Einhörner in Serie

Start-Up-Unicorns werden durch drei neue Serien hollywoodifiziert.

Einhörner: The Dropout mit Amanda Seyfried
The Dropout, 2022–, Elizabeth Meriwether

Als Einhörner bezeichnet man in der Wirtschaftswelt Start-Ups mit einer Marktbewertung von jeweils über einer Milliarde US-Dollar. Durch den Vorspann von WeCrashed (Apple TV+) schlendert ein buchstäbliches Einhorn und macht den Begriff plastisch. Die neue Apple-Serie gehört zu einem Triptychon neuer Geschichten über größenwahnsinnige Unternehmer und eine Unternehmerin mit Messias-Komplexen. Die Amerikaner haben diese Einhörner so stark mit deren Garagen-Erfindungen mythologisiert, dass sie zu den neuen amerikanischen Helden wurden – bis sie von ihrem Podest fielen und nicht selten sogar aus ihren eigenen Firmen geschmissen wurden. Das ist natürlich verführerisches, dramatisches Futter für Hollywood.

In WeCrashed spielen Jared Leto und Anne Hathaway Adam und Rebekah Neumann, die WeWork, ein Start-Up mit einem einstigen Wert von 47 Milliarden US-Dollar, aufgebaut und versenkt haben. In der Serie werden wir Zeugen der 80-Stunden-Arbeitswochenhektik, „Gott sei Dank, es ist Montag“-Partys und Entlassungen vieler gutgläubiger Angestellter. Adam und Rebekah bauen Luftschlösser, aber ihr Bio-Spezialgeschäft für grüne Säfte voller Lügen und Manipulationen bricht schließlich zusammen. Jared Leto nutzt sein berüchtigtes Selbstwertgefühl, um die unerbittlich manische Rolle zu spielen, für die er geboren wurde: ein Rockstar-Jesus, der Katy Perrys „Roar“ als seine eigene persönliche Musik übernimmt, die herausplatzt, sobald er eine Limousine oder einen Korridor betritt. In den Schatten gestellt wird er eigentlich nur von Anne Hathaway, die jene Art von Person spielt, für die das Ziel von WeWork, nämlich „das Bewusstsein der Welt zu erweitern“, tatsächlich etwas anderes als Kauderwelsch ist.

In Hulus The Dropout (ab 20. April bei Disney+) gibt Amanda Seyfried ein gruseliges Rollkragenporträt von Elizabeth Holmes, der Gründerin des Biotech-Unternehmens Theranos. Ihr Start-Up versprach, eine Technologie entwickelt zu haben, die Krankheiten mit einem einzigen Blutstropfen diagnostizieren kann. Theranos zog Vorstandsmitglieder wie den ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger an, Forbes erklärte Holmes zur jüngsten Selfmade-Milliardärin der Welt, aber ihre Erfindung funktionierte nicht. Kürzlich wurde Holmes wegen Betrugs verurteilt. Die Geschichte ist erstaunlich, nicht zuletzt wegen Holmes Selbstinszenierung durch einen affektierten, rauen Bariton, den wir Seyfried im Spiegel üben sehen. Es überrascht nicht, dass bei Apple ein Film in Arbeit ist, der auf John Carreyrous Buch „Bad Blood“ basiert, mit Jennifer Lawrence als Holmes und Adam McKay im Regiesessel.

Und das ist noch nicht alles. Im Februar ist Super Pumped: The Battle for Uber mit Joseph Gordon-Levitt als Travis Kalanick, dem Mitbegründer der Uber-App, auf dem US-Sender Showtime erschienen (ein Starttermin hierzulande ist noch nicht abzusehen).

In der kommenden HBO-Serie Doomsday Machine wiederum spielt Claire Foy die Co-Geschäftsführerin von Meta, Sheryl Sandberg – mehr als ein Jahrzehnt, nachdem David Fincher und Aaron Sorkin sich mit den Ursprüngen von Facebook in ihrem fabelhaften The Social Network auseinandergesetzt haben.

Es sind Geschichten über Ego, Erfindertum und Kapitalismus – selbstverherrlichende Vergleiche mit Steve Jobs inklusive. Und während die messianischen Komplexe, die monströse Selbstbewunderung und die Kollateralschäden, die ihre Arroganz zum Teil angerichtet haben, nicht ausgespart werden, sind es sympathische Porträts dieser Illusionisten, die auch ambivalenten Raum für fehl platzierte Bewunderung lassen, was überladenes Selbstvertrauen alles schaffen kann.

Die Grenze zwischen vermeintlichen Helden wie Adam Neumann und Gaunerinnen wie Anna Delvey – jene Hochstaplerin, die sich ihren Weg in Manhattans High Society gelogen und Investoren hinters Licht geführt hat – ist schmal, und ganze Machtsysteme sind an ihrem Aufstieg beteiligt. Wie drückt es eine Figur in der Netflix-Serie Inventing Anna aus: „Hier geht es um den Schwindel des amerikanischen Traums im 21. Jahrhundert. Den Diebstahl einer Präsidentschaft. Es geht darum, warum die Kultur des Betrugs bleiben wird.“

Von dahin ist es nicht weit bis zum Tinder Swindler.

Wenn man die Serien hintereinander ansieht, erschaffen sie einen gemeinsamen Kosmos, in dem sich Unternehmer- und Gaunertum in einem Porträt des amerikanischen Untergangs treffen. Einhörner passen besser in Märchen als in die Wirklichkeit.