Star Wars Overkill

Das Universum der Sternensaga dehnt sich stetig aus. Ist das nötig?

Andor, Gilroy
Andor, 2022–, Tony Gilroy

Star Wars in Schwierigkeiten? Mitnichten, aber nur wenige würden sagen, dass die Sternensaga gerade in ihrer Blütezeit steht. Auf den Mandalorian und sein grünes Mündel folgte das eher ungeliebte Spin-off Boba Fett. Obi-Wan Kenobi hinterließ einen gemischten Eindruck. Ron Howards Spin-off-Prequel Solo hat für Geläster gesorgt und war ein Flop an der Abendkassa. Und die jüngsten drei Kinofilme, das Ende der „Skywalker-Saga“, waren keineswegs bei der gesamten Zuschauerschaft und Kritik beliebt. Der Guardian zum Beispiel nannte es ein „galaktisches Chaos“. So weit muss man freilich nicht gehen. Im Gegensatz zu vielen anderen mochte ich die Sequel-Trilogie, nicht zuletzt wegen des starken Ensembles. Und wer hätte gedacht, dass Mark Hamill ein so guter Schauspieler geworden ist!

Zuletzt ist mit Andor ein weiteres Prequel auf Disney+ gestartet. Die Serie von Bourne-Schöpfer Tony Gilroy ist weit weg von dem, was wir vom Franchise gewohnt sind. Im Guten wie im Schlechten fühlt es sich nicht so an, als wären wir im Star Wars-Universum gelandet: Es gibt keine Jedi. Es gibt keine Weltraumschlachten. Es sieht aus wie ein matschbrauner Spionagethriller, der in einer weit entfernten Galaxie spielt. Aber wer Rogue One (2016) gemocht hat, weil es kein „typischer“ Star Wars-Film war, wird wahrscheinlich Andor aus ähnlichen Gründen mögen (weitere Herbstserien kurz vorgestellt).

Wie bei jedem erfolgreichen Franchise wurde die Star Wars-Marke Opfer einer Übersättigung. Und die Zitrone ist noch lange nicht ausgequetscht. Die Jedi-Frau Ahsoka Tano aus dem Mandalorian darf sich auf ihr Solo freuen. Han Solos gutherziger Freund Lando bekommt sein eigenes Spin-off, ja sogar die Droiden bekommen eine von drei neuen Animationsserien. Und das ist nur die Streaming-Ecke des Universums.

Seit The Rise of Skywalker im Jahr 2019 gibt es zwar keinen Starttermin für einen neuen Kinofilm der Sternensaga, aber es steckt einiges in der Pipeline. Wonder Woman-Regisseurin Patty Jenkins darf als erste Frau den Regiesessel für einen Star Wars-Film besetzen, Titel: Rogue Squadron: A Star Wars Story. Taika Waititi arbeitet an einem Projekt. Und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis Marvel-Architekt Kevin Feige einen Star Wars-Film produziert – die ultimative Ehe zwischen zwei Franchises.

Wer will, kann das alles im Detail auf Wookieepedia nachlesen – was mich persönlich allerdings in Erschöpfung versetzt.

Kathleen Kennedy, die für Lucasfilm die Star Wars-Fließbandproduktion überwacht, sagte, dass Star Wars für immer weitergehen könnte. Ich bin ein Fan der Saga, aber das hört sich für mich wie ein konzerngesteuerter Alptraum an. Man muss kein in die Jahre gekommener Millennial sein, um hier die Schwundstufe einer ehemals magischen Erfahrung zu erkennen. In dem Moment, als der Soundteppich von John Williams auf dem Bildschirm erschien, begleitet vom Prolog in gelben Lettern, hatte man ein Kribbeln im Bauch. Es war ein Versprechen: Was folgt, wird episch. Und obwohl die Prequel-Trilogie von George Lucas ziemlich durchwachsen war, zeigten sich die meisten Leute weiterhin von jedem Film begeistert. Wohl nicht zuetzt deshalb, weil man zwischen jedem Film drei Jahre warten musste. Heute kennt sich im Wust zwischen mehreren Star Wars-Filmen, Serien, Sequels, Prequels, Star Wars-Film- und Fernseh-Spin-offs kaum noch wer aus. Alles sofort verfügbar. Noch ein Trailer. Noch ein Cameo. Noch ein Ableger. Als ich mich hinsetzte, um die erste Folge von Obi-Wan Kenobi zu sehen, war von Enthusiasmus keine Rede mehr.

Mit der Geburt von lukrativen Franchises und Merchandising ist die Wartung des Produkts – und viel mehr ist es leider nicht – wichtiger als die Filme selbst geworden. Die Übernahme von Lucasfilm durch Disney im Jahr 2012 bedeutete, dass die Galaxie in den Händen nur eines Imperiums lag. Entscheidungen wurden immer weniger von einer originellen Idee für die Geschichte beeinflusst und immer mehr vom nächsten potenziellen Spin-off, vom nächsten Spielzeug oder vom nächsten Social Media Meme. Das soll nun nicht heißen, dass Disney nichts Neues für das Franchise getan hat. Rian Johnsons The Last Jedi (2017) war ein interessanter Versuch, dem Ganzen eine neue Richtung zu geben. Das gleiche gilt für Rogue One und jetzt Andor. Aber durch das halsbrecherische Tempo, mit dem Disney das alles freisetzt, ist die Sternensaga zu etwas Erstickendem verschmolzen. Es wird nicht mehr lang dauern, bis sich dafür das Wort „Content Dump“ durchgesetzt hat.