The Age of Cage

Die wundersame Renaissance des Nicolas Cage

Nic Cage in Massive Talent
The Unbearable Weight of Massive Talent, 2022, Tom Gormican

Es war nicht immer einfach, Nicolas Cage zu lieben. Aber ich weiß, auf welcher Seite der Geschichte ich stehe. Bevor sein Name zum Synonym für ein manisches Grinsen und Tobsuchtsanfälle wurde, war Cage ein junger Punkrocker in Valley Girl (1983). Unvergesslich sein einhändiger, liebestrunkener Bäcker Ronny Cammaeri („Ich habe meine Hand verloren! Ich habe meine Braut verloren!“)

In Vampire’s Kiss (1988) schrie er das Alphabet vor seiner Sekretärin runter. Er spielte zwei radikal unterschiedliche Zwillingsbrüder in Adaptation (2002), für mich seine beste Performance in einem perfekten Film. Viele Leute scheinen vergessen zu haben, dass er den Oscar als bester Schauspieler für seine Rolle als selbstmörderischer Alkoholiker in Leaving Las Vegas (1995) gewonnen hat. Ich bin in der Con Air-, Face/Off-, The Rock-Phase des Schauspielers aufgewachsen. Also weiß ich auch den Action-Cage zu schätzen, der das Publikum en masse in die Kinos brachte.

Irgendwann wurde der selbsternannte „kalifornische Klaus Kinski“ zu einem Witz in Hollywood, befeuert von YouTube-Compilations wie z.B. einer „Nicolas Cage Freak Out-Montage“. Er verlor seine Haare, verlor seine Kontakte, verlor seine Franchises. Seine gut dokumentierten finanziellen Fehlentscheidungen (u.a. ein Dinosaurierschädel) haben dazu geführt, dass er jede Rolle annehmen musste, zu viele Filme machen musste (siehe Left Behind), die nur die Vorstellung verstärkten, dass Cage vielleicht ein bisschen verrückt war. Aber ich habe ihn auch in seinem mumifizierten Remake von The Wicker Man (2006) geliebt. (Not the bees!)

In jüngsten Jahren schienen sich die Leute dann daran zu erinnern, warum sie sich überhaupt in Cage verliebt hatten. Er war erstaunlich in Mandy (2018) von Panos Cosmatos, und großartig in Michael Sarnoskis Pig (2021), einer leisen Charakterstudie über einen zurückgezogenen Meisterkoch auf der Suche nach seinem Trüffelschwein. Nun bringt ihm ein weiterer Film die Gunst der amerikanischen Kritik: The Unbearable Weight of Massive Talent. Er spielt sich selbst, den verschuldeten Schauspieler Nicolas Cage, der für eine Million Dollar auf der Geburtstagsparty eines verrückten Fans (Pedro Pascal) auftritt, der zufällig auch ein Waffenhändler ist. Seit der Film am vergangenen Wochenende in den US-Kinos angelaufen ist, regnet es Hymnen für den Schauspieler.

Artikel wie der im Rolling Stone lesen sich fast wie Entschuldigungen. Die New York Times bezeichnete ihn als „Hollywoods größten Surrealisten“. Aber die vielleicht einfachste und dennoch treffende Beschreibung stammt von Cage selbst: er sei ein aufrichtiger Mann in einer ironischen Welt.

Vielleicht ist er das. Es ist leicht, sich über seine opernhaften Gesten lustig zu machen. Es sind Gesten wie die eines Stummfilmschauspielers, inspiriert von den deutschen Expressionisten, die Nic Cage so liebt. Martin Scorsese, der ihn in Bringing Out the Dead inszenierte, beschrieb seinen Schauspielstil als „fast wie Stummfilm, wie Lon Chaney“. Eine neue Biografie über ihn hat fast 300 Seiten und trägt den epochalen Titel „Age of Cage“.

Nics Name (not really well-known fact: er ist ein geborener Coppola) ist sowohl vom schwarzen Comic-Superhelden Luke Cage als auch vom experimentellen Komponisten John Cage inspiriert und verkörpert perfekt die Gratwanderung, die sein Träger bis heute zwischen Mainstream und Avantgarde geht. Er ist ein Mann, der grotesk riesig sein kann und schmerzhaft klein. Er war immer schon beides.