„This Is Going to Hurt“: Krankenhausserien gibt es wie Sand am Streaming-Meer, aber diese hier ist eine Perle – bei polyband auf DVD oder gegen Aufgeld auf Prime Video.
„Ah, der Duft der Unterfinanzierung“, witzelt der überarbeitete und emotional erschöpfte Dr. Adam Kay in einem von vielen Fleabag-Momenten in die Kamera. Er hat einen sardonischen Galgenhumor, der dazu beiträgt, das Publikum inmitten von „Crash“-Kaiserschnitten und Schmerzensschreien bei Laune zu halten. Gespielt wird er von dem androgynen Ben Whishaw, der es schafft, schlaksig zu sein und zugleich verwegen zu wirken – wenige Menschen sehen mit ungepflegtem Wuschelkopf und schwarzen Ringen unter den Augen so gut aus. Das ist entscheidend für den Erfolg dieser Serie, denn sonst müssten wir einfach dabei zusehen, wie jemand ein unerträglicher Klugscheißer ist. Der Brite ist auch einer der faszinierendsten Schauspieler der Gegenwart. Siehe Passages, A Very British Scandal oder Women Talking, wobei er den meisten für seine Rolle als Q in den James Bond-Filmen bekannt sein dürfte.
In This Is Going to Hurt spielt Whishaw einen Mann, der mit mäßigem Erfolg versucht, sein Privatleben mit den Anforderungen seines Jobs als Assistenzarzt auf der Gynäkologie in einem staatlichen Krankenhaus im Londoner East End in Einklang zu bringen. Die erste Folge, wunderschön und schwindelerregend gefilmt von Lucy Forbes (The End of the F***ing World), gibt den Ton für die gesamte Serie an. Wir finden den ausgebrannten Kerl schlafend in seinem schrottreifen Auto auf dem Krankenhaus-Parkplatz vor, erschöpft von seiner letzten Schicht und zehn Minuten zu spät für seine nächste. Es dauert nicht lange bis zum ersten Notfall. Der Arm eines Säuglings baumelt aus der Vagina einer werdenden Mutter. Ein paar Sekunden später steckt Adam mit seinem Ellbogen in der Frau drinnen, während er auf einer Trage durch die Flure geschoben wird. Da fragt sie ihn wohl etwas spät: „Sind Sie wirklich Arzt?“
Die gesamte Folge ist schonungslos lustig, dramatisch und exemplarisch für eine Serie, die nicht vor der Kritik am maroden Zustand des englischen Gesundheitssystems zurückschreckt. Dieses Krankenhaus ist ein Königreich aus Blut, Fäkalien, Wut und Erschöpfung. Szenen, die in amerikanischen Krankenhausserien sonst so gerne vorkommen, in denen alle lange über Beziehungen reden und heißen Sex mit heißen Kollegen haben, kriegen wir in This Is Going to Hurt nicht zu sehen. Nein, die Bedingungen sind ziemlich erbärmlich und der Humor kriecht aus der Dunkelheit hervor. In jeder der sieben Folgen fließt ein stetiger Strom medizinischer Zwischenfälle. Es gibt eine Frau, die ihre Plazenta essen will, blutverschmierte Kreißsäle, und Babyköpfe, die in Geburtskanälen feststecken. Seine Arbeit zu erledigen, sagt Adam in die Kamera, ist ungefähr so, als würde er „das Schiff allein segeln, nur dass es in Flammen steht und sich niemand die Zeit genommen hat, einem das Segeln beizubringen“.
Adam, der immer wieder die vierte Wand bricht, hat viel von Phoebe Waller-Bridges Fleabag in sich, da seine Neurosen ständig Überhand nehmen, auch wenn seine Absichten selten bösartig sind. Nach einer Operation, bei der beinahe Kind und Mutter sterben, sieht er in Flashbacks das Frühchen im Kühlschrank, im Club, auf seiner Verlobungsparty. Er hat auch keine Zeit für seinen sehr verständnisvollen Freund – Adam ist schwul, aber hat sich noch nicht vor seiner Mutter geoutet. Heimgesucht und ausgezehrt, oft in Körperflüssigkeiten gehüllt, lässt er seine Angst, Verzweiflung und Unsicherheit an einer noch jüngeren Person aus: der viel zu früh abgestumpften Praktikantin Shruti (der beeindruckenden Ambika Mod), die wie Adam kurz vor dem Kollaps steht und den erschöpften Blick in ihren Augen inzwischen kultiviert hat.
Die von der BBC produzierte Serie, die von Kolleg:innen zurecht als die „beste Krankenhausserie seit Jahren“ bezeichnet wurde, basiert auf den Erinnerungen von Adam Kay. Im Jahr 2010 gab er seine medizinische Karriere auf, um ein erfolgreicher Fernsehautor zu werden. Mit This Is Going to Hurt hat er seine (auf Deutsch unter dem Titel „Jetzt tut es gleich ein bisschen weh“ erschienenen) Tagebuchaufzeichnungen adaptiert und eine Serie geschaffen, die sozialkritisch und saukomisch, traurig und tröstlich ist. Der Titel ist wörtlich zu nehmen.