Kettensägenführung

Anlässlich der Neuauflage: der Guide zur „Texas Chainsaw Massacre“-Filmreihe

Die nunmehr neunteilige Schlachtfestfilmreihe ist in ihrer fast 50-jährigen Geschichte weitgehend singulär geblieben. Alle möglichen Lesarten des „Texas Chainsaw Massacre“-Franchise, von der ersten Brachial-Ferkelei bis zur aktuellen Netflix-Funsplatter-Variante, fachkundig für Fans des filmfilter aufbereitet.

Wenn immer ein neuer Film des Texas Chainsaw Massacre Franchises erscheint, ist Gelegenheit, etwas über einen meiner fünf Lieblingshorrorfilme zu schreiben. Eine ambivalente Angelegenheit. The Texas Chainsaw Massacre ist nicht nur eine intensive, sondern auch eine intensiv unangenehme Ferkelei von einem Film und muss 1974 wie eine Splitterbombe ins Genre geplatzt sein. Ein wilder, psychedelischer, an sich selbst verrückt gewordener Ausbruch, unter abenteuerlichen Bedingungen fabriziert – sozusagen das Apocalypse Now des modernen Horrorfilms. Tobe Hooper und Kim Henkel ist 1974 etwas gelungen, mit dem man heute noch in Seminaren zur Filmgeschichte für Aufruhr und Unmut unter den Studierenden sorgen kann.

Splatter-Gewalt ist nicht mehr sonderlich schockierend, aber The Texas Chainsaw Massacre mutiert zu etwas Absonderlichen, im Genre eigentlich nie mehr wirklich reproduzierten: Bild und Ton verabschieden sich irgendwann im Plotverlauf von dem, was man das narrative Kino nennt, und zielen mit aller Gewalt auf die Körper von Zuschauerin und Zuschauer, der Film schraubt sich in seiner letzten halben Stunde in ein veritables Delirium hinein, und gerade wenn man ihn unter den idealen Voraussetzungen sieht (mittelgroße Leinwand, grindige Räumlichkeit und vor allem laut), wird man das – vermute ich – ein Leben lang nicht mehr vergessen. Der Sache unangemessen sachlich formuliert: Kameraperspektiven und Sounddesign konstruieren ein Szenario, in dem die Wirklichkeit der Figuren nur noch von aufeinander folgenden Schüben selbstzweckhafter Gewalt strukturiert wird. Ausagiert natürlich genretypischerweise am Körper einer jungen Frau, Sally (Marilyn Burns), während die Männer, mit denen gemeinsam sie in die Fänge des Kannibalen-Clans gerät, eher pragmatisch aus dem Weg geräumt werden.

Die Mythologie, die The Texas Chainsaw Massacre andeutungsweise entwickelt, wurde aber erst in der langen Reihe von Remakes, Sequels und Prequels ausformuliert. Die Filme wurden nicht besser, das Original bleibt unerreicht, aber sie wurden semantisch vielschichtiger. Leatherface ist einer der interessanteren Serienmörder des Genres, ein nicht nur gestörter, sondern auch verstörter Ausgestoßener, Produkt einer depravierten Familie, die alle Depravierten-Klischees bündelt und ins Groteske übersteigert. Im Original wird er mit beeindruckender physischer Präsenz von dem 2015 verstobenen Gunnar Hansen gespielt, der nach dieser epochalen Performanz leider nur noch in Filmen wie Swarm of the Snakehead, It Came from Trafalgar oder Reykjavik Whale Watching Massacre auftauchte (im 2013 erschienenen Texas Chainsaw Massacre 3D sitzt er am Anfang noch einmal stumm im Bild). Wenn ich das richtig erinnere, bleibt der Kettensäge schwingende, mit Menschenhaut maskierte Hüne in allen Filmen sprachlos, ein dummer Klotz, dessen Verbindung zur Welt nur über Gewalt sich herstellt.

Leatherface ist nicht nur der ewige Sohn, der vom eigenen Clan ein Leben lang dominiert wird, er ist auch Angehöriger des Proletariats, der eine denkbar unangenehme körperliche Arbeit verrichtet hat, bevor der Schlachthof, in dem er wirkte, pleite ging: das Schlachten von Tieren mit Hammer und Säge. Die Texas-Chainsaw-Filme sind (fast) immer auch Filme über die Rache der abgehängten Arbeiterklasse an den Angehörigen der jungen Generation, die von dem Leben der vorangegangenen Generationen nichts mehr versteht und wissen will. Und dieser Punkt wird gemeinsame mit einigen weiteren in den Filmen, die auf das Original folgten, immer wieder vom Impliziten ins Explizite gehoben.

