Sex, Lügen und gestohlenes Video

„Pam & Tommy“: Respekt und Skandal gehen schwer zusammen.

Pam & Tommy, 2022, Robert Siegel

Für einige sind die Neunzigerjahre immer noch eine glückliche Ära, die uns u.a. die besten Anime-Serien und einige Bravo-Hits bescherte. Aber wie wir in Dokumentarfilmen über Britney Spears und Janet Jackson gesehen haben, findet eine kritische Auseinandersetzung darüber statt, wie Frauen behandelt wurden. Schon vor Pam & Tommy hat dies American Crime Story: Impeachment kürzlich getan. Monica Lewinsky fungierte als Produzentin der dritten Ausgabe der True-Crime-Anthologie-Serie, aber widerwillig und nur im Wissen, dass Ryan Murphy ihre Geschichte rund um den Bill-Clinton-Sexskandal mit oder ohne sie erzählen würde.

Pamela Anderson hat sich dagegen entschieden, sagt Robert Siegel. Die neue Hulu-Miniserie unter seiner Ägide, wie im filmfilter bereits angekündigt, läuft unter der nicht unlustigen Tagline „the greatest love story ever sold“ ab 2. Februar ausgerechnet beim familienfreundlichen Streamer Disney+. Sie zeigt die fröhliche Beschämung des Baywatch-Stars nach der Veröffentlichung des berüchtigten 1995er Sex-Tapes, welches Anderson und den Rockmusiker Tommy Lee in den tiefen Wehen der Leidenschaft zeigt. Die beunruhigende Ironie daran: So sehr Pam & Tommy daran arbeitet, die Geschichte zugunsten von Pamela Anderson neu zu erzählen, wird die bloße Existenz der Serie dazu führen, dass das Video gegen ihren Willen in den Google-Trends nach oben klettert.

Lily James und Sebastian Stan haben sich extremen körperlichen Veränderungen unterzogen, inklusive Brustprothese für sie, um das damals verheiratete Paar darzustellen. Seth Rogen spielt den unglücklichen Handwerker, der das Video aus ihrem Safe gestohlen hat. Comedy-Profi Rogen hat die achtteilige Miniserie auch mitproduziert und bekommt eine romantische Nebenhandlung sowie einen Erlösungsbogen, der sich völlig überflüssig anfühlt. Das Ganze ist dabei ziemlich unterhaltsam und reißerisch inszeniert, zum Teil unter der Regie von Craig Gillespie (I, Tonya): angefangen bei stürmischem Flitterwochen-Sex, über Tommy Lees Unterhaltung mit seinem sprechenden Penis bis hin zu den Anfängen der Internetpornografie. Es hat die Ära des Promi-Sexvideos eingeleitet, aber es markierte auch eine große Veränderung in der Art und Weise, wie die Menschen über Prominente und Privatsphäre dachten. Faszinierendes Zeug, wer will da wegsehen – oder?

Der Blick der Kamera ist auf Pamela Anderson gerichtet, blonde Mähne, braungebrannte Haut, praller Busen im roten Badeanzug. In der Serie will sie mehr als nur eine Barbie-Puppe sein. Beim Treffen mit einer neuen PR-Agentin beschreibt Pamela ihr Idol, die Schauspielerin Jane Fonda: „Als sie anfing, war sie nur dieses Mädchen von nebenan, und dann drehte sie Barbarella und sie wurde zu diesem riesigen Sexsymbol. Und dann fing sie an, all diese ernsthaften Oscar-Rollen zu spielen.“ Wir sehen dann, wie am Set von Baywatch Pamelas Pobacken so arrangiert werden, dass sie die maximale Menge an Haut zeigen. Sie will mehr Dialog, aber die Produzenten schneiden ihre Zeilen aus dem Skript, weil sie wollen, dass sie einfach nur stumm über den Strand läuft. Als das Video in Umlauf gerät, sehen die Menschen in Tommy einen Helden, weil er „Sex mit Pamela Anderson“ hat, während sie von den Medien als „Schlampe“ bezeichnet wird. Ein Anwalt hält Nackt-Bilder aus dem Playboy-Magazin von ihr hoch und fragt, warum sie es überhaupt stört, dass das Video da draußen ist.

Lily James, Sebastian Stan

Pam & Tommy ist am besten, wenn es diese Geschichte über Sexismus, Doppelmoral und die Art, wie wir den Körper und die Sexualität von Frauen sehen, erzählt. Die Stärken der Serie werden aber letztlich durch ihre schlichte Existenz und ihre eigene Doppelmoral untergraben. Sie will respektvoll und skandalös zugleich sein, appelliert an den Voyeur in uns und rügt uns dann dafür, dass wir Voyeure sind.

Egal, wie sehr Showrunner Robert Siegel „versucht hat, es ihr recht zu machen“: Am Ende ist es schwer, Pam & Tommy anzusehen und nicht das Gefühl zu kriegen, dass Pamela Anderson wieder einmal von Hollywood ausgebeutet wird, indem sie noch einmal im roten Badeanzug stillschweigend über den Strand läuft.