Agenten-Gewummse, mal königlich machoid, mal feministisch. Ein tolles Horrordrama, ein Albtraum und die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Kinowoche im Überblick.
Das Kinojahr beginnt im klassischen, angesichts der aktuellen Superhelden-Dominanz geradezu nostalgisch stimmenden Blockbusterformat. Die ersten beiden Kingsman-Filme waren clevere No-Brainer, in denen fast jede Einstellung und Schnittfolge auf Spektakel und Übertreibung zielte. Und auf comic-hafte Gewalt, wie schon im ebenfalls von Regisseur Matthew Vaughn fabrizierten Kick-Ass. Im Prequel The King‘s Man übernimmt Ralph Fiennes die Rolle des distinguierten Gentleman von Colin Firth, der im dritten Teil der Serie leider nicht mehr dabei ist. Ginge auch nicht, der Film erzählt die Gründung der titelgebenden Geheimagentenorganisation zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Endgegner ist Rasputin, gespielt von Rhys Ifans. Und auch sonst kurvt der Plot von The King‘s Man von jedem Bedenken unberührt durch die Geschichte Europas.
Noch ein forciert cooles Agenten-Geballer, diesmal in der inzwischen fest im Genre verankerten postfeministischen Variante – und vergleichsweise erwachsen anmutend: The 355 ist das Regiedebüt des Drehbuchautors und Produzenten Simon Kinberg, der in den vergangenen Jahren maßgebliche Teile des Treibens im Actiongenre mitzuverantworten hat (Deadpool, diverse X-Men-Filme, Sherlock Holmes). Eine amerikanische Agentin (Jessica Chastain) macht, was amerikanische Agent:innen so machen und versucht den 3. Weltkrieg zu verhindern. Und zwar mit einem internationalen Team, gespielt von Diane Kruger, Lupita Nyong’o, Penélope Cruz und Fan Bingbing. Kann man sich schlecht mit langweilen, aber erinnern kann man sich drei Tage nach dem Dreiköniginnentreffen dann wahrscheinlich auch an nix mehr.
Todernst und schwer hingegen (aber von leisem, schwarzen Humor durchzogen) ist das Horrordrama Lamb. Ein in der Trauer um das verlorene Kind gefangenes Paar lebt in der Einöde Islands und züchtet Schafe. Dann ergibt sich doch noch, sehr überraschend, die Möglichkeit, die Wunde zu schließen und die Trauer zu überwinden. Allerdings nur verbunden mit einer Versündigung an der Natur. Und das kann, zumindest in Filmen, die mit dem Horrorgenre wenigstens verwandt sind, am Ende nicht gutgehen. Lamb hat auf diversen Filmfestivals abgeräumt (u.a. in Cannes) und ist schon jetzt einer der Überraschungen des Jahres. Ein dunkelschöner Film, dem man wünscht, dass er nicht nach zwei Wochen wieder ungesehen aus den Kinos verschwindet. Hier unsere Kritik.
Ähnlich düster, wenn auch atmosphärisch ganz anders gelagert, ist Bad Tales – Es war einmal ein Traum, der zweite der Film von Damiano D’Innocenzo und seinem Bruder Fabio D’Innocenzo. Das Debüt Boys Cry war ein fiebriger kleiner Gangsterfilm, der Zuschauer:in unangenehm nah an seine Figuren heranzog. Auch in Bad Tales / Favolacce klebt die Kamera oft nahezu an den Gesichtern. Die D’Innocenzo-Brüder zerlegen hier fachgerecht eine Vorstadtidylle, mit einer an Ulrich Seidl und David Lynch geschulten Gründlichkeit und nicht ohne spürbare (und vielleicht gesunde) Wut aufs eigene Sujet.
Die Kinovorschau endet in dieser Woche mit der Hoffnung, dass die Kinos nicht schon bald wieder eingeschränkt oder zugesperrt werden müssen und mit dem norwegischen, autobiografisch angehauchten Drama Hope von Regisseurin Maria Sødahl. Darin erzählt sie von einem Künstlerpaar, das mit sechs Kindern in einer auseinander driftenden Patchworkfamilie lebt – bis bei der Frau ein Gehirntumor festgestellt wird. Was nach Krebskitsch klingt, entwickelt sich hier zu einer einfühlsamen Diagnose zwischenmenschlicher Dynamiken, Konflikte und Hilflosigkeiten. Andrea Bræin Hovig und Stellan Skarsgård überzeugen in den Hauptrollen, Hope ist der norwegische Oscar-Kandidat für den besten internationalen Film.