 

„Sex or the Saw“

Dass auch ein filmisch singuläres Werk wie The Texas Chainsaw Massacre – Tobe Hooper ist danach nie wieder so etwas gelungen – bei kommerziellem Erfolg eine ausgiebige Serienbildung nach sich zieht, liegt in der Logik des Genres. Doch in gewisser Weise wäre es schön gewesen, es bei dem einen Film zu belassen. Auf The Texas Chainsaw Massacre folgte ein von Hooper 1986 selbst grandios vergeigtes Sequel, das sich mit irrwitzigen Einzelsequenzen in die Erinnerung brennt und die im ersten Film noch unterschwellige tiefschwarze Komik hervorkehrt. The Texas Chainsaw Massacre 2 ist bemerkenswert, weil in ihm brachiale Gewaltbilder mit grotesken Albernheiten parallel geführt werden, ohne dass das eine das andere irgendwie behindern würde. In einer wirklich bösartigen Parallelmontage wechseln Bilder eines gescheiterten Versuchs, eine Frau mit einer Kettensäge zu penetrieren, mit einer Schnittfolge, in der der Kopf eines Mannes im Close-up endlos mit einem Hammer traktiert wird (die bayerische Staatsanwaltschaft verstand da auch keinen Spaß mehr und nahm eine Kopie des Films 1991 nach einer Vorführung im Münchner Werkstattkino vorsichtshalber erstmal mit).

Das Exzesshafte des ersten Teils ist im Sequel noch in Spuren enthalten, als komödiantisches Reenactment, und die Komik verbirgt, was einem beim ersten Sehen eventuell entgeht: The Texas Chainsaw Massacre 2 hebt die psychoanalytischen Lesarten hervor, mit denen der Originalfilm bedacht wurde, und plausibilisiert sie sozusagen retrospektiv durch unmissverständliche Bilder. Der Verdacht der feministischen Horrorfilmtheorie etwa, es handle sich bei der Kettensäge um ein Phallussymbol, die Gewalt sei dementsprechend Metapher für Sexuelles und zwar in seiner grundlegend schiefgelaufenen, männlich-brutalisierten Form, wird in der oben erwähnte Szene bestätigt. Leatherface (Bill Johnson) verfolgt das Final Girl Stretch (Caroline Williams) mit der Kettensäge. Sie, die Säge, fährt langsam am nackten Bein des Opfers hoch, und die Szene ist auch insofern sehr effektiv, weil hier die Sexualisierung der Gewalt – die, um ihre Wirkung zu entfalten, eigentlich irgendwo im Vorbewussten des Zuschauers gehalten werden muss – in aller peinlichen Deutlichkeit in Szene gesetzt wird.

Dann geht auch noch das Benzin alle, die Säge will nicht mehr anspringen, erschlafft und schwingt auf unmittelbarer Schritthöhe traurig hin und her, während Stretch, die auf einem Berg Eiswürfel sitzt, beschwichtigend auf den minderbemittelten Riesen einredet. Die dem männlichen Horrorfilmzuschauer von Genrekritiker:innen gerne unterstellte Gewaltgeilheit wird hier auch als Form von Impotenz veralbert. Dass The Texas Chainsaw Massacre 2 bei Horrorfans nicht sonderlich beliebt ist, mag auch mit solchen Momenten zusammenhängen. Die Szene wirkt wie schon das Original im Gesamten auf eine geradezu verstörende Weise autoaggressiv, wie ein Versuch, der Gewalt im Horrorfilm mit gewalttätigen Bildern ein Ende zu machen. Eine Unternehmung, die natürlich scheitern muss.

Auch eine weitere Ebene wird hier überdeutlich. Als der inzwischen unübersehbar in Stretch verliebte Leatherface sich weigert, sein Opfer zu schlachten, geht einer der Familienpatriarchen (Jim Siedow, der einzige Schauspieler aus dem ersten Teil, der sich das alles noch einmal antun wollte) auf ihn los: „You have one choice, boy: sex or the saw“, schimpft die Vaterfigur mit dem ewigen Sohn. „Sex is, well… nobody knows. But the saw… the saw is family.“ Da muss man sich entscheiden.

