Die bitteren Tränen des Peter von Kant, Chaos by Olivia Wilde, eine helle Mittagsstunde, ein Musikfilm und die AK. Der wöchentliche Kinostartfilter für Österreich.
Die Kinovorschau beginnt diese Woche mit einem der ewigen enfant terribles des deutschen Kinos. „Ewig“ auch, weil der jung verstorbene Rainer Werner Fassbinder nicht die Möglichkeit hatte, alt zu werden und eine andere Rolle für sich zu finden. François Ozons Peter von Kant ist eine Variation auf Fassbinders theatrales Kammerspielmelodram Die bitteren Tränen der Petra von Kant, erschienen 1972. Was damals eine unglücklich verliebte, von Margit Carstensen auf Hochtouren interpretierte Modedesignerin war, ist heute der Regisseur Peter von Kant. Er wird von Denis Ménochet verkörpert (stimmig, was den Körperbau angeht) und gespielt.
Von Kant verliebt sich in den jungen Amir (Khalil Ben Gharbia), den er innerhalb von neun Monaten zum Star macht. Da ist die Beziehung aber schon toxisch, und was Peter von Kant über die Liebe zu erzählen weiß, ist ähnlich trist wie das, was Fassbinder vor einem halben Jahrhundert erzählt hat. Eben auch deswegen, weil Ozon Dialogzeilen eins zu eins übernimmt: „Jeder Mensch ist ersetzbar, das lernt man mit der Zeit“ klingt auch auf Französisch noch wahr und schmerzhaft. Trotzdem kommt Ozons Variation ungleich leichtfüßiger daher als das schon auch stählerne Original, einfach weil man immer spürt, dass hier vor allem zitiert und verwiesen wird. Aus Fassbinders Debüt „Liebe ist kälter als der Tod“ zum Beispiel wird, hehe, „Tod ist heißer als Liebe“. Man hat es mit einer Hommage und also mit einem Film über das Kino und nicht mehr primär über die Liebe zu tun. Das schafft angenehme Distanz zum Elend, das sich auf der Leinwand entfaltet.
Im Falle von Don’t Worry Darling hat sich das Beziehungsdrama vor allem während der Dreharbeiten abgespielt, zur Freude des Boulevards. Regisseurin Olivia Wilde (ihr Debüt Booksmart empfehlen wir jedenfalls) hat sich in ihren Hauptdarsteller Harry Styles verliebt, ihr (inzwischen Ex-)Mann Jason Sudeikis hat ihr die Scheidungsunterlagen medienwirksam während einer Werbevorstellung für ihren „psychologischen Thriller“ zustellen lassen.
Zuvor war der ursprünglich für die Hauptrolle von Don’t Worry Darling vorgesehene Shia LaBeouf gefeuert worden – der Grund seien Vorwürfe sexueller Belästigung gewesen, so Wilde. LaBeouf wiederum behauptete, er habe das Projekt auf eigenen Wunsch verlassen und konnte das auch belegen. Don’t Worry Darling selbst ist hinter all dem tristen Zirkus etwas verschwunden. Der Trailer jedenfalls verspricht eine recht wuchtige Dystopie, die viel von The Stepford Wives gelernt hat. Was ja nicht die schlechteste Referenz wäre.
Von der großen weiten Welt – Paris, Hollywood – in die Provinz von Schleswig-Holstein: Lars Jessen (Dorfpunks, Fraktus) hat einen sehr schönen Film gedreht, über Kinder, die erwachsen geworden sind, und ihre Eltern, mit denen es langsam zu Ende geht. Um anhand dieses Themas sehr lakonisch und mit Witz, aber auch unerbittlich von Lebenslügen, Familiengeheimnissen, der Liebe generell und dem Altwerden zu erzählen. Charly Hübner spielt einen Sohn, der zurück in sein Heimatdorf kommt, um seine seit immerhin siebzig Jahren verheirateten Eltern zu pflegen. Mittagsstunde erzählt vom Verschwinden, nicht zuletzt vom Verschwinden einer bäuerlichen Welt, anhand eines Kleinfamilienkosmos (hier unsere ausführliche Besprechung).
Avatar – Aufbruch nach Pandora kommt noch einmal in die Kinos, um uns auf das im Dezember anlaufende Sequel Avatar: The Way of Water einzustimmen. Der Film ist, wenn man die 2009 sensationelle technische Ebene abzieht (Avatar war einer der ersten Filme der jüngsten 3D-Welle), ein recht zähes Unterfangen: eine fast drei Stunden lange Variation auf den Pocahontas-Mythos mit reichlich New-Age-Schangel und anderen Kitschformen.
Zum Schluss Musik und Solidarität: Unsere Herzen – Ein Klang dokumentiert die Arbeit von verschiedenen Chören, was im Falle dieses Films auch bedeutet, dass die Regisseur:innen Torsten Striegnitz und Simone Dobmeier versuchen, einen filmischen Ausdruck für das Gefühl gemeinschaftlichen Singens zu finden. Für die Vielen wiederum heißt Constantin Wulffs Porträt der Arbeiterkammer. Und so parteilos er auch arbeitet, so tief er in die Institution auch eindringt, ohne Brösel geht so etwas hier zu Lande nicht ab.