Oppenheimer

Der große Oscar-Gewinner ist ab 20. März bei Sky zu sehen – hier unsere einst verhaltene Kritik zum Kinostart.

Nolan, Murphy, Oppenheimer
Oppenheimer, 2023, Christopher Nolan

„Oppenheimer“: Christopher Nolan verzettelt sich im Versuch, dem geheimdienstlichen Vor- und Nachlauf der Entwicklung der Atombombe erzählerischen Mehrwert abzugewinnen. Ab 20. März auf Sky Q und Sky X.

„Vater der Atombombe“ möchte man eigentlich nicht geheißen werden. Als das Ding seinerzeit in die Luft ging, war das allerdings anders, da war das (zumindest eine Weile lang) ein Ehrentitel. Geplant und gebaut wurde die erste Nuklearwaffe ja bekanntlich, weil die Gefahr bestand, dass Hitler sie bereits entwickeln ließ; und in dessen Händen wollte man sie sich seinerzeit erst recht nicht vorstellen. Dass Nazi-Deutschland dann aber bereits kapituliert hatte, als die Bombe endlich fertig war, war ein Glück für Europa. Und ein Unglück für Japan, das nicht aufhörte zu kämpfen und mit seinen Kamikaze- und Seppuku-Aktionen einen elend langen Kriegsverlauf erwarten ließ. Also Zack!, 6.8.45 Hiroshima, und Zack!, 9.8.45 Nagasaki, und dann nochmal Zack!, 15.8.45 „Beendigung des Großostasiatischen Krieges“ seitens des Tenno. Und der theoretische Physiker Julius Robert Oppenheimer (1904–1967), wissenschaftlicher Leiter des Manhattan-Projects, im Zuge dessen in Los Alamos in der Wüste von New Mexico die Superwaffe entwickelt worden war, schaffte den Titel des Time Magazine als „father of the atomic bomb“.

Nolan, Murphy, Oppenheimer

Christopher Nolans Oppenheimer basiert auf der 2005 erschienenen, mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Biografie „American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer“ von Kai Bird und Martin J. Sherwin und beschäftigt sich weniger mit dem wissenschaftlich-militärischen Um und Auf des Bombenbaus als vielmehr mit den politisch-geheimdienstlichen Details der Auseinandersetzungen, die sich anschlossen. Derjenige nämlich, der sich da in den Dienst des Teufels gestellt hatte, wurde die verheerenden Bilder von den Folgen der atomaren Explosionen nicht mehr los. Lautstark und auf seine Reputation vertrauend, setzte Oppenheimer sich als Berater der 1946 gegründeten Atomenergiebehörde der USA unter anderem für eine internationale Kontrolle der Kernenergie ein. Das schmeckte nicht jedem, erst recht nicht zu Zeiten des Kommunisten hassenden Senators Joseph McCarthy und seines House Committee on Un-American Activities und schon erinnerten sich Oppenheimers Gegner des Umstandes, dass sie als seine Auftraggeber hinsichtlich der nach Links geneigten Ansichten des brillanten Wissenschaftlers mehr als nur ein paar Augen zugedrückt hatten. 1954 kam es zu einer demütigenden „Sicherheitsanhörung“, am Ende derer Oppenheimer die „Sicherheitsfreigabe“ („security clearance“) entzogen und er faktisch kalt gestellt wurde.

Satte drei Stunden lässt Nolan sich Zeit – dabei zwischen der Gegenwartsebene der Anhörung (Schwarzweiß) und Rückblenden in Vorgeschichte und Verlauf des Manhattan-Projekts (Farbe) wechselnd –, um aus unterschiedlichen Perspektiven zahlreiche Fragen nach Moral und Verantwortung zu beleuchten, ohne jedoch einen eigenen Standpunkt zu entwickeln. Strafte der Staat den Wissenschaftler, weil der auf Befehl eine schreckliche Waffe herstellte? Liegt es in der prometheischen Natur des Menschen, die göttliche Ordnung herauszufordern? Ist Fortschritt etwa immer auch Umsturz? Komplexe Fragen, unterkomplexe Antworten. Weder die versammelte schauspielerische Kompetenz – Cillian Murphy, Emily Blunt, Florence Pugh, Robert Downey Jr., Matt Damon, um nur einige wenige zu nennen –, noch die technische Expertise – eigens für Oppenheimer entwickelte Kodak Schwarzweiß-Analogfilm im IMAX-Format – können darüber hinwegtäuschen, dass Nolan sich mal wieder (wir denken hier an die leidvolle Erfahrung von Tenet) in seinem allzu breit angelegten Stoff verzettelt hat.

Wie in dem völlig aus dem Ruder gelaufenen Vorgängerfilm fällt es auch in Oppenheimer mitunter schwer, sich zurechtzufinden. Tröstlich immerhin, dass es an den Leistungen der Schauspieler:innen schlicht nichts zu meckern gibt; und wer etwas historisches Vorwissen mitbringt, wird mit einem Politthriller-Kammerspiel belohnt, das einen ins Grübeln bringt. Es braucht schließlich weder vorkauende Vordenker noch ausklamüsernde Zuende-Erklärer (und erst recht keinen Mansplainer), um zu begreifen, dass die zivilisatorische Bewegung, für die J.R. Oppenheimer steht – der wissenschaftliche Machbarkeitswahn – kein Phänomen der Vergangenheit ist. Gegenwärtig ist die Freude allerorten groß über einen Alltags-Zuwachs namens K.I.. Sollte die den Finger auf den Roten Knopf bekommen… Die Filme über das böse Erwachen, das unweigerlich folgen wird, haben James Cameron und die Wachowski-Sisters bereits gedreht. Wir wären also gewarnt.

 

Oppenheimer
USA 2023, Regie Christopher Nolan
Mit Cillian Murphy, Emily Blunt, Robert Downey Jr., Matt Damon, Florence Pugh
Laufzeit 180 Minuten