Männer, die in Mitleid baden

MeToo als Lachnummer?

Munch-Fals, Bruun, Das Orchester
Orkestret, 2022, Mikkel Munch-Fals

„Das Orchester“: Die dänische Serie „Orkestret“ (Canal+) gefällt sich als MeToo-Satire im Hochkulturmilieu – trifft aber die falschen Töne.

Die Leiterin des dänischen Sinfonieorchesters (großartig gespielt von Lise Baastrup) hat sich neue Brüste machen lassen. „Die alten sind nach den Kindern ziemlich schlaff geworden“, sagt sie zu ihrem neuen Stellvertreter. Sie fragt ihn dann, ob er sie „testen“ will. „Komm schon“, sagt sie. „Einfach mal drücken“. Der ängstliche Kerl möchte das lieber nicht, aber am Ende gibt er nach und streckt zögernd seine Hände aus, woraufhin sie brüllt: „Was soll das denn, du Schwein?“ Er ist natürlich schockiert; sie aber fängt an zu lachen.

Konzipiert von Adam Price (Borgen-Schöpfer, Besprechung der jüngsten Ausgabe hier), kreiert von Mikkel Munch-Fals, mokiert sich die Satire Orkestret / Das Orchester über MeToo und woke Empörungskultur. Ein ziemlich riskanter Balance-Akt, der ein bisschen lustig, aber leider weitgehend schief gegangen ist. Weil ist es wirklich so, dass die „armen Männer“ heute fast nichts mehr sagen und schon gar nicht mehr flirten dürfen?

Hauptfigur ist der eingangs erwähnte Sous-Chef des dänischen Radio-Sinfonieorchesters, Jeppe (Rasmus Bruun), der versucht, es immer allen recht zu machen. Der nette und konfliktscheue Mann ist auch der einzige mit einem einigermaßen moralischen Kompass in Das Orchester. Seine ständig betrunkene Frau betrügt ihn mit einem Musiker aus dem Orchester und seine siebenjährige Tochter steckt ihrem Spielkameraden Bleistifte in den Hintern. Die weiblichen Machtspielchen beginnen schon früh in dieser zehnteiligen Komödie.

Munch-Fals, Das Orchester

Das andere männliche „Opfer“ ist Bo Høxenhaven (brillant: Frederik Cilius). Musikalisch ein verkanntes Genie, menschlich eine Katastrophe, will Das Orchester unbedingt, dass wir ihn mögen und Mitleid mit ihm haben (aus Gründen, die mir unerklärlich sind). Er lebt zu Hause bei seiner kontrollsüchtigen Mutter (noch eine anstrengende Frau!) und ist ein bisschen verliebt in die Cellistin (May Simón Lifschitz) im Orchester. Eines Tages fragt er sie, ob sie zu Hause nackt Cello spielt – weil er das auch tut. Es macht ihr nichts aus, aber der erste Klarinettist und Arbeitnehmervertreter Simon (Casper Phillipson) hört die Bemerkung und macht eine Personalsache daraus. Bo soll lernen, wie man in einem nicht-sexuellen Ton mit Frauen spricht und wird zu Sitzungen mit einer Psychologin verdonnert. Die wiederum ist einzig darauf aus, dass er sich hinlegt und seine „patriarchalischen Neigungen“ eingesteht. Also sagt er, was sie hören will, um aus der Nummer rauszukommen: „Als heteronormativer Cis-Man war ich ein sehr unangenehmer Vertreter eines aggressiv und diskriminierend strukturierten Patriarchats, was im Grunde machtsüchtig als auch pervertiert ist. Ich habe eine toxische Männlichkeit an den Tag gelegt.“ Nichts davon meint er ehrlich, nichts davon stimmt.

Wenn es um Missbrauchskultur, echte MeToo-Fälle, unternehmerische „Wokeness“ und Verhaltenszweifel darüber geht, „was Männern und Frauen erlaubt ist“, könnte man sich fragen, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist, sich über genau diese Dinge lustig zu machen. Ist es zu früh oder gerade angemessen? Der Start von Das Orchester wurde 2022 jedenfalls um ein halbes Jahr verschoben, weil er als zu nah dran gesehen wurde an dem scheußlichen Skandal um den Mädchenchor des Dänischen Rundfunks, der damals ans Licht gekommen war.

Das Problem ist aber ohnehin weniger das Timing als vielmehr die Tatsache, dass hier die Witze auf Kosten der Frauen stattfinden. Die beiden Hauptdarsteller spielen hervorragend, sind aber auch die einzigen, in die wir uns hineinversetzen können, weil wir alles aus Sicht ihrer Bromance erzählt bekommen. Alle anderen Rollen gehen so weit über die Auswüchse der Karikatur hinaus, dass das Bild von ihnen als echte Menschen verloren geht und das Ganze im Grunde in eine Parodie abrutscht. Eine gute Satire tritt aber nach oben und nicht nach unten. Dass es auch anders geht, hat Todd Field mit Tár ja schon bewiesen (hier unsere Kritik). Fields komplizierte Charakterstudie einer Frau, die ihre Macht missbraucht, war profunde Gesellschaftskritik. Provokant und kompliziert.

Grundsätzlich stellt Orkestret auf humoristische Weise interessante Fragen zu künstlerischen Freiheiten (darf ein Dirigent wie ein Amateurpornograf reden?) und Cancel Culture (darf man Michael Jackson in einem Raum voller Kinder spielen?), aber der Zehnteiler über zwei missverstandene Männer hinterlässt einen komischen Beigeschmack. Ein treffender Titel wäre auch gewesen: „Männer, die in (Selbst-)Mitleid baden“.