die Bilder holen, bildlich gesprochen, weit aus und schwingen in Richtung der Magengrube von Zuschauerin und Zuschauer. Film als Wutausbruch.

Dagegen mutet der südkoreanische Thriller 12th Suspect geradezu klassisch an. Ein traditioneller Whodunit, der drei Jahre nach seinem Erscheinen in Südkorea nun auch in Deutschland in die Kinos kommt. Zwei Handvoll Verdächtige in einem Raum, einem Teehaus in diesem Fall, einer muss der Mörder sein – alles weitere entfaltet sich in Form eines dialogreichen Kammerspiels, und am Ende schlägt das Skript von Regisseur und Drehbuchautor Myoung-Sung Ko Volte um Volte.

Melancholisch kann einen A Day to Die stimmen, es ist immerhin der letzte Film von Bruce Willis, der krankheitsbedingt das Ende seiner Schauspielerkarriere angekündigt hat. Willis hat in den letzten Jahren in eher kostengünstig produzierten Werken agiert, die meist direkt im Stream beziehungsweise auf DVD gelandet sind. Für lange Zeit also war Willis eher weniger präsent, und das letzte Karriereviertel fand außerhalb seiner Fan-Gemeinde eher unbemerkt statt. In A Day to Die sieht man noch einmal, was ihn zum „Actionhelden für das postheroische Zeitalter“ (Georg Seeßlen) hat werden lassen – die geradezu zärtliche Ironisierung seiner Heldenfiguren, die Sprüche, die nicht mehr nur markig und cool waren, sondern, wieder Seeßlen, „eine tief sitzende Unsicherheit“ offenbarten. Man möchte gleich wieder Die Hard schauen. Da kann man dann noch einmal sehen, was der postmoderne Actionfilm konnte, bevor auch er wieder zur Formel gerann. A Day to Die sollte man sich schon aus alter Verbundenheit anschauen.

Von einem Neubeginn wiederum handelt El Entusiasmo. Der Dokumentarfilm von Luis E. Herrero fängt den historischen Moment ein, in dem der Franco-Faschismus 1975 mit dem Tod des Diktators zum Ende kam und sich in Spanien politische und kulturelle Möglichkeiten auftaten. Das Ende der Herrschaft ist hier verbunden mit dem titelgebenden Enthusiasmus, der weite Teile des Landes ergriff, um dann doch wieder in Ernüchterung zu enden. El Entusiasmo ist auch die Geschichte einer neoliberalen Konterrevolution. Diese konnte zwar, anders als in Chile, den Faschismus nicht re-installieren. Doch sie machte die Hoffnungen und Utopien der Anarchist:innen und Syndikalist:innen, die im Zentrum von Herreros Film stehen, zunichte.