Old but gold

Streaming-Tipps KW 38

Hacks, Smart, Einbinder
Hacks, 2021–, Lucia Aniello, Paul W. Downs, Jen Statsky

„Hacks“: Endlich kann man Jean Smart auch bei uns sehen (auf RTL+). Unterdessen spielt Jeff Bridges als „The Old Man“ einen Senioren mit besonderen Fähigkeiten (ab 28.09. auf Disney+).

Vor ungefähr drei Jahren gelang Jean Smart in Watchmen Außergewöhnliches. Sie brachte Zärtlichkeit in eine Szene, in der sie einen kolossalen, strahlendblauen Dildo auspackt und sanft in ihren Händen hält. Smart ist seit fast einem halben Jahrhundert im Geschäft. Jetzt, mit 71 Jahren, ist sie eine Doyenne des Prestige-Dramas mit großartigen Nebenrollen – in der oben erwähnten HBO-Serie, in Fargo, Legion oder Mare of Easttown.

Hacks (RTL+) gibt der Schauspielerin endlich die Hauptrolle, die sie verdient. In den USA ist die Comedy-Serie von HBO Max längst ein Hit; es hat zurecht Preise geregnet für Jean Smart. Sie ist eine dieser Schauspielerinnen, die allen Facetten ihrer Figur gerecht werden kann: der unverblümten Komikerin, der verbitterten Primadonna, dem kompromisslosen Arbeitstier, der verwöhnten Millionärin; und der einsamen Frau, die ihr Haus mit Dingen vollstopft, um irgendwie das Loch in ihrem Herzen zu füllen. In einer Szene sieht man, wie sie stolz einen neu erworbenen, antiken Pfefferstreuer in eine Vitrine stellt, und ihr Gesichtsausdruck wechselt so sanft von stillem Stolz zu trauriger Einsamkeit, dass einem die Tränen kommen. Endlich kann man Hacks auch bei uns sehen.

Smart spielt die in die Jahre gekommene Komikerin Deborah Vance, die rekordträchtig viele Shows in Las Vegas auf dem Buckel hat. Sie hat einen Privatjet, checkt regelmäßig in eine Beauty-Klinik ein und lässt sich Fische für ihren Privatteich liefern. Ihre Riesenvilla ist so pingelig und dekadent dekoriert, dass womöglich sogar Liberace sie darum beneidet hätte. Aber ihr Stern ist am Schwinden. Also wird eine Vernunftehe geboren, die im Herzen dieser intelligenten Komödie steckt: mit der arbeitslosen, aufstrebenden Komikerin Ava (gespielt von der echten Comedienne Hannah Einbinder), die Witze für Deborah schreiben soll.

Natürlich hassen sie einander. Ava ist ein Gen-Z-Snob in ihren Zwanzigern und sagt Sachen wie „traditionelle Witzstrukturen sind sehr männlich“. Deborah ist das egal, so lange ein Witz eine gute, alte Pointe hat. Als Reaktion auf die Nachricht, dass Las Vegas eine Straße nach ihr benennt, sagt Deborah nur: „Es wird wahrscheinlich eine Sackgasse mit einer Abtreibungsklinik sein.“

Die Schöpfer von Hacks, Paul W. Downs, Lucia Aniello und Jen Statsky (allesamt Autoren der Serie Broad City), scheinen sich sehr wohl bewusst zu sein, dass Lachen nicht nur etwas ist, mit dem Deborah und Ava ihr Geld verdienen. Manchmal ist es auch das einzige, was einer Frau in einer Männerwelt das Atmen ermöglicht.

Jean Smart und Jeff Bridges möchte man ja wirklich gern einmal zusammen in einem Film oder einer Serie sehen. Doch Bridges gibt derzeit auf einem anderen Streamer (ab 28. September auf Disney+) einen Senioren mit ganz besonderen Fähigkeiten. Als wir ihn zum ersten Mal in The Old Man sehen, ist er genau das: ein alter Mann, dessen Schlaf durch eine schwache Blase, schmerzende Gelenke und die Bedürfnisse einer demenzkranken Frau gestört wird. Am Ende der ersten Folge ist das Gesamtbild etwas vielschichtiger. Er krabbelt aus einem brennenden Auto während seine beiden Rottweiler Dave und Carol seinen Entführer zerfleischen.

Es stellt sich heraus, dass Dan Chase, so sein falscher Name, ein ehemaliger CIA-Agent ist, der während des Kalten Krieges mit der Sowjetunion in schlechte Geschäfte verwickelt war. Dreißig Jahre später ist er auf der Flucht vor dem FBI (in Person von John Lithgow). Die Serie springt zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her. Als junger Spion in Afghanistan, gespielt von Bill Heck, heißt er Jon. In der heutigen Zeit hat er einen Vorrat an Bargeld, eine Menge falscher Identitäten und eine Tochter, die er beschützen muss.

Nun ist das alles natürlich Terrain, das bereits flächendeckend von Kollegen wie Denzel Washington oder Bob Odenkirk und vor allem Liam Neeson abgegrast wurde, aber es lohnt sich, auch dem einstigen „Dude“ dabei zuzusehen. Zum Beispiel wie er in einem Moment damit kämpft, seine Socken anzuziehen, und im nächsten einen Killer ausschaltet, der halb so alt ist wie er. Die ersten beiden von insgesamt sieben Folgen hat Regisseur Jon Watts gedreht, der Macher der neuen Spider Man-Filme; erfreulicherweise ist The Old Man dennoch nicht vollgepackt mit CGI. Im Wesentlichen ist es ein gut besetzter und gut inszenierter Spionagethriller, der existenzielle Fragen eines gut gelebten Lebens berührt.

Jeff Bridges wäre übrigens während der Dreharbeiten fast an einer Kombination aus Krebserkrankung und Covid gestorben. Umso bemerkenswerter ist die actiongeladene Performance des rüstigen Oscar-Preisträgers, der wie der charmante Kauz, den er hier spielt, immer noch gegen das Ausgehen des Lichts wütet.