Sorry to Bother You (2018)

Viele Preise, aber kein Oscar und nie bei uns im Kino: die etwas andere Office Comedy von Boots Riley – bei diversen Streamern

Riley, Stanfield, Sorry to Bother You
Sorry to Bother You, 2018, Boots Riley

Bürokomödien gibt es viele und meist laden sie – von The Hudsucker Proxy über The Office bis Horrible Bosses – zum resignierten Lachen über Lohnarbeit, die eigene Entfremdung und die Absurdität des Bürokosmos ein. Selten wird es ernst, also richtig lustig. Die im deutschsprachigen Raum bislang unbemerkt gebliebene Bürokomödie Sorry to Bother You hebt das Genre auf eine neue Ebene, in dem sie es ablöst vom Sujet der allzu menschlichen Wurstigkeiten und es mit Race-Diskursen und Klassenkampf verbindet. Aus dem kleinbürgerlichen Setting wird ein revolutionäres oder zumindest marxistisch informiertes.

Regisseur Boots Riley ist Aktivist und Rapper, vor allem in den Neunziger- und Nullerjahren mit dem Duo The Coup, das 2012 ein vom Drehbuch zu Sorry to Bother You inspiriertes Album produziert hat. Erst 2018 konnte Riley das Skript verfilmen und hat eine radikal eigenwillige, kommunistische Science-Fiction-Fantasy-Komödie gedreht. Cassius Green (Lakeith Stanfield), ein eher mittelstark ambitionierter Loser mit Mietschulden, fängt in einem Callcenter an. Ein Kollege (Danny Glover) empfiehlt ihm, bei seinen Werbegesprächen mit seiner white voice (gesprochen von David Cross) zu sprechen. Von da an geht der in der ersten halben Stunde noch etwas schwergängige Film mitsamt seinem Helden durch die Decke. Cassius wird zum Powercaller befördert und darf den Kunden von da an Sklavenarbeit andrehen, während seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen für mehr Lohn streiken.

Im Verlauf des Films dreht Riley das Geschehen immer mehr ins Absurde. Am Ende von Sorry to Bother You marodieren Mensch-Pferd-Mischwesen mit Riesenpimmeln durch die Straßen. Nur nimmt man das Ganze, bei aller Komik, nicht als grotesken Jux, sondern als strahlend intelligente Erzählung wahr, über Klassenkampf, Rassismus, amerikanische Geschichte, Sellout-Vorwürfe und nicht zuletzt über Kunst. Sorry to Bother You dringt in Regionen vor, von denen Ricky Gervais und Steve Carrell – bei allem Wissen um das Komikpotenzial kleinbürgerlichen Elends – nicht einmal etwas ahnen. Von Christoph Maria Herbst ganz zu schweigen.

(Boots Rileys neue Serie I’m a Virgo startet gerade ihre Festivaltour; wir bleiben dran.)

 

Sorry to Bother You
USA 2018, Regie und Drehbuch Boots Riley
Mit Lakeith Stanfield, Tessa Thompson, Jermaine Fowler, Omari Hardwick
Laufzeit 105 Minuten