Atomic Kenergy

Das „Barbenheimer“-Phänomen unter der Lupe

barbenheimer, la la land

„Barbenheimer“: Eine rosa Atombombe schlug an den Kinokassen ein. War das der Anfang vom Ende?

Der als „Barbenheimer“ bekannt gewordene Kulturwahn sorgte für das viertgrößte Kinowochenende der Geschichte – und das ganz ohne Superhelden. „Das Filmgeschäft lebt!“ schrieb Brooks Barnes von der New York Times euphorisch. Ich will keine Partybremse sein, aber tanzen wir vielleicht gerade am Abgrund?

Die gute Nachricht für Hollywood: Greta Gerwigs Phantasie in Pink legte mit einem Einspielergebnis von 162 Millionen US-Dollar in Nordamerika das stärkste Eröffnungswochenende des Jahres hin (und führte Berichten zufolge sogar zu einer Verknappung der Farbe Rosa). An den internationalen Kinokassen spielte Barbie 194 Millionen US-Dollar ein, was einer beeindruckenden weltweiten Bilanz von 356 Millionen US-Dollar entspricht (unsere Kritik hier).

Das ist der beste Start eines Films mit weiblicher Regie überhaupt – und es sei Gerwig vergönnt. Gleichzeitig spielte Christopher Nolans Oppenheimer beachtliche 82,4 Millionen US-Dollar ein, eine gewaltige Leistung für ein dichtes dreistündiges Drama über den „Vater der Atombombe“. An den internationalen Kinokassen spielte er 97,9 Millionen US-Dollar ein, was einer Gesamteinspielsumme von über 180 Millionen US-Dollar entspricht (unsere Kritik hier).

Barbenheimer

Sobald bekannt geworden war, dass die beiden Megablockbuster am gleichen Tag ins Kino kommen, wurde „Barbenheimer“ im Internet geboren – gratis Werbung für beide sozusagen, oder zumindest für den jeweils anderen Film. Barbie vor einem rosa Atompilz. Oppenheimer-Star Cillian Murphy düster dreinblickend mit Barbies glitzerndem Cowboyhut. Barbie und Oppie – die Stars von La La Land. Es war die Art von viralem Phänomen, von dem Marketingleute in der Regel nur träumen können. „Atomic Kenergy“ lag in der Luft und für all jene, die sich zwischen dem finsteren Weltuntergangsszenario und dem rosa Zuckerrausch nicht entscheiden konnten, hatte man in den USA eine Lösung gefunden: In vielen Kinos gab es Doppelvorstellungen und die Kinos hierzulande, das Burgkino zum Beispiel, machten bei dem Hype mit. Das Double-Feature dauert ganze 316 Minuten (Respekt an alle, die keine Lav-Diaz-Fans sind und das trotzdem durchgestanden haben).

Während all das geschah, verdoppelte sich allerdings auch ein Streik in Hollywood. Die Vertragshandlungen zwischen den Studios und den Drehbuchautoren- und Schauspielergewerkschaften waren gescheitert. Berechtigt ist die Frage: Könnte das lukrative Wochenende Hollywoods für eine Weile auch sein letztes gewesen sein?

Wer sich den Rest des Sommers anschaut, bemerkt: Allzu viel hat die Traumfabrik nicht mehr zu bieten. Bis Dune: Part Two am 3. November stehen keine weiteren Blockbuster auf Barbie-Niveau auf dem Programm. Sogar das Dune-Sequel von Denis Villeneuve könnte sich auf nächstes Jahr verschieben, wenn der Schauspielerstreik anhält, weil dem Ensemble die Teilnahme an der weltweiten Pressetour des Films verboten wäre. Je länger Autorinnen und Schauspieler streiken, desto größer wird das Loch im nächsten oder übernächsten Sommer, wenn die Filme, die gerade gedreht werden sollten, noch nicht fertig sind.

Nicht zu unterschätzen ist auch, dass hinter Barbie eine gigantische Bilderbuch-Marketing-Maschine steckt, die sich kaum ein Film leisten kann – oder sollte. Vergessen wir nicht, dass wir eben erst eine Reihe von „Flopbustern“ hatten. Indiana Jones 5, Ant-Man and the Wasp: Quantumania, Shazam! Fury of the Gods oder der Pixar-Film Elemental blieben allesamt weit hinter den Erwartungen zurück. Hollywood-Produktionen sind zum Teil so teuer geworden, dass es schwierig für sie ist, Gewinne einzubringen.

Die Spielzeugfirma Mattel, die hinter Barbie steckt, hat bereits eine Reihe von Filmen angekündigt, die auf ihren Produkten basieren. Doch erst vergangene Woche wurde bekannt, dass 30 Millionen US-Dollar allein für die Entwicklung von Mattels Masters of the Universe ausgegeben wurden, woraufhin Netflix aus dem Projekt ausstieg.

Mark Harris ist der Autor von „Pictures at a Revolution“, einem Buch über Bonnie and Clyde und die anderen radikalen „New Hollywood“-Dramen, die Mitte der 1960er Jahre die Oberhand gewannen, als das traditionelle Studiosystem in Hollywood ins Stocken geriet. Was jetzt in der Filmindustrie passiert, sagte er auf Twitter, erinnere ihn an das, was kurz vor dem New-Hollywood-Revival geschah. Sinngemäß: „Ich glaube nicht, dass irgendein Moment seit der Krise vor 20 Jahren der Situation vor der damaligen Revolution so sehr ähnelt wie dieser. Größere, längere, aufgeblähtere Filme, von denen die meisten schwächere Versionen dessen sind, was vor 20 Jahren funktionierte.“

Ich glaube nicht, dass Barbie und Oppenheimer das „neue Bonnie and Clyde und Easy Rider sind und plötzlich originelle Blockbuster wie Schwammerl aus dem Boden Hollywoods sprießen werden. Es wird wahrscheinlich zu Barbie-und-Ken-Sequels führen. Wer weiß, vielleicht bekommt Kate McKinnon auch ihr eigenes „Weird Barbie“-Movie. Irgendwie fühlt sich Barbenheimer wie die letzte Party am Plastikstrand an – bevor das Hollywood-Puppenhaus zusammenbricht.