Stretch wiederum ist eines der ersten Final Girls, das nicht nur überlebt, sondern siegt. In der letzten Einstellung von The Texas Chainsaw Massacre 2 wiederholt sie Leatherfaces Kettensägentanz aus der Schlussszene des ersten Teils und revidiert sie damit, als die eigentliche Siegerin. Damit enthält das Sequel, das viel zu lang und auch sonst in vielem auf interessante Weise missraten ist, zwei parallel laufende Stränge des modernen Horrorfilms: exzessive Bilder einer an den weiblichen Körpern ausagierten Gewalt und eine wehrhafte Gegengewalt, für die es im Horror erfrischend wenige männliche Heldenfiguren braucht; die nämlich sterben in den Texas-Chainsaw-Filmen immer gleich als erstes, leider nutzlos.

Wir greifen an diesem Punkt vor, weil der „the saw is family“-Topos zwar in der ganzen Reihe mehr oder minder mitschwingt, die unauflösliche Familienbande so richtig aber erst wieder im reichlich lieblos zusammengefilmten siebten Teil der Reihe, Texas Chainsaw Massacre 3D, eine zentrale Rolle spielt, diesmal auf der Plotebene. Und zwar nicht mehr als Horror, sondern als eine Art Happy End, das die Verkehrung von Gut und Böse (oder zumindest die Differenzierung zwischen beiden beiden Begriffen) zur Voraussetzung hat.

John Luessenhops Film ignoriert alle fünf Teile, die nach 1974 erschienen sind und setzt nach der Flucht von Sally ein. Die Polizei hat das Haus der Kannibalenfamilie umstellt, aber bevor die Exekutive zur Tat schreiten kann, formiert sich ein Mob, angeführt vom Bürgermeister des Ortes, und steckt das Anwesen mitsamt den Bewohnerinnen und Bewohnern in Brand. Die einzigen Überlebenden sind die Großmutter sowie ein Baby, das von einem der Mörder adoptiert wird, und, wie sich später herausstellt, Leatherface (Dan Yeager). Das Baby wächst bei Adoptiveltern auf, die das Mädchen Heather nennen. Als junge Erwachsene erbt Heather nach dem Tod der Großmutter das viktorianische Landhaus des Sawyer-Clans und erfährt so zum ersten Mal von ihrer Herkunft. Gemeinsam mit ihrem Freund und einem befreundeten Pärchen geht es nach Texas, und nach und nach werden alle bis auf das Final Girl zu Hackfleisch gemacht.

So weit, so wenig überraschend. Texas Chainsaw Massacre 3D aber inszeniert den Anführer des Mobs von damals, den die Stadt nach wie vor regierenden Bürgermeister, als das eigentliche Monster. Man kann an diesem ansonsten nicht sonderlich bemerkenswerten Film sehr schön zeigen, wie wenig es manchmal bei der Steuerung von Zuschauersympathie und -empathie braucht, um beides auf Abwege zu führen. Es genügen Bilder einer brutalen Lynchmob-Gewalt und ein paar Mitleid evozierende Einstellungen, die den alles in allem eher verstört wirkenden Leatherface zeigen, um einen Riesen, der junge Menschen mit der Kettensäge zerlegt als wäre es nichts, zumindest graduell zum Objekt unseres Mitleids werden zu lassen.

Dieses Mitleid ist dann auch die Voraussetzung dafür, dass man dem Film seine finale Volte abnimmt – nämlich, dass Heather sich gegen die Welt entscheidet, in der gesellschaftlich legitime Funktionsträger ungestraft Mörder ermorden konnten, und stattdessen dem letzten Wunsch ihrer Großmutter nachkommt, sich um Leatherface kümmern und so die Familientradition fortführen wird. Die Unterscheidung zwischen „progressiven“ und „reaktionären“ Horrorfilmen, die in der politisch ambitionierten Filmkritik einst sehr beliebt war, ist aus verschiedenen Gründen nicht sehr sinnvoll. Bei der ungefilterten Codierung von Familienbande als einer gleichsam naturhaften, unhintergehbaren Verbindung allerdings, wie im Falle von Texas Chainsaw Massacre 3D, drängt sich das Adjektiv reaktionär schon auf. Auch wenn der final twist natürlich wieder sehr schwarzhumorig gedacht ist.

