Die besten Filme der Woche

Neu im Kino KW 26 (AT)

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Competencia oficial, 2021, Mariano Cohn, Gastón Duprat

Wir lassen die Minions Minions sein und widmen uns einem Sonnenuntergang, einer französischen TV-Journalistin, dem besten Film und der besten Prinzessin aller Zeiten. Die österreichischen Kinostarts der Woche, ausgesucht von Alexandra Seitz und Benjamin Moldenhauer.

Ein schwerreicher, alter, weißer Mann will etwas Bedeutendes hinterlassen und gibt einen Film in Auftrag, der selbstverständlich ein Meisterwerk werden soll. Er kauft die Rechte an einem Bestseller über einen Bruderzwist, heuert eine in Arthouse-Kreisen angesagte Regisseurin an, die wiederum für die Hauptrollen zwei veritable Legenden an Bord holt, die einander konträre Schauspielschulen repräsentieren. Sodann werden neun Tage Proben angesetzt, die keine:r der Beteiligten unbeschadet übersteht.

Es ist die Geschichte eines Eitelkeitsprojektes, die das argentinische Autoren- und Regieduo Gastón Duprat und Mariano Cohn in Der beste Film aller Zeiten erzählt; es ist aber auch, und das drückt der Originaltitel Competencia oficial aus, die Geschichte einer Konkurrenz: zunächst zwischen den beiden Schauspielern, dann zwischen den Schauspielern und ihrer Regisseurin sowie schließlich zwischen der Regisseurin und ihrem Produzenten. Und ganz gleich, ob sich die Rivalität entlang von „Hollywood versus Theater“ oder „Mann versus Frau“ oder „Kunst versus Kommerz“ organisiert, zugrunde liegt immer die Frage, wer eigentlich das Sagen und die Deutungshoheit, sprich: den Längsten hat.

Der beste Film aller Zeiten, oder zumindest der Woche: Mit beeindruckender Sorgfalt und einiger analytischer Schärfe entwerfen Duprat und Cohn eine abstrakte Versuchsanordnung einerseits, einen Hochofen der Emotionen andererseits. Angesiedelt zudem in einem kühlen Gebäude aus Stahl, Glas, Beton und Holz. Es liefert einen Rahmen von hohem formalen Reiz, perfekt geeignet für diesen Blick in die mitunter doch recht grausame Mechanik künstlerischer Prozesse.

Kaum zu glauben, aber wahr: The Princess von Ed Perkins ist der erste Kinodokumentarfilm über die berühmte, unendlich viele Male und schließlich zu Tode fotografierte Lady Diana, Princess of Wales. Die war doch gerade erst in Gestalt von Kristen Stewart in den Lichtspielhäusern unterwegs, werden Sie nun womöglich etwas ermüdet einwenden – und sollten sich dann lieber gleich mal wappnen, jährt sich doch am 31. August diesen Jahres der Todestag der Ikone zum 25. Mal und ist demnach wohl noch so einiges mehr an medialem pomp and circumstance zu erwarten. Wobei genau das auch der Clou an The Princess ist. Anstatt sich nämlich in wohlfeilen Spekulationen über das Innenleben einer im Grunde völlig unbekannten Person zu ergehen, bleibt Perkins an der Oberfläche der seinerzeitigen Berichterstattung, montiert ausschließlich zeitgenössisches Archivmaterial, verzichtet auf Interviews und Off-Kommentar (er selbst gab IndieWire ein Video-Interview). Auf diese Weise zeichnet er den geradezu aberwitzigen Zirkus mit den Stationen Verlobung – Hochzeit – Krisen – Skandale – Scheidung – Tod und Massenhysterie recht nüchtern nach. Und mit der Zeit wird so auch etwas mehr sichtbar als die Mär vom Märchen, das zum Albtraum wurde; beispielsweise dass sich alle miteinander permanent gegenseitig zum Handlanger ihrer keineswegs immer so edelmütigen Interessen gemacht haben; oder dass es hinter der Medienmeute eine Öffentlichkeit gab, die diese antrieb; und freilich nicht zuletzt, dass es da halt mal wieder eine junge Frau erwischt hat. Sie hat das Ausmaß dessen, worauf sie sich eingelassen hat, einfach zu spät erst überblickt. Einfach zu spät.

(Über die folgenden zwei Filme schrieb Kollege Moldenhauer zum deutschen Kinostart:) Mit Sundown hat der mexikanische Regisseur Michel Franco seine eigene Depression zum Ausgangspunkt für einen kompromisslosen Film über eine grundlegende Lebenskrise genommen. Tim Roth und Charlotte Gainsbourg spielen ein Ehepaar, das mitsamt Kindern wegen eines Todesfalls verfrüht aus dem Acapulco-Urlaub nach London zurückkehren muss. Nur dass der Mann spontan am Flughafen zurückbleibt und, wie sich bald herausstellt, auch nicht mehr nachkommt. Sondern sich an den Strand setzt und trinkt und grübelt. Von hier aus schlägt Francos erster Film seit dem auch nicht gerade gutgelaunten New World Order von 2020 einige überraschende Haken. Eine robuste Form von künstlerischer Krisenbewältigung: „Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich überlegt, Antidepressiva zu nehmen“, hat Michel Franco im Interview erzählt: „Ich hatte die Pille schon in der Hand, doch dann habe ich gesagt: Scheiß drauf! Das wird jetzt ein Film!“

Bruno Dumont wiederum, für existenzialistisch aufgeladenes Kino bekannt und hassgeliebt, hat mit seinem neuen Film France eine im Vergleich zu seinem übrigen Werk recht lockere (und durchaus unterhaltsame) Mediensatire gedreht. Lea Seydoux spielt die regulär korrupte Fernsehjournalistin France de Meurs, die für ein spektakuläres Bild die Wirklichkeit skrupellos manipuliert. Dagegen setzt Dumont die Wirklichkeit der Körper und des Schmerzes: Nach einem von ihr verursachten Unfall ist France nicht mehr rundum funktionsfähig und produziert Aussetzer, fängt mitten während der Aufzeichnung an zu weinen. Und Dumont hat sich nach seinen zwei Jeanne-d‘-Arc-Musicals ein weiteres Mal neu erfunden.