Das massive Talent

Neu im Kino KW 24

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The Unbearable Weight of Massive Talent, 2022, Tom Gormican

Bis auf „Massive Talent“ mit Nicholas Cage herrscht Ernüchterung in den hiesigen Premierenkinos. Ein selektiver Kinostart-Überblick.

Die Werke alter Meister stellen einen mitunter vor Probleme. Zwar stehen des Betreffenden langjährige Verdienste um die Filmkunst außer Frage, die in Rede stehende Arbeit jedoch zeigt nur allzu deutliche Spuren vergangener Glorie, mit Betonung auf „vergangen“. Das galt bereits für Dario Argentos letzten Film, den vor zehn(!) Jahren allgemeine Bestürzung auslösenden Dracula, und es gilt, leider, auch für den aktuellen Occhiali neri (Dark Glasses). Mit seinem Plot um einen Serienkiller, der hinter einer kürzlich erblindeten Edelnutte her ist, ist Occhiali neri ein klassischer Giallo. Und wenn es giallomäßig zur mörderischen Sache geht, gibt es für die Fans und Verehrerinnen des Genres auch rein überhaupt nichts zu meckern. Erschütternd ist vielmehr, wie umständlich und unglaubwürdig sich dazwischen etwas voranwurmt, das als „Handlung“ zu bezeichnen doch recht schwer fällt. Dies gesagt habend, schließe ich mich Michael Nordine an, der in Variety schreibt: „While it wouldn’t exactly be accurate to say that Dark Glasses was worth waiting a decade for, a world in which Argento continues working till the bitter end is preferable to one in which we don’t have movies like this at all.“ (Unsere Kritik schlägt übrigens ähnliche Töne an.)

1995 bekam ein Junge namens Andy zu seinem Geburtstag eine Space Ranger-Actionpuppe geschenkt, die für ordentlich Aufruhr im Kinderzimmer sorgte, weil sie die bis dato dort herrschende Hierarchie durcheinander brachte. Buzz Lightyear, so der Name der Figur, gehörte zum Merchandising für einen Film, den Andy seinerzeit gesehen hatte und von dem er begeistert war. Und Lightyear, so ein Insert zu Beginn, ist eben jener Film. Soviel zur narrativen Legitimation des vorliegenden Animationsfilms von Angus MacLane innerhalb der Toy Story-Saga. Was sich nicht erschließt, ist, warum Andy von Lightyear begeistert gewesen sein sollte. Und überhaupt fällt es schwer, sich Andy, der mit seinen Toys doch so fantasiereich spielte, als eines jener Kinder vorzustellen, denen es reicht, wenn es auf der Leinwand bunt funkelt, blitzt und kracht, während in homöopatischen Dosen Schmalspurweisheiten verabreicht werden. Hätte man die Figuren der Toy Story über zweieinhalb Dekaden hinweg nicht derart ins Herz geschlossen, der vorliegende Film wäre eine weniger tiefe Kränkung. So aber beleidigt er nicht nur die Intelligenz der Erzählung, der er kümmerlich entsprossen ist, er bezeugt einmal mehr und unnötigerweise, was Pixar verloren hat, als es seine Seele an Disney verkaufte.

Doch zu guter Letzt eine gute Nachricht. Nicolas Cage, actor extraordinaire, hat die Direct-to-Video-Phase überwunden und landet endlich wieder und zwar mit Aplomb mit einem richtigen Kinofilm auf einer richtigen Leinwand. Und das Allerbeste: The Unbearable Weight of Massive Talent von Tom Gormican bietet Cage jede Menge Gelegenheiten, selbstreflexiven Unfug mit seiner Leinwandpersona, mit seinem öffentlichen Image sowie mit einer Figur namens Nick Cage zu treiben. Dieser Nick wird von einem obszön reichen mexikanischen Superfan (der natürlich in kriminelle Machenschaften verwickelt ist) als Ehrengast zu dessen Geburtstagsfeier eingeladen. Und eh er sich’s sodann versieht, stecken nicht nur er, sondern auch seine Frau und seine Tochter bis zum Hals in Schwierigkeiten.

Mit sichtlichem Spaß sind alle Beteiligten bei der krawallösen Sache, die eine Film-im-Film-Spielerei, eine CIA-Ermittlung, eine politische Verschwörung mit Kindsentführung, Familienkrisen und Selbstfindung, LSD sowie nicht wenig Action umfasst, und die dabei noch Zeit genug findet, Gefühle zu erkunden, Freundschaften zu bilden und Beziehungen zu vertiefen. Tatsächlich, man könnte es das fulminante Comeback eines vielgeliebten, hochverehrten Schauspielers nennen, wäre das massive Talent des Nicholas Cage denn jemals wirklich weg gewesen …