Jagdsaison

Neu im Kino KW 33 (DE)

newman, der gesang der flusskrebse
Where the Crawdads Sing, 2022, Olivia Newman

Der Gesang der Flusskrebse klingt wuchtig, Goliath heißt nun auch ein Film und die Zukunft könnte ein verdammt einsamer Ort sein. Solange Unbill wenigstens im Kino bekämpft wird, bleibt trotzdem Hoffnung – die Neustarts in Deutschland.

Damit dieser Film floppt, müsste schon einiges passieren. Trotz andauernder Kinokrise und entsprechend leeren Sälen ist Where the Crawdads Sing / Der Gesang der Flusskrebse eine sichere Bank: eine Bestseller-Verfilmung, die Crime-Plot, Familiendrama, Romantik und Naturbilder miteinander verbindet. Viel näher als in solchen Fällen kann das Arthaus-Kino dem Blockbuster-Format nicht kommen. Der Plot der Romanvorlage von Delia Owens geht auch wirklich in die Vollen. Kya (Daisy Edgar-Jones) wächst mit ihrer Familie in den Sümpfen von North Carolina auf. Der Vater trinkt und schlägt, erst verschwindet die Mutter, dann hauen die Geschwister ab, und am Ende auch er. Dann Liebesgeschichte, unglücklich, der Junge, der mit Kya eine Affäre hatte und sie angelogen hat, wird tot aufgefunden. Der Gesang der Flusskrebse wird von einer Coming-of-Age-Außenseitergeschichte zum Gerichtsthriller, alles immer eingefasst in wuchtige Naturmetaphorik, die in der Verfilmung von Olivia Newman (First Match) nicht ohne Kitsch über die Leinwand geht.

Vergleichsweise nüchtern ist dagegen Goliath erzählt, auch weil das Script von Regisseur Frédéric Tellier und seinen Co-Autor:innen die Geschichte auf mehrere Figuren verteilt. Schon dadurch fällt die Heldenposition in dem Kampf gegen den Konzern Phytosanis – unschwer als Verweis für die Monopolstellung von Monsanto zu erkennen –, der aus Profitgier munter Pestizide versprüht, aus. Der Anwalt Patrick (Gilles Lellouche) kämpft an der juristischen Front, dazu kommt eine Familie, deren Vater durch Pestizid-Einsatz an Krebs erkrankt ist, eine Frau, deren Partnerin verstorben ist und eine Reihe Aktivist:innen. Auch wenn der Kampf zwischen Anwalt und dem vollständig entseelten Konzern-Lobbbyisten (Pierre Niney) ein Zentrum der Erzählung bildet, bewirkt das Netz aus Figuren, dass Goliath nicht zu einer schief klingenden Triumphgeschichte wird. (Der filmfilter empfiehlt die gleichnamige, gänzlich anders geartete Serie, Anmerkung der Redaktion.)

Eine deutsche Produktion, die in die Nähe des US-Neo-Noir kommt, hat man auch nicht oft. In Die Zukunft ist ein einsamer Ort plant ein bis dahin unauffälliger Familienvater (Lucas Gregorowicz), der bei einem Unfall Frau und Kind verloren hat, seine Rache und lässt sich in den denselben Knast einliefern wie der Unfallverursacher. Dann Gang-Krieg, Affäre mit der Wärterin (Katharina Schüttler), Gewalt und eben Rache, alles in gedeckten Farben und drückender Atmosphäre. Die Welt ist voller Unheil, das Schicksal interessiert sich nicht für Gnade, und der Filmtitel passt wunderbar.

Noch ein Verbrechen, dieses Mal aber leicht und luftig erzählt: In Der ganz große Coup wird eine französische Bulldogge aus der Obhut von zwei Dogsitterinnen (Silvia D’Amico und Daphne Scoccia) entführt. Die allerdings sind auch nicht ganz astrein und versuchen, ihren Schützling unter der Hand als Deckhund zu vermieten. Was schiefgehen muss und was man hätte wissen können, wenn der Tierarzt Dr. Mopsi heißt und Schwierigkeiten hat, seine Berufsbezeichnung korrekt zu schreiben. Regisseur Fulvio Risuleo erzählt die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, alles sehr vergnüglich. Ist ja immer schön, Figuren dabei zuzuschauen, wie sie sich noch haltloser durchs Leben wursteln als man selbst.

Eher robust ist der Humor von Jagdsaison. Eine deutsche Komödie, die versucht, an Judd Apatow anzuschließen. Das, weil deutsche Komödie nach 2010, Erwartbare –  Frauen auf einem Ferientrip, viel Saufen, viel untenrum, Beziehungsbohei et cetera – wird hier mit genauem Timing erzählt. Hauptdarstellerin Rosalie Thomass, die gemeinsam mit Regisseur Aron Lehmann und Lea Schmidbauer das Drehbuch geschrieben hat, arbeitet recht erfolgreich daran, die deutsche, latent überdrehte Kristen Wiig zu werden.

Zum Schluss der Kinderfilm. Eine Klassenfahrt auf Amrum im Ausnahmezustand: Mitschülerinnen verschwinden, Lotta ist verliebt, Cliquen-Kabbeleien, und der Vater nervt als Begleitperson. Mein Lotta-Leben 2 – Alles Tschaka mit Alpaka hat eine selbstbewusste und angemessen entnervte pubertierende Hauptfigur (Meggy Marie Hussong), während die übrigen Figuren immer wieder sehr klischiert daherkommen (der verliebte französische Mitschüler, die Barbie-Clique). Wenn man sich aber darauf eingestellt hat, dass das anvisierte Publikum hier wohl etwas jünger sein soll als die Figuren – also jünger als 12, 13 Jahre –, ist das ein allemal gelungener Kinderfilm.