Überdrehmomente

Parodie auf fast eh alles: „Don't Look Up“, im Kino bzw. auf Netflix

Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence als Kometen-Kassandrarufer in Adam McKays Social-Media-Polit-Satire „Don’t Look Up“.

Langweilig ist Don’t Look Up schon einmal nicht, immer was los im Bild. Autor und Regisseur Adam McKay hat sich einiges vorgenommen: eine Metapher für die katastrophale Politik zur Bekämpfung des Klimawandels, Social-Media-Satire, Medienkritik generell, eine Parodie auf Donald Trump, seine Anhänger:innen und überhaupt die Gesellschaft, die das alles hat so werden lassen, wie es nun mal ist. Vielleicht etwas viel Gewicht für eine einzige Komödie, auch wenn sie genreuntypische 138 Minuten lang ist.

Leonardo DiCaprio stakst als mediokrer Astronom unbeholfen durch die Kulissen, Jennifer Lawrence ist nah am Nervenzusammenbruch (erste Filmhälfte) und verkörpert (in der zweiten Filmhälfte) sehr eindrucksvoll einen Menschen, der die Zerstörungswürdigkeit der Welt, die ihn umgibt, erkennt und nun im Stillen das Ende abwartet. Das ist dann eigentlich auch die einzige Identifikationsfigur in diesem Film. Große Teile des üblichen Casts (vor allem Meryl Streep als weibliches Trump-Pendant, Cate Blanchett als besonders triste TV-Nudel und Jonah Hill als ödipaler Totalschaden) spielen verschiedene Intensitätsgrade und Mischformen von Soziopathentum, Egozentrik und brachialer Dummheit durch.

Als Schauspieler:innenkino funktioniert Don’t Look Up recht gut. Der Plot bietet aber auch jede Menge Steilvorlagen für overacting und anders gelagerte Überdrehungsmomente: Ein Komet rauscht auf die Erde zu, rund sechs Monate sind noch Zeit, dann ist Weltende, und Adam McKay legt seinen Schwerpunkt auf die filmische Inventarisierung dessen, was der Zuschauer:in den imaginierten Abschied von der Gattung sehr erleichtert.

Don’t Look Up, 2021, Adam McKay

Zuvorderst ist dies die unheilvolle, alle Lebensbereiche durchdringende Allianz von Kapital und Politik, die sich in Don’t Look Up absprechen, um ein fachgerechtes Ausbremsen der Menschheitskatastrophe zu verhindern (was gegen diese Allianz Einspruch erheben könnte, tritt nur in Form eines Mobs auf). Auf dem Komet sind seltene Erden gefunden worden, da will man ran, und das Argument, dass mit dem ganzen Geld ja nichts mehr anzufangen wäre, weil alle dann ja tot sind, verfängt nicht. Zu komplex gedacht, wahrscheinlich, die Bedenken. Ein Astronomie-Professor (DiCaprio) und seine Doktorandin, die Kometenentdeckerin (Lawrence), starten ihre eigene, leider sehr wurstige Medienkampagne, um mit ihrer apokalyptischen Botschaft durchzudringen, die aber niemand wirklich hören will. Einer von beiden wird im weiteren Verlauf korrumpiert, aber am Ende erinnern sich diejenigen Figuren, die überhaupt noch als so etwas wie Helden infrage kommen, an den Wert des Guten, Wahren und Schönen.

Über die Maßen kompliziert allerdings will es auch das Script nicht haben, und in dieser Hinsicht schließt es an McKays frühere Werke wie Stepbrothers oder die Anchorman-Filme an. Die aufmarschierende Parade an grotesken Ekelfiguren, gierig, korrupt und verlogen allesamt, ist eindrucksvoll und eindimensional. Als Komödien funktionieren die Filme McKays, die einfach nur drauflos rüpeln wollen, jedenfalls besser. Don’t Look Up aber meint es wie auch schon McKays Vorgängerfilme Vice und The Big Short ernst und will gleichzeitig komisch sein. Es ist auffällig, dass Don’t Look Up die meisten seiner Figuren entweder spürbar verabscheut und/oder sie als lächerlich oder gescheitert denunziert, und damit Häme ohne Reue ermöglicht, verstärkt durch einen forciert besinnungslosen Schnitt, der immer wieder abrupt mitten in die Dialoge reinhaut. Die Inszenierung gleicht sich der Ästhetik der hier als kommunikationszerstörend und überhaupt grundlegend asozial vorgeführten Social-Media-Kanäle an; oder hat von ihr zumindest, was Schnittrhythmus und Meme-Tauglichkeit angeht, einiges gelernt. Das muss erst einmal nichts heißen; man kann die Suppe ja auch als eklig kritisieren, wenn man selbst in ihr rumpaddelt.

Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence

Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem Don’t Look Up zumindest andeuten muss, warum es eventuell doch schade ist, wenn die Welt mitsamt Gattung explodiert. Dass McKay sich dann für das Bild eines harmonischen Familienessens mitsamt gemeinsamem Gebet entscheidet, ist in seiner klassenbewussten Kleinbürgerlichkeit dann doch anrührend. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es einem inzwischen routiniert leichter fällt, sich den Untergang der Welt vorzustellen als den Untergang der eigenen Klasse.

Es ist nicht der bevorstehende Weltuntergang, der in Don’t Look Up das Schlechteste hervorbringt, es sind die Exzesse des Normalbetriebs. Den aber kann auch dieser Film wieder nicht als einen gesellschaftlichen Zusammenhang denken, sondern nur als Ensemble der Verfehlungen von sehr komischen Akteur:innen, die entweder gestört, verblödet oder halt arme Würstchen sind. Zu letzteren wird noch am ehesten empathischer Kontakt aufgenommen. Der Rest ist Material für unsere Verachtung. Vielleicht auch das ein Grund, aus dem man Don’t Look Up das, was er einem erzählt, dann doch nicht wirklich abnehmen mag. Auch wenn es immer wieder recht lustig ist.

(Derzeit in ausgewählten Kinos, ab 24.12. auf Netflix)

 

Don't Look Up
USA 2021, Regie & Drehbuch Adam McKay
Mit
Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Timothée Chalamet, Cate Blanchett, Jonah Hill, Ariana Grande, Matthew Perry
Laufzeit 138 Minuten