Liebesding, Klassenfahrt, Pfauenparadies; ein Rotzbub, der neue Thor, die neue Sisi – und ganz der alte neue Woody Allen: das kesselbunte, bis auf eine Ausnahme wenig überraschende Neustart-Angebot in deutschen Kinos.
In Ernst Marischkas „Sissi“-Filmen war die höfische Welt, mitsamt der Kaiserin, die sie bewohnte, noch in Ordnung. 2022 ist Sisi (Vicky Krieps) vierzig Jahre alt geworden, in der Krise und fühlt sich, der Filmtitel Corsage deutet es an, eingeschnürt – von dem Bild, das sie abgeben und von dem Ideal, das sie verkörpern muss. Marie Kreutzers Version des nicht zuletzt filmisch befeuerten Mythos der Kaiserin von Österreich wurde in Cannes gefeiert. Unsere Kritik des interessantesten Neustarts der Woche können Sie hier lesen.
Woody Allen dreht derweil einfach weiter in regelmäßigen Abständen Filme, die Anlässe für Reisen in besonders schöne Städte abgeben – Paris, Rom, Barcelona. Meist waren die filmischen Ergebnisse schön anzusehen, aber etwas lau. Für Rifkin’s Festival ging es nach San Sebastian, wobei der Ort eigentlich egal ist, der Plot ist eine Aneinanderreihung von Woody-Allen-Standardsituationen und könnte überall spielen: Ein Mann (eine Idealbesetzung in diesem Fall: Wallace Shawn) erzählt bei einem Therapeuten die Geschichte seiner Ehe, seine Frau betrügt ihn, er irrt auf der Suche nach Sinn durch die Stadt, und lustig ist das ganze auch. Wenn man mit Allens Filmen aufgewachsen ist, fühlt man sich in dieser Welt gleich heimisch und kann jede Plotentwicklung zwei Kilometer im Voraus erahnen. Überrascht wird man von Woody Allen nicht mehr, aber das macht auch nichts. Allen Schmährufen zum Trotz: Schön, dass Rifkin’s Festival nun nach zwei Jahren pandemiebedingter Verschiebung auch in die deutschen Kinos kommt.
Auch nicht überrascht wird man von Thor 4: Love And Thunder. Bevor Sie müde abwinken, ein Hinweis: Thor 4 ist der zweite Film der Reihe, der von Regisseur Taika Waititi gedreht wurde, und gehört damit zu den inzwischen eher selten gewordenen Vertretern des Marvel Cinematic Universe, die dem jeweiligen Geboller und Gebolze zumindest partiell Originalität und Details abringen können – und an die man sich auch zwei Tage nach dem Kinobesuch noch erinnern kann. Waititis Thor-Filme gehören zu den Komödien des MCU. Sehr schön, wie in Thor: Tag der Entscheidung (Waititis erstem Beitrag zum MCU) nordische Mythologie mit Pop Art und Led Zeppelin vermengt wurden. Dass man sich bei einem Marvel-Film nicht langweilt, ist eher die Ausnahme. Mit Thor 4 können es auch Skeptiker nochmal probieren.
Auch lustig sein will der Film Liebesdings, der vielleicht, ausgehend vom Trailer, von der Filmgeschichtsschreibung rückblickend einmal als exemplarische deutsche Komödie gesehen werden wird. Alles drin: verdruckster Untenrum-Humor, der Versuch, zurzeit irgendwie kontroverse Themen aufzugreifen und satirisch zu verarbeiten (Queer-Feminismus in diesem Fall) und natürlich Romantik.
Besser: Willkommen in Siegheilkirchen, das Porträt eines österreichischen Dorfes, dessen Figuren, Ästhetik und Geist auf dem Universum des 2016 verstorbenen Cartoonisten Manfred Deix basieren. Das Dorf ist voller Nazis, überall herrschen Prüderie, Bigotterie und Doppelmoral. Und mittendrin ein (publikumsstarker) Rotzbub, der Aktzeichnungen von der drallen Metzgertochter anfertigt. Man kann davon ausgehen, dass auch Biografisches in dieser Geschichte steckt. Jedenfalls will Marcus H. Rosenmüllers Film grob dasselbe wie Deix, wenn er auch weit weniger grimmig und aggressiv ausfällt als dessen Humor: die Welt, die er zeigt, mit den Mitteln der Groteske zur Kenntlichkeit entstellt.
Sehr wohltemperiert kommt dagegen Laura Bispuris in sanften, warmen Farben gehaltener Film Das Pfauenparadies daher. Das im Arthouse-Film so beliebte Setting Familienfest wird in typischer Weise durchgespielt: zuerst Harmonie, dann tauchen die erwartbaren Brüche in den Beziehungen auf – Eifersucht, verheimlichte Trennungen, Geschwisterkonkurrenzen. Und mittendrin ein Pfau, der sich in eine Taube verliebt.
Zum Schluss ein Kinderfilm: Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt! erzählt von Alfons (Luis Vorbach), der sich in Leonie (Leni Deschner) verliebt hat, es ihr aber nicht gestehen mag. Auf der Klassenfahrt soll es soweit sein. Mit seinem Konkurrenten Nico (Ron Antony Renzenbrink) wettet Alfons, wer es schafft, dass Leni seine Freundin wird (hier der Trailer). Der Plot wirkt etwas altbacken, und tatsächlich basiert Endlich Klassenfahrt, das Sequel zu Alfons Zitterbacke – Das Chaos ist zurück, auf einer DDR-Kinderbuchreihe.