Sweetie (1989)

Jane Campions sehenswertes Regiedebüt – auf Mubi

Campion, Sweetie
Sweetie, 1989, Jane Campion

Jane Campions Kino ist von einem seltsamen, aufklärerischen und fiesen Humor. Ein Humor, der aber nie von oben kommt, sondern sich sozusagen aus dem Gemenge heraus artikuliert und nicht aus der Distanz. Im Falle von Jane Campions erstem Langfilm Sweetie ist dieses Gemenge eine Kleinfamilie – zwei Schwestern, die Eltern und ein Ehemann –, in der es sehr dysfunktional zugeht. Die Schwestern bilden ein gegensätzliches Paar: Kay (Karen Colston) und Dawn (Geneviève Lemon), genannt Sweetie, die erste zugeknöpft und abergläubisch, die zweite sehr, sagen wir mal, burschikos und immer wieder in Wahnzuständen. Die Eltern leben in temporärer Trennung, die Mutter hat sich mit einer Gruppe Männer mit Cowboyhüten auf dem Kopf, die gemeinsam den Cha-Cha-Cha üben, in die Wüste zurückgezogen.

Jane Campion hat für ihr Debüt eine recht einzigartige Mischung aus Sozialrealismus und Groteske angerührt, die immer wieder gerade noch vor dem Surrealen abbiegt. Kay verliebt sich in den gutmütigen Louis (Tom Lycos), weil ihr der Teesatz angekündigt hat, dass ihr späterer Ehemann ein Fragezeichen auf der Stirn trägt, das sie nun in Louis’ Schmalzlocke wiedererkennt. Sweetie bringt einen komplett desolaten Freund mit, den sie als ihren Manager vorstellt, und der im Café spontan einschläft. Am Ende stürzt ein Baumhaus zusammen, und es bleibt nur die Erinnerung an das Glücksversprechen der Kindheit.

Das ist überhaupt das Thema dieses Films: ein unerbittlicher Blick auf die nicht realisierten Glücksversprechen – der Kindheit, der Familie, der Ehe, und das in einer bitter-komischen Tonalität. Alltägliche Interaktionen sind hier immer wieder so weit angeschrägt, dass man sie scheitern sieht. Aber eben nicht dramatisch, sondern gerade so, dass die Familienmitglieder immer weitermachen können. Das Drama ist hier, zumindest bis kurz vor Schluss, keines der Eskalation, sondern einer dauerhaft verunglückten Lage.

Denunziert wird trotzdem keine der Figuren, die zwar allesamt komisch sind, aber niemals lächerlich. Wie Jane Campion in Sweetie dieser inszenatorische Drahtseilakt gelungen ist, ließ 1989 bereits erkennen, dass hier eine Filmemacherin nicht nur eine sehr eigensinnige und genaue Imagination mitbringt, sondern auch in der Lage ist, sie filmisch so umzusetzen, dass dabei unvergessliche Bilder und Atmosphären entstehen.

 

Sweetie
Australien 1989, Regie Jane Campion
Mit Geneviève Lemon, Karen Colston, Tom Lycos, Dorothy Barry
Laufzeit 97 Minuten