Gay Movie für Heteros

Gibt es eine moralische Pflicht ins Kino zu gehen?

Eichner, Macfarlane: Bros
Bros, 2022, Nicholas Stoller

„Bros“: Die erste schwule Hollywood-Rom-Com ist in den USA gefloppt. Sind die Amerikaner nicht bereit dafür?

Seit Jahren schleichen Hollywoods Studios auf Zehenspitzen um die Idee einer schwulen romantischen Mainstream-Komödie herum. Jetzt gibt es endlich eine – aber der Film hat an den US-Kinokassen einen Bauchfleck hingelegt. Schöpfer Billy Eichner gab „bigotten“ Amerikanern die Schuld. Aber ist das so einfach?

Bros, so der Titel, sollte ein „Game-Changer“ sein. Es wurde als die „erste schwule Hollywood-Romcom in der Filmgeschichte“ beworben, das Drehbuch stammt von einem schwulen Mann, Billy Eichner, der auch die Hauptrolle spielt, und alle Schauspieler:innen sind LGBTQ. Angeblich einschließlich der Mitwirkenden, die Heterosexuelle spielen, außer Debra Messing aus der Serie Will & Grace (ob das eine Information ist, die jemand braucht, um in einen Film zu gehen, muss jede:r für sich selbst entscheiden).

Als „schwuler Film für Heteros“ vermarktet, hat sich bald herausgestellt, dass die Comedy von Universal weder Schwule noch Heteros sehen wollen. Die Autopsie von Variety lässt sich hier nachlesen. An seinem ersten Wochenende hat Bros in den USA nur 4,8 Millionen US-Dollar eingespielt – etwa 40 Prozent weniger als erwartet. Und das trotz einer ziemlich aggressiven Werbekampagne und trotz Judd Apatow-Gütesiegel (dem Mann hinter Hits wie Bridesmaids und The-40-Year-Old-Virgin).

Bros, Macfarlane, Eichner
Luke Macfarlane, Billy Eichner

Billy Eichner war frustriert. Verständlich. Niemand will, dass der eigene Film floppt. Also twitterte der Schauspieler: „Heteros, besonders in bestimmten Teilen des Landes, sind einfach nicht für Bros aufgetaucht.“ Gefolgt von: „Jeder, der KEIN homophober Verrückter ist, sollte sich heute Abend Bros ansehen.“

Seine Tweets (inzwischen gelöscht) kamen verständlicherweise nicht so gut an bei den Leuten und lösten Diskussionen aus. „Eichners Tweets fühlten sich eher wie ein erhobener Zeigefinger an, gefolgt von einer moralistischen Konfrontation, und nicht wie eine Einladung“, schrieb der Hollywood Reporter. Die Unterhaltungsbranche setzt auf Repräsentation und echte Inklusion und das ist zweifellos ein positiver Schritt. Aber haben wir eine moralische Pflicht, ins Kino zu gehen?

Auf Rotten Tomatoes hat Bros im Moment eine Top-Kritikerbewertung von 89 Prozent und eine glühende Zuschauerbewertung von 90 Prozent. Abgesehen davon hat Bros die Marketingkampagne eines durchschnittlichen Films weit übertroffen. Es gab Werbespots, Teaser-Trailer und Plakate in ganz New York. Ich habe mehr als nur eine persönliche Einladung zu einer Filmvorführung mit Billy Eichner bekommen. Und ich werde jetzt noch ein bisschen mehr Werbung machen: Ich mag den Film sehr (er kommt bei uns am 27. Oktober in die Kinos). Er ist charmant und lustig, manchmal sogar urkomisch. Er ist auch um Lichtjahre besser als eine Romcom wie Lost City, die, weil sie Sandra Bullock und Channing Tatum im Angebot hatte, am ersten Wochenende unglaubliche 31 Mio. US-Dollar einspielte.

In Bros werden der neurotische Podcaster Bobby, gespielt von Eichner, und der gutaussehende, aber aalglatte Aaron, gespielt von Luke Macfarlane, ein Liebespaar. Der Film erfindet das Genre natürlich nicht neu, es folgen die üblichen Romcom-Klischees. Man stelle sich vor: Tom Hanks und Meg Ryan, aber mit Witzen über Analsex, Grindr und Poppers.

Die Sache ist möglicherweise die: Romcoms bringen die Kinos einfach nicht mehr so zum Laufen wie früher, außer man heißt George Clooney und Julia Roberts. Wenn die Leute ins Kino gehen, dann wollen sie eher Spektakel für ihr Geld sehen. Das Romcom-Genre ist inzwischen im Streaming zu Hause. Netflix hat ein ganzes Universum aufgebaut. Und Bros wird sicher viele Menschen erreichen, sobald der Film online auftaucht. Die lesbische Weihnachts-Romcom Happiest Season mit Kristen Stewart erschien 2020 direkt auf dem US-Streamer Hulu und bekam am Thanksgiving-Feiertag ziemlich viel Mundpropaganda.

Apropos. Eichners Film ist natürlich nur für jeden ein „Durchbruch“, der mit der Geschichte des queeren Kinos nicht ohnehin vertraut ist. Schon 1998 etwa gab es die Indie-Romcom Billy’s Hollywood Screen Kiss. Nicht zu reden vom Fernsehen, das in Bezug auf LGBTQ-Repräsentation Lichtjahre voraus ist.

Die Antwort auf die Frage, warum Bros gefloppt ist, liegt womöglich in den Brieftaschen der Leute, die eben keine Kinokarte gekauft haben, um den Film zu sehen. Welche Gründe sie auch dazu veranlasst haben, ob sie lieber zu Hause bleiben oder stattdessen einen anderen Film sehen wollten (Hocus Pocus 2 oder Smile zum Beispiel) – eines lässt sich sagen: Dass wir heute überhaupt in der Position sind, darüber zu streiten, das allein ist schon ein Fortschritt.