Zu schön um wahr zu sein

Neu im Kino KW 50 (DE)

Koch, Drei Winter
Drei Winter, 2022, Michael Koch

„Drei Winter“: Wer kein Geld für Geschenke hat, sich aber ein Kinoticket leisten kann, findet Punsch-Alternativen zwischen Pandora, Tundra, Schweizer Berglandschaft und Kindheitssommermelancholie.

Kurz vor Schluss des Jahres kommt noch überraschend einer der schönsten Filme des Jahres in die Kinos: Aftersun ist das Langfilmdebüt der Regisseurin Charlotte Wells und ein bestürzend guter Beitrag zum an Schönheit eh nicht armen Coming-of-Age-Genre. Überraschend, wie sich in der eigentlich recht gelösten Atmosphäre sozusagen subkutan eine Melancholie breitmacht, die sich auf Zuschauerin und Zuschauer überträgt, aber so, dass man erst nach dem Film und eventuell erst nach zweimal Drüberschlafen merkt, was da vielleicht passiert ist. Unsere Kritik zu Aftersun finden Sie hier.

Ungebrochen heiter dagegen kommt Ein Triumph daher, eine weitere Feel-Good-Komödie aus Frankreich, die an den sozialen Rändern spielt und eine Geschichte von Integration und unverhoffter Gemeinsamkeit erzählt. Hier ist es eine Gruppe von Gefängnisinsassen, die gemeinsam mit dem erfolglosen Schauspieler Etienne (Kad Merad, bekannt aus Willkommen bei den Sch’tis) eine Aufführung von Becketts Stück „Warten auf Godot“ probt. Theaterarbeit als Weg zu Mitmenschlichkeit und Solidarität. Zu schön, um wahr zu sein, aber trotzdem schön.

Auch lustig: die Komödie Sibirisch für Anfänger. Die aber ihre Geschichten, es sind mehrere, nicht ungebrochen erzählt. „Sieben tragikomische Geschichten in lakonischer Tonlage setzen Stepan Burnashev und Dmitry Davydov, die den Film auch geschrieben und produziert haben, irgendwo in der Tundra in Szene, sozusagen für jeden Tag in der Woche eine, doch so etwas wie Sonntagsfrieden will sich in keiner von diesen einstellen“, schreibt filmfilter-Autorin Alexandra Seitz über den Film: „Denn in Sibirien ist es bekanntlich bitterbitterkalt und man muss sich wärmen, am besten von innen und bevorzugt mit Wodka.“

Dann wieder zu schön, um wahr zu sein, sind die Landschaften in Avatar: The Way of Water. Weswegen sie auch wieder am Rechner erstellt worden sind und seltsam aseptisch wirken, bei aller Pracht. Wir haben das überraschende, weil eigentlich von niemandem erwartete Sequel zum Anlass für einen Essay zum Verhältnis von Technik und Naturkitsch in den inzwischen zwei Avatar-Filmen genommen.

Ein realistischeres Bild des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur bietet der Schweizerische Beitrag zum jüngsten Berlinale-Wettbewerb Drei Winter. Eine karge Berglandschaft, grobschlächtige Bauern, Kühe, die man schlachtet, wenn sie nicht trächtig werden, und ein Tumor im Kopf. Michael Kochs Drei Winter entwickelt im letzten Drittel spätestens eine ausgeprägte Zärtlichkeit und setzt so dem rohen (aber nicht verrohten) Naturverhältnis so etwas wie Hoffnung entgegen.

Nur wenige Wochen nach Meinen Hass bekommt ihr nicht, kommt ein weiterer Film, der das Attentat im Pariser Club Bataclan am 13. November 2015 zum Ausgangspunkt für seine Geschichte nimmt. In Isaki Lacuestas Film Frieden, Liebe und Death Metal geht es um zwei Überlebende des Anschlags, die nach dem Terror wieder versuchen zurück ins Leben zu finden. Lohnt sich schon wegen der Schauspielerin Noémie Merlant (Porträt einer jungen Frau in Flammen, Wo in Paris die Sonne aufgeht).