Schmerztherapien

Streaming-Tipps KW 7

Severance, 2022–, Dan Erickson, Ben Stiller

Zwei Serien, die erstaunlich mit Schmerz umgehen und zwei Filme mit unterschiedlichen Zugängen in Liebesdingen: „Severance“ (neu auf Apple TV+), „The Marvelous Mrs. Maisel“ (Prime Video); „Love Affair“ (Mubi), „Amour Fou“ (3sat-Mediathek)

Schmerz macht uns zu Menschen, was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass es so viele Geschichten über die Gefahren des Versuchs gibt, ihm zu entkommen. Wer sind wir schließlich ohne den Schmerz unserer Psyche? Diese Frage steckt im Herzen von Severance, der bislang vielleicht besten Serie des hauseigenen Streamers von Apple und wohl die erste, die die glatte Ästhetik des Tech-Riesen wirklich für sich nutzt. Indem sie das schlichte Bühnenbild, das von der modernen Architektur der Mitte des vergangenen Jahrhunderts inspiriert ist, als Waffe verwendet, findet Severance faszinierende Wege, gruseligen Corporate Horror unter avocadogrünem Büroteppich freizulegen. Ein brillanter Sci-Fi-Krimi über (un)freiwillig auf dem Altar des Kapitals geopferte Menschlichkeit.

Adam Scott, John Turturro, Christopher Walken

Mark Scout, sardonisch gespielt von Adam Scott, arbeitet mit drei Kollegen (John Turturro, Zach Cherry und Britt Lower) bei einem Konzern namens Lumon in der Abteilung für „Makrodatenveredelung“, was so bizarr ist wie es klingt. Der Witz an Severance ist ein Vertrag: Um den Tod seiner Frau für acht Stunden am Tag zu vergessen, hat Mark zugestimmt, seinen Beruf und sein Privatleben chirurgisch dauerhaft „trennen“ zu lassen. Das heißt zum Beispiel: Wenn Mark den Tag damit beginnt, auf dem Parkplatz zu weinen, hat er keine Erinnerung daran, dass er überhaupt geweint hat, sobald er mit dem Aufzug in sein fensterloses Kellerbüro fährt. Wenn er um 17:15 Uhr nach Hause geht, werden seine privaten Erinnerungen rekonstruiert, aber er verliert jede Erinnerung an die Zeit im Büro – an seine gruselige Chefin, gespielt von Patricia Arquette, an einen Folterraum, an eigenartige „Melonen-Partys“.

Severance ist eine pikante Genre-Mischung, die existenzielle und ethische Zwickmühlen aufwirft und eine der originellsten zeitgenössischen Serien. Bei sechs der neun Folgen hat Comedy-Actor Ben Stiller Regie geführt und schlägt damit als Filmemacher eine interessante Richtung ein: Die von Dan Erickson kreierte erste Season versieht er mit der antiseptischen Angst eines Horrorfilms und dem beseelten Humor einer Büroalltags-Satire, wie auf einem Drehbuch von Charlie Kaufman (Being John Malkovich oder Eternal Sunshine of the Spotless Mind) basierend. Es gibt auch eine rührende Romanze zwischen Christopher Walken und John Turturro, die meines Erachtens ein Spin-Off braucht.

Im Gegensatz zu Mark Scout in Severance machte Midge Maisel aus ihrem Schmerz eine andere Art von Karriere. Als wir sie zum ersten Mal vor fünf Jahren in The Marvelous Mrs. Maisel trafen, hatte ihr Ehemann sie für seine Sekretärin verlassen. Chauvinistische Comedians machten sich über sie lustig, weil eine Frau höchstens zu Hause am Herd komisch sein darf. „Comedy wird angeheizt durch Unterdrückung, durch Mangel an Macht, durch Trauer und Enttäuschung, durch Aufgeben und Erniedrigung“, sagte Midge. „Nun, wen zum Teufel beschreibt das besser als Frauen?“

Von dort aus begab sich die titelgebende Heldin, eine jüdische Hausfrau, auf den revolutionären Weg, eine Stand-Up-Komikerin im New York der 1950er zu werden (und Rachel Brosnahan wurde zurecht für ihre Darstellung zur neuen „Queen of Comedy“ erhoben). Am Ende der dritten Season versemmelte Midge ihren beruflichen Durchbruch, indem sie ihren Kollegen auf der Bühne als schwul outete. In der Fortsetzung (ab heute bei Amazon Prime Video) schließt sich der Kreis, besser gesagt: Midge landet auf ihrem ursprünglichen Tiefpunkt. In ihren eigenen Worten: „Wieder hat ein Mann mein Leben ruiniert.“ Je mehr sich die Dinge ändern, desto gleicher bleiben sie.