 

Empathie mit dem Monster

Aber bleiben wir beim chronologischen Ablauf. Leatherface: Texas Chainsaw Massacre III und Texas Chainsaw Massacre: The Next Generation trugen 1990 bzw. 1995 nichts in meinen Augen wirklich Nennenswertes zum Franchise bei und bleiben als eher unambitioniertes Rumgemurkse in Erinnerung bzw. eben gerade nicht. Wobei sich auch hier bestimmt Qualitäten entdecken ließen, die mir entgangen sind; auch diese Filme haben ihre Fans. Nichtsdestotrotz nehmen wir an dieser Stelle eine Abkürzung und kommen gleich zum überraschend düsteren Remake von Tobe Hoopers Originalfilm, dem 2003 erschienenen Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre.

Regie führte der bis dahin nur als Werbe- und Videoclip-Regisseur in Erscheinung getretene Marcus Nispel, und dementsprechend ist das Remake denn auch vor allem erst einmal sehr stylish, mit einer präzisen Farbgebung, die die von Grau- und Brauntönen dominierten Bilder fast schon artifiziell wirken lässt. Der Film gewinnt sehr durch die Arbeit des Kameramanns Daniel Pearl, der schon für die prägnanten Einstellungen des Originals von 1974 verantwortlich war, die hier immer wieder zitathaft nachgebaut werden.

Zum einen funktioniert das Remake damit als Fanfutter, das einem umso mehr gibt, je genauer man die Bilder des Originalfilms präsent hat. Zum anderen ist er für eine große Produktion der damaligen Zeit – kurz vor dem Erscheinen von Hostel und dem Remake von The Hills Have Eyes – erstaunlich roh und fies. Und er führt mit Sheriff Hoyt (R. Lee Ermey) eine Figur ein, die die Rolle der alten Generation gegenüber der jungen ausbuchstabiert: Es ist die vorangegangene Generation, die nicht mehr mitkommt und rückständig in der Welt herumhockt, die hier die Angehörigen der jungen Generation töten will. Und es gehört zum Mythos, dass letztere hier aus der Stadt in die Peripherie und ins Hinterwäldlerland reisen müssen, um herauszufinden, was die alte Welt an Schrecken für die bereithält.

Nur eins traut das Remake sich nicht. Der Film mutet seinen Zuschauer:innen am Ende nicht die kaputte Hoffnungslosigkeit des ersten Films zu. Die Flucht von Sally im Original war kein Triumph, ihr Entkommen wurde konterkariert von dem Wahnsinn, den sie aus der Nacht in den Morgen mit hinübernimmt. Im Remake überfährt Erin (Jessica Biel) ihren Peiniger unter Siegesgeheul mit dem Auto und wiederholt damit den Sieg des Final Girl aus dem Sequel, während der Film ansonsten versucht, die Krassheit und den Nihilismus von 1974 zu reproduzieren und trotz seiner technischen Mittel und seines im Vergleich ja enormen Budgets nicht wie ein Michael-Bay-Blockbuster auszusehen. Was denn auch gelingt. Michael Bay’s Texas Chainsaw Massacre ist einer der mies gelauntesten amerikanischen Horrorfilme der Nullerjahre.

Ein weiteres Moment der Serie beginnt wirklich erst hier. Während Leatherface im Originalfilm ein Enigma blieb und im Sequel zwar, naja, Gefühle zeigen durfte, aber doch eher als Witzfigur und impotenter Körperklaus durch die Geschichte tobte, legt das Remake bereits zumindest punktuell so etwas wie Empathie nahe. Eine der Frauen des Clans spricht von dem Hünen wie von einem unglücklichen Kind: „Everyone around here knows that poor sweet boy. […] He always keeps to himself.” Leatherface wird als Außenseiter gekennzeichnet: „A skin disease. He was just a little boy when it started.“ In einer Einstellung sehen wir, was das Original wohlweislich ausspart: Leatherface ohne Maske; ein traurig dreinschauender junger Mann mit entstelltem Gesicht.

Eine weitere Möglichkeit, um Empathie mit dem Monster zu evozieren: Man konstruiert eine Biografie, die nahelegt, dass es hier einer aber auch nicht gerade leicht hatte. Texas Chainsaw Massacre: The Beginning (2006) ergänzt die im Remake explizit gewordene Außenseiter-Charakterisierung mit Bildern, die von einem misslungenen Leben erzählen. Leatherface wird im Schlachthaus geboren. Seiner Mutter platzt während ihrer Schicht die Fruchtblase, Blut fließt zwischen ihren Beinen hervor, sie stirbt, und das Baby – die Hautkrankheit ist unübersehbar – wird vom Vorarbeiter in eine Mülltonne geworfen. Dort findet es eine Frau und bringt es zum Haus der Familie Hewitt (im Remake von Nispel und im Prequel heißt die Familie nicht mehr Sawyer), wo es großgezogen wird. Es ging auch hier nicht um eine detaillierte, psychologisch detailreiche Charakterisierung. Das Motiv des Traumas, das das Leben bestimmt und zu Gewalt führt, ist ohne Weiteres abrufbar, auch wenn die Figur mit einer nur skizzenhaften Vorgeschichte versehen wird. Das genügt, um sie zumindest in Momenten zu einem Objekt des Zuschauermitleids zu machen.

