Bodies, Bros, Gold, Wald

Neu im Kino KW 43 (AT)

Reijn, Bodies Bodies Bodies
Bodies Bodies Bodies, 2022, Halina Reijn (Credit: Erik Chakeen)

Bodies, Brüder, Biopic: Nach der Viennale ist vor einem vollen Kino-November. In unserer dieswöchigen Auswahl gibt es den neuen Fatih Akin, ein spannendes Debüt, eine LGBTQ-Romcom und u.a. Charles Eismayer.

Los geht es mit Fatih Akins erstem Film seit der sehr bösen Heinz-Strunk-Verfilmung Der goldene Handschuh. Wieder eine Crime-Geschichte, dieses Mal aber nicht aus dem Bermuda-Dreieck von Schmiersuff, Degeneration und Lustmord, sondern mehr so glamourös. Akin hat mit Rheingold die Autobiografie „Alles oder Nix“ des Rappers Xatar verfilmt, einer der wenigen deutschen Gangsta-Rapper, der tatsächlich eine Gangster-Vergangenheit (Raubüberfall, fünf Jahre Knast) vorweisen kann. Akins Kino ist nie mehr an die rohe Lebendigkeit seines besten Films Gegen die Wand herangekommen, auch im Goldenen Handschuh nicht. Rheingold erzählt die Herkunftsgeschichte Xatars (Flucht aus Iran, harte Schule der Straße in Bonn) im ersten Teil, und im zweiten dann die Gangsta-Story. Der Film endet aber sehr deutsch mit Wagner und ist auch sonst vergleichsweise wohltemperiert.

Von Wagner ist es bis zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte gar nicht so weit. Schweigend steht der Wald, das Regiedebüt der Schauspielerin Saralisa Volm, erzählt von der Vergangenheit, die nicht vergehen will, mit nicht unbedingt neuen oder originellen Mitteln, aber doch emotional durchschlagend (unsere Kritik zum Film folgt).

Und damit in die Halloween-Sektion. Bodies Bodies Bodies beginnt wie viele geschätzte Slasher – junge Menschen, eine etwas abgelegene Party, dann liegt der erste mit durchgeschnittener Kehle auf der Veranda. Das Drehbuch legt den Schwerpunkt aber auf den Whodunit-Aspekt, was dem ganzen Treiben bei aller Aufgekratztheit automatisch etwas Klassisches verleiht. Zugleich aber auch frisch wirkt. Die Drehbuchautorinnen Kristen Roupenian und Sarah DeLappe haben hier ihr erstes Skript verfilmt bekommen, nämlich von der Niederländerin Halina Reijn; die erfahrene Schauspielerin legt damit ihren zweiten Spielfilm vor, es sieht vielversprechend aus.

So richtig grimmig ist der spanische Mobbing-and-Revenge-Thriller Piggy, in dem ein dickes Mädchen nach langen Jahren der Demütigung vor die Entscheidung gestellt wird, ob sie ihre Peinigerinnen draufgehen lassen soll oder nicht. Düster, bedrückend und von schwarzer Komik beseelt. Könnte einer der Horrorfilme (im weitesten Sinne) sein, die auch in fünf Jahren nicht vergessen sein werden.

Lebensbejahender geht es in der Romantic Comedy Bros zu, einem Film, der als erste Hollywood-Produktion gilt, deren Cast bis in nahezu alle Nebenrollen aus Mitgliedern der LGBTQ-Community besteht (u.a. der wie immer hochkomische Jim Rash). Der Film macht Spaß und sich in einer Weise über die eigene Szene lustig, die von tiefer Verbundenheit zeugt. Außerdem beweist er, dass die komische Romantik der Comedy-Schule von Judd Apatow, der hier auch produziert hat, ohne Weiteres jenseits des gängigen Hetero-Elends funktioniert (zu moralischen Rezeptionsfragen bitte hier lang).

Außerdem: Eismayer!! Der junge Kinospielfilmdebütant David Wagner hat einen beeindruckenden Erstling hingelegt, der die auch medial bekannt gewordene Geschichte vom Bundesheer-Ausbildner, der einen Rekruten ehelicht, dramatisiert. Was sich wie eine Schmonzette von der Entgiftung toxischer Panzermännlichkeit lesen mag, erscheint hier als wohlrecherchierte, erstaunlich trittsichere Annäherung an eine heikle Problemlage, die auch vor großer Emotionalität nicht zurückschreckt. Mit Gerhard Liebmann als zotig-sensibler Charles Eismayer und Neuentdeckung Luca Dimic. David Wagner war auch Gast in unserem Podcast. (rs)