Die ersten beiden Folgen (die erste geschrieben und inszeniert von Mrs.-Maisel-Schöpferin Amy Sherman-Palladino, die zweite von ihrem Ehemann Daniel Palladino) sehen ganz nach der Serie aus, in die ich mich verliebt habe, mit ihren flinken Dialogen, bonbonfarbenen Sets und mit all diesen Frauen, die in passenden Hüten und Handschuhen und windfesten Frisuren herumlaufen. Ex-„Monk“ Tony Shalhoub stiehlt auch weiterhin allen die Show als Midges exzentrischer Vater. Mrs. Maisel mag nicht mehr ganz so marvelous sein wie einst, aber es gibt eine Szene auf einem Riesenrad (in der sich die ganze Familie anschreit), die ihre weitere Existenz rechtfertigt. Wut ist Midges Superkraft.

Love Affair, 1939, Leo McCarey (Courtesy of the Margaret Herrick Library)

Für all jene, die noch ein wenig in den Nachwehen des Valentinstags schwelgen möchten (aber eigentlich sind Liebesfilme etwas für jede Jahreszeit), gibt es Leo McCareys 1939er-Romanze Love Affair (Mubi), eine große Geschichte, die so zeitlos ist, dass sie im Lauf der Jahre von mehreren Filmemachern neu verfilmt wurde – einschließlich von McCarey selbst im Jahr 1957 unter dem Titel An Affair to Remember.

Im Original spielen Charles Boyer und Irene Dunne einen französischen Maler und eine amerikanische Sängerin, die sich an Bord eines Ozeandampfers treffen, der den Atlantik von Europa nach New York City überquert. Sie verlieben sich ineinander und obwohl beide vergeben sind, geloben sie einander in sechs Monaten auf dem Empire State Building wieder zu treffen – für den Fall, dass sie einander immer noch lieben. Nora Ephrons Sleepless in Seattle (1993) war übrigens eine Art Liebesbrief an die Affair-Filme. Im Gegensatz zu vielen romantischen Komödien der heutigen Zeit ist das Leben in McCareys Filmen nicht immer unverblümt, aber bis heute geht es um das Glück, dem richtigen Menschen zu begegnen. Das kann übrigens auch eine Dating-App nicht garantieren.

Jessica Hausners Amour Fou (bis 9. Juni in der 3sat-Mediathek) aus dem Jahr 2014 bietet eine etwas eigentümlichere Art von Romantik. Christian Friedel spielt darin den Dichter Heinrich von Kleist, der verkündet, „nicht am Tod, sondern am Leben zu leiden“. Er bittet deshalb die Musikerin Henriette Vogel, gespielt von Birte Schnöink, sich ihm im Tode anzuschließen, mit ihm sozusagen Doppel-Suizid zu begehen. Sein Vorbehalt: Er möchte, dass Henriette es tut, weil sie ihn liebt (was sie nicht tut) und nicht nur, weil sie selbst Suizidgedanken hat (die sie nicht hat). Eingewoben in diese akribisch gestaltete, revisionistische und knochentrocken komische Sittenkomödie sind Sticheleien sozialer und politischer Ironie sowie beißende Beobachtungen über den Wahnsinn der Liebe und die Eigentümlichkeiten des Todes. Jede Szene, gefilmt von Hausners Kameramann Martin Gschlacht, ist wie ein Diorama arrangiert. Der Weltschmerz ist von der stillen Sorte. „Ich stimme zu, dass das Leben bedeutungslos und die Menschen grausam sind“, stellt jemand an einer Stelle fest, „aber Sie müssen sich davon nicht unterkriegen lassen.“

Zu guter Letzt: Liebesschmerz in verfeinerter Form ist aktuell auch in unserer Rubrik „Starkes Stück“ zu finden.