Diese Erzählung wurde 2017 in Leatherface: The Source of Evil dann so ausgiebig ausbuchstabiert, dass man, ginge es nach dem Film von Julien Maury und Alexandre Bustillo, dem Menschenschlächter eigentlich gar nichts Böses mehr wollen kann. Der Trick: Man zeigt, wie er so geworden ist, und das heißt, in der Erzählung von The Source of Evil, wie er zu dem gemacht wurde, was er ist. Der Mythos wird hier auf eine klassische Deliquentengeschichte runtergebrochen und verliert auf diesem Weg an Faszination – wie vieles im Horrorgenre, was auserklärt und mit psychologischen Kausalbeziehungen versehen wird (das Unheimlichste an Psycho ist eben nicht die letzte Szene).

Leatherface: The Source of Evil unterscheidet sich von den übrigen Teilen der Reihe schon dadurch, dass er eher wie eine (arg gewollte) Mischung aus Einer flog über das Kuckucksnest, Badlands und Natural Born Killers wirkt. Der junge Jebediah Sawyer (Sam Strike) wird in eine Jugendpsychiatrie verfrachtet, nachdem seine Brüder die Sheriffstochter abgeschlachtet haben. Da gibt es dann das ganze Programm, was einen Menschen, der eh schon ein wenig labil und familiengeschädigt, aber an sich gutartig ist, über die Kante treiben kann: ungerechte Wärter, brutale Mitinsassen, willkürliche Gewalt, Elektroschocktherapie. Es kommt zum Aufstand, vier Insassen, unter anderem Jebediah, fliehen und nehmen eine junge Krankenschwester als Geisel. Jebediah übernimmt auf der Flucht die Rolle der Stimme der Vernunft, und man bekommt diese Figur schlicht nicht zusammen mit dem Leatherface aller anderen Filme.

Es geschehen dann aber eine ganze Reihe Dinge, die auch den robustesten Charakter seelisch destabilisieren würden. Und am Ende greift der unglückliche Junge, der nie eine Chance hatte, im Delirium zur Säge und bringt, angefeuert von der eigenen Mutter und der Restfamilie, die Krankenschwester um („Sex… or the saw?“). Was man ihm zu diesem Zeitpunkt als Zuschauer (als männlicher jedenfalls) kaum noch so wirklich übel nehmen mag. Schließlich hat man ja gesehen, wie er so geworden ist, und die Grenze zwischen Verstehen und Verständnis ist im Kino oftmals poröser als im Leben. Außerdem schaut er so traurig, als er zum ersten Mal die Maske aus Menschenhaut aufgesetzt bekommt. Eigentlich ein in dieser Hinsicht komplett irrwitziger Film, was man beim ersten Sehen aber nicht so recht merkt, weil sich die Geschichte auf küchenpsychologisch so ausgetretenen Fliesen bewegt.

Eine weitere Lesart, die versuchte, dem überhitzten Delirium des ersten Films 1974 eine gesellschaftskritische Bedeutung abzuringen, bestand in dem Versuch, das ganze Geschrei und die Gewalt sozusagen metaphorisch auf zeitgenössisches Kriegsgeschehen zu beziehen. The Texas Chainsaw Massacre wäre dann implizit ein Film über den Vietnamkrieg. Das Sequel hob, wie gesagt, den freudianischen Subtext an die Oberfläche, die Kettensäge als Phallus und so weiter. Das Prequel Texas Chainsaw Massacre: The Beginning wiederum verhalf 2006 der Vietnam-Lesart zur Plausibilität, indem es erzählte, was findige Interpretinnen und Interpreten ein paar Jahre zuvor noch eigenhändig konstruieren mussten. Einer der vier jungen Menschen, die in diesem Film zerhackt werden, ist Kriegsdienstverweigerer, und das Familienoberhaupt Sheriff Hoyt wird von R. Lee Ermey, dem Drill Sergeant aus Full Metal Jacket gespielt.

