Wir versprechen eine gute Woche, obwohl oder gerade weil der Ernst des (Beziehungs-)Lebens sich mit Eskapismus die Waage hält.
Manchmal ist es ja auch schön, wenn etwas gar kein Ende mehr finden mag. Die Jurassic World-Reihe geht in die dritte (und wohl eher nur vorläufig letzte) Runde, und der Sachverhalt ist seit dem ersten Jurassic Park-Film eigentlich klar und simpel: Über die Leinwand randalierende Dinosaurier sind ein steter Quell der Freude, und wenn, wie hier, Jeff Goldblum wieder mit dabei ist, umso besser. Dazu unsere etwas tiefergehende und teils persönliche Kritik zum Film.
Das war der eskapistische Einstieg, jetzt zurück zum Ernst des Lebens: Mit Sundown hat der mexikanische Regisseur Michel Franco seine eigene Depression zum Ausgangspunkt für einen kompromisslosen Film über eine grundlegende Lebenskrise genommen. Tim Roth und Charlotte Gainsbourg spielen ein Ehepaar, das mitsamt Kindern wegen eines Todesfalls verfrüht aus dem Acapulco-Urlaub nach London zurückkehren muss. Nur dass der Mann spontan am Flughafen zurückbleibt und, wie sich bald herausstellt, auch nicht mehr nachkommt. Sondern sich an den Strand setzt und trinkt und grübelt. Von hier aus schlägt Francos erster Film seit dem auch nicht gerade gutgelaunten New World Order von 2020 einige überraschende Haken. Eine robuste Form von künstlerischer Krisenbewältigung: „Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich überlegt, Antidepressiva zu nehmen“, hat Michel Franco im Interview erzählt: „Ich hatte die Pille schon in der Hand, doch dann habe ich gesagt: Scheiß drauf! Das wird jetzt ein Film!“
Bruno Dumont wiederum, für existenzialistisch aufgeladenes Kino bekannt und hassgeliebt, hat mit seinem neuen Film France eine im Vergleich zu seinem übrigen Werk recht lockere (und durchaus unterhaltsame) Mediensatire gedreht. Lea Seydoux spielt die regulär korrupte Fernsehjournalistin France de Meurs, die für ein spektakuläres Bild die Wirklichkeit skrupellos manipuliert. Dagegen setzt Dumont die Wirklichkeit der Körper und des Schmerzes: Nach einem von ihr verursachten Unfall ist France nicht mehr rundum funktionsfähig und produziert Aussetzer, fängt mitten während der Aufzeichnung an zu weinen. Und Dumont hat sich nach seinen zwei Jeanne-d‘-Arc-Musicals ein weiteres Mal neu erfunden.
Der Regisseur Hosoda Mamoru hat vor zehn Jahren einen der schönsten Animes der Filmgeschichte gemacht, Ame & Yuki. Der Trailer zu seinem neuen Film Belle deutet auf den in dieser Woche filmästhetisch avanciertesten Film hin und sieht auch sonst in jeder Hinsicht wie ein Versprechen aus. Eine bildgewaltige Version des Die-Schöne-und-das-Biest-Motivs, das in eine stimmige Teenage-Metaverse-Konstruktion eingebettet ist. (filmfilter-Autorin Alexandra Seitz hat übrigens hier über Hosodas grenzgängerisches Schaffen geschrieben.)
Vom letzten Lebensdrittel hingegen handelt Wendla Nölles Spielfilmdebüt Ein großes Versprechen, das zu den seltenen Filmen gehört, in denen ein seit Jahrzehnten verheiratetes Paar im Mittelpunkt steht (ein tolles Beispiel ist 45 Years von Andrew Haigh). Juditha (Dagmar Manzel) und Erik (Rolf Lassgård) führen eine glückliche Ehe. Mit der Pensionierung Eriks sortiert sich das Leben noch einmal neu. Juditha hat Multiple Sklerose, und Erik bekommt angesichts der zunehmenden Enge zu Hause immer wieder Fluchtimpulse. Es entsteht eine destruktive Dynamik, und Ein großes Versprechen legt Wert darauf, sich nicht auf eine Seite zu stellen. Der Rezensent vom Filmdienst sah ein „eindringliches kammerspielartiges Seniorendrama ohne einseitige Parteinahme und mit viel Fingerspitzengefühl in der Ausmalung der seelischen Nöte“.
Daran, wie lustig die Ehe auch sein kann, erinnert einen Michael Kreihsls Risiken und Nebenwirkungen, der im Wesentlichen von der Idee zehrt, dass sie (Inka Friedrich) eine neue Niere braucht und er (Samuel Finzi) keine spenden will. Das läuft in der Konsequenz dann schnurstracks auf Boulevardtheater im Leinwandformat hinaus. Was ja nichts per se Schlechtes sein muss.
Zum Schluss noch was Lautes, Erleichterndes: Total Thrash – The Teutonic Story dokumentiert die Entstehung des Thrash Metal in Deutschland und hier vor allem im Ruhrgebiet. Die inzwischen auf Youtube zu findende ARD-Doku Thrash, Altenessen ist zwar in alle Ewigkeit unschlagbar. Aber Regisseur Daniel Hofmann hat mit den bekannten Verdächtigen im Gepäck (Kreator, Sodom, Destruction, Tankard) ein stimmungsvolles Ruhrpott-Porträt geschaffen, das Spaß macht und schön Krach schlägt.