Der schlimmste Mensch der Welt, ein Bastard im Kopf, 10.000 Nächte im Dschungel und ein Verbrechen nach Maß: klingt alles arg, ist aber eine Top-Auswahl an Kinostarts der Woche in DE.
Soweit das Auge reicht, von Joachim Triers Der schlimmste Mensch der Welt (Verdens verste Menneske) sind alle schwer begeistert. Warum?
Die Geschichte geht so: Julie, immerhin schon fast dreißig Jahre alt, versucht, endlich erwachsen zu werden und in ihrem Leben Fuß zu fassen. Sie braucht also einen Plan, in der Liebe wie im Beruf, und dergleichen ist bekanntermaßen schwierig. Also nicht das Pläneschmieden, sondern das Pläne-in-die-Tat-Umsetzen, auch das Daran-Festhalten gestaltet sich nicht immer einfach. Weil, immer pfuscht irgendetwas oder irgendjemand dazwischen, sei es das Schicksal oder Gott oder im Zweifelsfalle man selbst. Das ist hier nicht anders: Julie verliebt sich in Aksel und dann verliebt sie sich in Eivind – und dann steht sie wieder alleine da. Währenddessen versucht sie sich als Buchhändlerin, Kolumnenautorin, Fotografin. Das Glück schaut immer mal kurz vorbei, kann sich aber nicht zur Dauer entschließen – und so stellt sich eben die Frage nach den Fehlern und wo sie zu suchen sind.
Ja, das sehen Sie durchaus richtig, vom Thema her gesehen ist das ein alter Hut; von der schwungvollen und geradezu anti-pathetischen Umsetzung zeigt man sich nun aber gerade allgemein sehr angetan (und auch unser Rezensent). Es lässt sich also festhalten: Hier liegt ein klassischer Arthouse-Crowdpleaser vor, der auf bittersüße Weise von den Dingen des Lebens handelt und mit dem sich bestimmt ein Haufen Geld verdienen lässt.
Eher weniger hingegen, so steht zu vermuten, mit dem nächsten Film, dabei geht es da noch etwas ernsthafter, weil dokumentarisch ums Existenzielle:
Es ist bereits einige Jahre her, da wurde im Gehirn Sobo Swobodniks ein Aneurysma entdeckt, das eigentlich sofort hätte operiert werden müssen. Größe, Form und Lage des Übels erschwerten dann aber nicht nur die Bestimmung der Methode, klar war noch nicht einmal, ob eine Operation überhaupt möglich war. Dergleichen würde wohl jedem Menschen schwer zu denken geben und so manchen in eine tiefe Krise stürzen. Swobodnik aber hat das Glück, Filmemacher zu sein, und also dreht er einen Film, der ihm hilft, zwei Monate Lebensgefahr zu überstehen. Und der nunmehr uns, in Gestalt des experimentellen Dokumentarfilm-Essays Bastard in Mind, die Möglichkeit bietet, universelle Themen wie Schicksalsschlag, Angst, Endlichkeit und Tod anhand einer persönlichen Geschichte zu konfrontieren. Ein bisschen aus der Distanz also, aber doch ziemlich nah dran.
Aus weiter Ferne dringt indessen die Kunde von Onoda Hiro (1922-2014) an unser Ohr. Den Mann gab es wirklich; er war der womöglich berühmteste Holdout, wie jene Soldaten der kaiserlichen japanischen Armee genannt werden, die nach der Kapitulation im September 1945 den Kampf auf irgendeine Weise fortsetzten; im Falle von Onoda bis zum März 1974 auf der philippinischen Insel Lubang. Dann erschien Onodas ehemaliger Kommandeur, längst schon im Ruhestand, und entband den gleichermaßen längst schon obsolet gewordenen Soldaten seines Auftrags. Was aber trieb Onoda eigentlich an? Kadavergehorsam? Angst? Wahnsinn? Stolz? Realitätsverweigerung? Paranoia?
Entlang von Onodas kurz nach seiner Rückkehr verfasstem Erlebnisbericht versucht sich der französische Regisseur Arthur Harari mit Onoda – 10.000 Nächte im Dschungel an einer Antwort; und er lässt sich dabei sehr viel Zeit. Fast drei Stunden lang schildert er getreulich, was Onoda und die kleine Einheit, mit der er sich in den Dschungel rettete, über die Jahrzehnte so getrieben haben. Das mag mitunter etwas langatmig, weil scheinbar wenig zielführend wirken, jedoch: Je länger sie sucht und sammelt, desto mehr unterschiedliche Motive trägt die Narration zusammen. Und auch wenn man am Ende immer noch nicht so richtig verstanden haben mag, wieso Onoda sich nicht befreien konnte, so hat man doch immerhin begriffen, in wie vielen Fallen er steckte.
Von Fallstricken und -türen, Heimtücken und Hinterhalten wimmelt es nur so im folgend und abschließend vorgestellten Werk.
Wir schreiben das Jahr 1956, leise rieselt der Schnee in einer abgelegenen Gasse irgendwo in Chicago, in der Maßschneider Leonard Burling, ein Meister seines Fachs, sein kleines Atelier betreibt. Einst hat es ihn aus England hierher verschlagen, wir wissen nicht, warum. Burling ist ein ruhiger, zurückhaltender, freundlicher Mann, der weiß, wann er still zu sein und still zu halten hat. Denn in seinem Laden geht die Mafia ein und aus, sie hat einen Briefkasten in einem der Hinterzimmer hängen. Als aus demselben dann eines Tags – oder war es Nachts? in jedem Falle war es unvermeidlich – verdächtige und unerfreuliche Nachrichten dringen, ist es mit der Ruhe des tapferen Schneiderleins ein für alle Mal vorbei.
Man könnte meinen, es würde sich bei The Outfit – Verbrechen nach Maß – dem Regiedebüt von Graham Moore, der 2014 für sein Drehbuch zu The Imitation Game mit dem Oscar ausgezeichnet wurde – um die Adaption eines Bühnenstücks handeln, derart konsequent hält der Film sich an die klassischen drei Einheiten von Ort, Zeit und Handlung. Eine schöne Abwechslung, die die Aufmerksamkeit der Narration und Inszenierung zuwendet. In der Tat kommt die Anmutung des Kammerspiels Verbrechen nach Maß dem renommierten Bühnenschauspieler Mark Rylance, gefeierter Shakespeare-Mime, für jeden Film eine darstellerische Bereicherung und hier in der Rolle des Schneiders wirkend, sehr entgegen. Und natürlich ist von Beginn an klar, dass dieser Mann, der scheinbar keiner Fliege etwas zuleide tun kann, es faustdick hinter den Ohren hat.
So kommt es dann auch, und zwar in Gestalt derart vieler überraschender Wendungen, dass man sich glatt im Kino der Fünfziger wähnt – Film noir, Verbrechen nach Maß, Sie wissen schon. Wir schreiben also das Jahr 1956 und leise rieselt der Schnee … doch von Besinnlichkeit kann keine Rede sein.