The Wolf House (2018)

Eine deutsche Nazi-Sekte in Chile inspirierte dieses finstere Animationsmärchen. Anti-Disney vom Feinsten – bei Mubi

Joaquín Cociña, Cristóbal León, The Wolf House
La Casa Lobo, 2018, Joaquín Cociña, Cristóbal León

The Wolf House (im Original La Casa Lobo) sieht ein wenig so aus, als wäre er aus derselben surrealistischen Höllenschmiede gekrochen wie die Wunderwerke des tschechischen Künstlers Jan Švankmajer. Doch das unheimliche chilenische Stop-Motion-Märchen stammt von den bildenden Künstlern Cristóbal León und Joaquín Cociña.

Das junge Mädchen Maria (von Amalia Kassai geäußert) soll von ihrer faschistischen Gehirnwäschekommune dafür bestraft werden, dass ihr drei Schweine entwischt sind, erfahren wir durch einen Text. Sie kann entkommen und findet Zuflucht in einem alten, leeren Waldhaus, in dem auch zwei Ferkel Schutz gefunden haben. Schutz vor dem vor der Tür lauernden Wolf (gesprochen von Rainer Krause), dessen hungriges Jaulen wir immer wieder hören. Die Schweine werden sich allmählich in Menschenkinder verwandeln, die Maria dann „arisiert“.

So bizarr das klingen mag, die narrativen können den visuellen Details nicht das Wasser reichen. Der ganze Film spielt sich ab wie ein psychedelischer Fiebertraum. Szenen, die scheinbar in einer einzigen Aufnahme gedreht wurden, fließen ineinander, aus- und durcheinander. Puppen aus Pappmaché wechseln die Gestalt, rollen sich zusammen, werden zerstückelt und verbrannt, werden zerschmettert, stürzen ein oder schmelzen dahin.

Vergleiche mit dem visionären Trickmeister Jan Švankmajer sind also naheliegend, aber die beiden Chilenen haben ihre ganz eigene Mischtechnik, borgen ihre Symbolik von englischen Märchen und die makabre Bildsprache unter anderem auch von David Lynch.

Jede der 75 Minuten verschluckt einen beim Betrachten. So ließe sich leicht übersehen, dass The Wolf House die wahre Geschichte der berüchtigten deutschen Nazi-Kolonie „Colonia Dignidad“ erzählt, die in den frühen 1960ern vom deutschen Flüchtling Paul Schäfer in Chile gegründet wurde; einem Pädophilen, der die Kinder in seiner Kommune vergewaltigte, Faschisten Zuflucht schenkte und Pinochets Feinde folterte.

Diese Gräuel werden angedeutet durch die fantastische Symbolik, die der Wolf für uns gesponnen hat. Es ist alles Subtext und dafür umso wirkmächtiger. Traumata, so der Film, hinterlassen Spuren in unseren Körpern. Und so ähnlich hinterlässt auch The Wolf House einen wuchtigen Eindruck, noch lange, nachdem man den Film gesehen hat.

Zu sehen auf Mubi

 

La Casa Lobo
Chile 2018, Regie Joaquín Cociña, Cristóbal León
Drehbuch Alejandra Moffat, Joaquín Cociña, Cristóbal León
Laufzeit 75 Minuten