Angriffslustiger Android

Sehr vergnüglicher Horrorfilm: „M3GAN“ – jetzt auf Sky

James Wan, M3GAN
M3GAN, 2022, Gerard Johnstone

„M3GAN“ ist eine klug konstruierte Komödie über eine intelligente Puppe – und passt perfekt in den gegenwärtigen KI-Hype-Diskurs. Anlässlich der Streaming-Premiere auf Sky hier nochmals unsere Kritik zum Kinostart.

Die allermeisten gelungenen Horrorfilme handeln von Problemen, die schon da sind, bevor die Monster kommen und randalieren. Probleme, die einen wesentlichen Teil dazu beitragen, dass die Monster überhaupt Einlass finden in den sozialen Kosmos, den sie dann in der Folge fachgerecht verwüsten. Die Obszönitäten und Kotzschwalle in The Exorcist beispielsweise sind eng verbunden mit der generellen Rebellion des jungen Menschen gegen die ungenügsame Welt der Erwachsenen, die er vorfindet. Die Satansbrut in Rosemary’s Baby hätte nicht mit ihren gelben Augen das Licht der Welt erblickt, wäre Rosemaries Ehemann nicht so ein exemplarisch ausbeuterisches, narzisstisches Arschgesicht. Und ohne Schreibblockade und Suff in Shining kein Griff zur Axt, Geisterhotel hin, Geisterhotel her.

In dem sehr vergnüglichen Horrorfilm M3GAN ist es ein Bindungsproblem, das die Einreise des Monsters überhaupt erst bedingt. Die Geschichte geht so: Die Eltern von Cady (Violet McGraw) kommen bei einem Autounfall zu Tode, Gemma (Allison Williams), die Tante von Cady, bekommt das Sorgerecht. Gemma ist aber nicht sehr motiviert, sondern innerlich unbeteiligt und außerdem Workaholic. Karriere geht vor Kind, und Gemma arbeitet zu allem Unglück für einen High-Tech-Spielzeug-Konzern, dessen Produkte – furchtbar nervige sprechende Puppen – entwicklungspsychologisch zumindest bedenklich sind. Die Entwicklerin merkt schnell, dass die Mutterrolle nichts für sie ist und verbindet das Angenehme (ein Mittel, um wieder kinderfreie Zeit zu haben) mit dem Nützlichen (der Karriere): In einem Tempo, das nur in einem Genrefilm als plausibel durchgeht, entwickelt sie den Prototypen für eine neue, intelligente Puppe und nennt sie Megan (Amie Donald). Mit ihrer ersten Bezugsperson, identifiziert über Handkontakt, soll Megan sich nun innig verbinden.

Wan, M3GAN
Violet McGraw, Amie Donald, Allison Williams

M3GAN ist zum einen also ein Film über mütterliche Verweigerung (hier nicht wie im Märchen durch die Stiefmutter, sondern durch die Tante repräsentiert), und auch wer den Trailer nicht gesehen hat, ahnt nach zwei Minuten, dass diese Ignoranz gegenüber kindlichen Grundbedürfnissen pfeilgrad in die Katastrophe führt. Bald fliegt ein abgerissenes Ohr durch die Luft, der Nachbarhund wird geschlachtet, und von da an geht es beharrlich in den Eskalationsmodus.

Aber wir greifen vor. Zum anderen nämlich ist M3GAN ein Film über die Schrecken der Künstlichen Intelligenz, die im Kino genreübergreifend eigentlich nie etwas Utopisches hat, sondern immer als Dystopie erzählt wird. Bei Frankenstein war es noch die Sünde gegen Gott und die Naturgesetze, die die Katastrophe heraufbeschwört, in M3GAN ist es die Sünde der elterlichen Faulheit. So kommt das Monster in die Welt. Megan wird von Minute zu Minute intelligenter, entwickelt Eigenleben und -sinn. Und einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, der sie auf alles losgehen lässt, was Cady zu nahe kommt.

Was der Film über Künstliche Intelligenz erzählt, ist gar nicht mal so blöd. Der Konzern, der das vorgeblich intelligente, zuerst aber eher einmal infantilisierende Spielzeug auf den Markt schmeißt (und im Film assoziativ mit Tesla in Verbindung gebracht wird), tut das ausschließlich aus Profitinteresse; das ist näher an der Realität als der Mythos vom genialen Wissenschaftler. Auch Gemmas Interesse ist ein denkbar banales: Sie erschafft jemanden, der das Kind, für das sie die Verantwortung hat, ins Bett bringt, damit sie das nicht machen muss.

Die Interaktionen zwischen Android und Kind sind in der ersten Filmhälfte tatsächlich recht berührend, wenngleich M3GAN nicht wirklich tief schürfen oder ernsthaft verstören will, sondern vor allem daran interessiert ist, seine angenehm straff strukturierte Geschichte zu erzählen und dabei keine Minute zu langweilen. Was ihm auch gelingt. Schön auch, dass der Showdown nicht als ewige Materialschlacht daherkommt, sondern in wenigen Minuten das Feld klärt. M3GAN läuft ähnlich wie seine Titelheldin wie ein Uhrwerk und ist intelligenter konstruiert, als es zuerst erscheinen mag. Alles sehr entertaining, vergnüglich und schwarzhumorig. Und dass der Film wie nebenbei die seit dem Ende der Chucky-Serie (und abgesehen von den beiden ebenfalls von James Wan produzierten Annabelle-Filmen) leider eingeschlafene, altehrwürdige Genretradition des Puppenhorrors wiederbelebt, kommt noch dazu. 

 

M3GAN
USA 2022, Regie Gerard Johnstone
Drehbuch Akela Cooper, James Wan
Mit Violet McGraw, Allison Williams, Amie Donald, Jenna Davis
Laufzeit 102 Minuten