In der Folterszene des Prequels schließt Ermey an seine Rolle in Stanley Kubricks Film an: Er beschimpft die beiden jungen Männer, demütigt und schlägt sie. Es geht um die Unterwerfung unter die Autorität, in beiden Filmen insistiert die R.-Lee-Ermey-Figur mit Nachdruck darauf, mit „Sir“ angesprochen zu werden. Der Unterschied ist, dass die Gewalt im Chainsaw-Prequel keinen disziplinarischen Charakter hat, sondern allein auf die Zerstörung des Körpers zielt. In Full Metal Jacket verschafft sie sich vor allem verbal Ausdruck. Im Prequel rammt Sheriff Hoyt einem der Jungen ein Messer in den Mund, der andere wird mit einem Polizeiknüppel zusammengeschlagen. Auch in weniger offensichtlichen Momenten stellt The Texas Chainsaw Massacre: The Beginning Verbindungen zum Kriegsfilmgenre her. Zwei Einstellungen gleich zu Beginn spielen motivisch auf Bilder aus Apocalypse Now an. Beide Male liegt ein Mann auf einem Hotelbett unter einem Ventilator, beide Male erhebt sich der Kopf eines Mannes zu einem – spielerischen oder tatsächlichen – Angriff aus dem Wasser.

 

Die Alten hassen die Jungen

Im Originalfilm wurde eine Clique von jungen, freizügigen Leuten abgeschlachtet, nicht direkt Hippies, aber schon in Verbindung mit der Gegenkultur der Sechziger- und Siebzigerjahre. Im Prequel von 2006 ermordet ein im Korea-Krieg zum Kannibalen gewordener Veteran junge Menschen, die nicht in den Krieg ziehen wollen. Dieser Hass der Alten auf die Jungen ist schon im Film von 1974 präsent. Im Prequel ist er manifest, also verbalisiert, und im neuesten Film der Reihe wird er aktualisiert. Der vorige Woche auf Netflix veröffentlichte heißt wieder schlicht wie das Original und ignoriert alle Sequels, Remakes und Prequels. Der Ton ist allerdings ein anderer, die Bilder sind exploitativ und exzessiv in den Gewaltszenen, verbreiten jedoch eine grimmig-heitere Atmosphäre. Der im Übrigen sehr schön gefilmte Texas Chainsaw Massacre von 2022 ist die Funsplatter-Variante des Franchise und in seinen, wenn dieser edle Begriff hier überhaupt noch passt, gesellschaftskritischen Tönen ziemlich rustikal.

Das Alte ist hier einfach das Alte, der liegengebliebene Dreck der Geschichte, der weggeworfen bzw. gentrifiziert zu werden droht. Eine Horde Influencer fällt in eine verlassene texanische Kleinstadt ein, um dort eine Reihe Restaurants hinzustellen. Wie immer in diesen Filmen wird auch hier alles überdeutlich: eine der ersten Aktionen der jungen, schönen Start-up-Meute ist es, eilig eine vergammelte Südstaatenflagge zu entfernen, bevor die Investor:innen anrücken. Das ist dann auch der Beginn der erwartbaren Eskalation, auf deren Höhepunkt Leatherface einen ganzen Bus voll mit Influencern zerlegt, die ihr Ende noch für Insta mitfilmen und ihm vorher noch mit „Try anything and you’re canceled, bro“ drohen. Das ist dann auch der Moment, in dem dieser Film mit Anlauf ins Alberne springt und in einen nicht einmal unplausiblen Karnevalsmodus umschwenkt.

Im Plotkonstrukt der aktuellsten Ausgeburt der Reihe aber wird der mythologische Kern des Ganzen sichtbar wie vorher nur selten: Das Alte, das nicht sterben will, packt die Lebenden mit aller Brachialität und macht sie zu Hackfleisch. Und das Alte ist in den knapp 50 Jahren, die dieser filmische Irrsinn nun schon geht, vieles: der Krieg, Gewalt als Selbstzweck, die Südstaaten, unaufgelöste ödipale Konflikte („The Saw is family“), Traumata, institutionelle und familiäre Zurichtungen, die unhintergehbare Zerbrechlichkeit der Körper, das Leben, das nicht mehr wirklich lebt, aber auch nicht sterben kann. All das ist in inzwischen neun Filmen zu einem durchgehend ambivalenten Schlachtfest zusammengezogen worden, das in seiner Ausdauer, seiner Faszination und seiner Widerwärtigkeit im US-Horrorfilm weitgehend singulär geblieben ist.