Passagiere der Nacht

Neu im Kino KW 1 (AT)

Covi, Frimmel: Vera
Vera, 2022, Tizza Covi, Rainer Frimmel

Passagiere der Nacht, Todesfeen, Schweizer Unruh(e), krachlederne Macho-Action und der bezaubernde neue Film von Tizza Covi und Rainer Frimmel: Das Kinojahr beginnt mit einer herrlichen Mischung. Von Benjamin Moldenhauer und Roman Scheiber.

Martin McDonaghs Brügge sehen… und sterben gehört zu den schönsten Filmen des Jahres 2008. Humor, existenzialistische Philosophie und sehr berührende Momente gingen hier eine sehr besondere Mischung ein. Der Nachfolger 7 Psychos war vier Jahre später dann eine Riesenenttäuschung – ungut überdreht, überambitioniert und überladen in jeder Hinsicht. Die Möglichkeiten sind also nach allen Seiten offen. The Banshees Of Inisherin, McDonaghs neuer Film, bietet mit Colin Farrell und Brendan Gleeson das gleiche Schauspielerduo wie In Bruges, und das macht berechtigt Hoffnung: dass nämlich die Geschichte um zwei langjährige Freunde, von denen einer die Freundschaft aufkündigt, ähnlich in die Tiefe geht wie McDonaghs Debüt und sein sehr gelungener Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Unsere Kritik zum Film folgt.

 

The Banshees Of Inisherin spielt 1923, Unruh geht noch etwa ein halbes Jahrhundert weiter zurück. Der Schweizer Regisseur Cyril Schäublin hat in seinem zweiten Langfilm eine tatsächlich neue Weise entwickelt, von der Historie zu erzählen. In kontemplativen Bildern, in denen die Figuren eher am Rande stehen, entfaltet sich eine Momentaufnahme der Schweiz des späten 19. Jahrhunderts, als Anarchismus wie auch die nationalkonservative Bewegung an Fahrt aufnahmen. Hier der Trailer, demnächst folgt ein Text zum bisherigen Werk von Cyril Schäublin.

Passagiere der Nacht wiederum könnte einen ähnlichen Weg nehmen wie einst Brügge sehen… und sterben: ein kleiner Film, der sich über Mundpropaganda vom Geheimtipp zu einem Hit entwickelt. Zumindest wäre es ihm zu wünschen. Elisabeth (Charlotte Gainsbourg) wurde von ihrem Mann verlassen und sucht nach etwas, das sie am Laufen hält. Sie nimmt die obdachlose Talulah mit zu sich nach Hause, die sich in ihren Sohn Matthias (Quito Rayon Richter) verliebt. Regisseur Mikhaël Hers, hierzulande noch weitgehend unbekannt, ist ein melancholischer Film über Brüche und Trennungen gelungen, der an mindestens einer Stelle auf das Kino von Éric Rohmer verweist. Und das mit Recht. (Hier die Kritik des perlentaucher.)

Operation Fortune ist dann alles andere als melancholisch. Die fünfte Zusammenarbeit von Regisseur Guy Ritchie und Jason Statham geht es gewohnt robust und krachledern an. Die Agentengeschichte wird vor allem getragen von einem sehr gut aufgelegten Cast (Josh Hartnett und Hugh Grant u.a.) und den gewohnt balletthaft choreografierten Actionszenen (hier geht‘s zum Original-Trailer).

Tizza Covi und Rainer Frimmel sind ja nun wahrlich keine Unbekannten mehr in Südtirol und Österreich, wo sie herstammen. Nach einer ganzen Reihe wunderbarer Filme (Aufzeichnungen aus der Unterwelt z.B. erzählt in beredten Schwarzweißbildern vom Wien der 1960er Jahre und seinen Originalen) eröffneten sie die jüngste Viennale mit Vera, einem wie üblich zauberhaft an der Verwischgrenze zwischen Inszenierung und Wahrheit oszillierenden, berührenden Porträtjuwel. Im Zentrum: die Tochter der Italowesternlegende Giuiano Gemma. Ein filmfilter-Gespräch mit dem Regieduo finden Sie in unserem Podcast. (rs)

Der Kinderfilm des Monats ist eine Neuverfilmung. Belle & Sebastian – Ein Sommer voller Abenteuer beginnt die Belle & Sebastian-Reihe von neuem. Zuletzt startete der Zyklus 2013, mit dem Film von Nicolas Vanier, der zwei Sequels nach sich zog. Der spielte zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und ließ den Jungen Sebastian und die Hündin Belle gegen Nazis kämpfen. Die Neuverfilmung Belle et Sébastien: Nouvelle génération von Pierre Coré spielt in der Gegenwart, lebt aber wie die Vorgänger von beeindruckenden Naturaufnahmen und dem Zusammenspiel von Kinderfigur und Tierheldin.