Schmerzensmänner

Neu im Kino KW 9

The Batman, 2022, Matt Reeves

Zwei oft erzählte Geschichten („Batman“, „Cyrano“), ein weiterer Paul-Schrader-Schmerzensmann auf der Suche nach Erlösung, eine einst irritierende Kino-„Premiere“ von Claire Denis und zwei absolute Mafiaklassiker.

Es scheint immer tiefer bergab zu gehen für den neben Superman sicherlich stilbildendsten Comic-Helden. Christopher Nolan machte es in Anlehnung an die Comics von Frank Miller vor: Sein Batman war, anders als der weltgewandte, nur etwas sonderbare Bruce Wayne in den Filmen von Tim Burton und Joel Schumacher, ein Schmerzensmann. Auch der Batman aus Zack Snyders Justice League-Trilogie wusste, dass das Leben als Batman eins der schwersten und die Welt ein verrohter, bösartiger Ort ist. In der neuen Wiederauflage des endlos währenden Franchise, The Batman (Regie: Matt Reeves), schlurft Robert Pattinson mit verschmiertem Kajal unter den Augen durch den Regen von Gotham City und scheint vor allem von Rachedurst zerfressen zu sein. In den drei Stunden, die auch dieser Film wieder dauert, kippt die Saga ins Thrillergenre, es geht tatsächlich darum, eine dunkle Vergangenheit detektivisch aufzuklären. Und da dieses Mal wieder der Riddler (Paul Dano) als Villain auf die Piste geschickt wurde, gibt es viele Rätsel zu lösen, weswegen dieser Film, gemeinsam mit der depressiven urbanen Szenerie, immer wieder an David Finchers 7even erinnert. Nicht die schlechteste Referenz.

Eine weitere sehr oft erzählte Geschichte, zum Beispiel 1990 mit Gerard Depardieu in der Titelrolle: CyranoDiesmal gibt Peter Dinklage den unglücklich Verliebten, der ein großes Herz, literarisches Talent und einen schnellen Degen hat – nur ist er eben kleinwüchsig und kommt deswegen als Ehegatte für Roxanne (Haley Bennett), meint er, nicht in Frage. Joe Wright hat mit Abbitte und Die dunkelste Stunde farbensatte Geschichtsfilme produziert, Schinken hätte man früher gesagt, technisch perfekt und mitreißend inszeniert. Auch Cyrano schöpft aus dem Vollen: Es ist ein prächtiges Musical, mit der melancholischen Musik der Band The National, die auch in diesem Zusammenhang erstaunlich gut funktioniert. Wenn man in dieser Kinowoche einmal wirklich alles um sich rum vergessen möchte – Gründe gibt es gerade ja genug –, dann geht das wohl am besten mit diesem Film.

Paul Schrader arbeitet derweil weiter an seiner Großerzählung des einsamen, zerquälten Mannes. In The Card Counter sind es Schuld und Rachelust, die William Tell (Oscar Isaac) beuteln. Nach den Folterungen im Abu-Ghraib-Gefängnis musste Tell als beteiligter Soldat in den Knast, sein Vater brachte sich um. Jetzt sucht er die Erlösung, wie eigentlich alle Männer in den Drehbüchern und Regiearbeiten Schraders. Und die soll die Ermordung eines Offiziers (Willem Dafoe) bringen, der damals involviert war und straffrei geblieben ist. Das wird aller Voraussicht nach alles natürlich wieder einmal nicht funktionieren. Schließlich ist Paul Schrader der vielleicht letzte große Film-Noir-Regisseur.

Noch ein paar Stufen düsterer ist Claire Denis’ Trouble Every Day, der 2001 in Cannes Premiere feierte und jetzt zum ersten Mal in deutschen Kinos läuft. Die Restaurierung hat Denis’ damalige Kamerafrau Agnès Godard gemacht, die Regisseurin soll damit sehr zufrieden sein.

Trouble Every Day, 2001, Claire Denis

Auf den ersten Blick ist Trouble Every Day eine Vampirgeschichte. Vincent Gallo schleicht bleich durch die Szenerie, Béatrice Dalle lockt ahnungslose Jünglinge in ihre Wohnung. Beide haben sich bei einem Experiment infiziert, das unnatürlichen Blutdurst geweckt hat. Allerdings ist der Vampirismus hier ein Kannibalismus und also kein aristokratisches Blutsaufen, sondern ein ziemliches Geschlachte, das nicht einmal in den gängigen Konventionen des Splatterfilms inszeniert wurde. Trouble Every Day nimmt das Horrorgenre nur als Folie. Die drastischen Körperszenen sind hier nahezu abstrakt gefilmt. In diversen längeren Sequenzen füllt die Haut die ganze Leinwand und man sieht die Poren. Dass bei der Premiere in Cannes zahlreiche Zuschauer:innen rausgelaufen sein sollen, liegt wohl auch daran, dass der Körperhorror sich gängigen Konventionen komplett verschließt und dementsprechend irritierend wirkt. Zumal die von Denis und Godard geschaffenen Bilder, auch die schrecklichsten, nicht ohne Schönheit sind.

Noch eine Wiederaufführung, nämlich zweier der objektiv besten Filme der Welt, Der Pate und Der Pate II. Was soll man noch dazu sagen? Vielleicht das: Wer sich auch nur peripher für das Kino als Kunstform interessiert, muss die ersten beiden Teile von Coppolas Godfather-Trilogie mindestens einmal gesehen haben (am dritten Teil scheiden sich dann die Geister). Die seltene Möglichkeit, die Saga einmal (oder noch einmal) auf großer Leinwand zu erleben, sollte man sich nicht entgehen lassen.