His House (2020)

Herausragendes britisches Doppelhorrordebüt, auf Netflix

His House, 2020, Remi Weekes

Wenn die Monster im Horrorgenre über weiße, mittelständische (korrekter: kleinbürgerliche) Figuren herfallen, wird das zumeist als Einbruch des Schrecklichen in eine (mal mehr, mal weniger krampfhaft aufrecht erhaltene) Normalität erzählt. Dass diese Normalität im weiteren Verlauf dann oft als in sich schon porös erscheint – geschenkt. Das Konstrukt ist: Etwas bricht, von Innen oder von Außen, in eine Welt ein, die ihrem Selbstverständnis nach der bewahrenswerte Normalfall ist. Wenn allerdings die Welt, in der die Figuren leben, selbst eine bereits höllische ist, verändern sich auch Rolle und Funktion des Monströsen. Das Monster fungiert dann als Verdoppelung der Realität der Protagonist:innen. Soweit die Theorie von His House.

Jetzt die Praxis: In Remi Weekes‘ sehr gelungenem Debütfilm entkommen Bol und Rial (Sope Dirisu und Wunmi Mosaku) der Hölle des Südsudan nach Großbritannien. Auf der Flucht übers Meer, so erzählt es der erste Akt, verlieren sie ihre Tochter. Bald geistert etwas durch das abgewrackte Haus, das ihnen von den Behörden zugeteilt wurde. Der Horror in His House ist ein doppelter: In den Tagszenen inszeniert Weekes in beklemmenden Sequenzen, was es heißt, als „Gast, der bleibt“ mit dem Auftrag zur Integration im Nacken einer feindlichen Umgebung ausgesetzt zu sein. Und wie ein Mensch daran psychisch kaputtgehen kann.

In der Nacht findet das destruktive Gemisch aus Angst, Schuld, Trauma und Wut seine fantastischen Bilder: Etwas ist in den Wänden, es entstehen umfassende Risse auf allen Ebenen. Am Ende gibt es so etwas wie einen kathartischen Moment. Den braucht man auch. Einfach, weil die monströse Verdoppelung realen Horrors immer wieder eine andere, ernstere Tonalität ins Genre einspeist als der lustvoll-schreckliche Angriff auf die Normalität.

 

His House
USA/UK 2020, Regie Remi Weekes
Mit Sope Dirisu, Wunmi Mosaku, Matt Smith
Laufzeit 93 Minuten