Bodies, Bros, Gold, Wald

Neu im Kino KW 43 (DE)

Reijn, Bodies Bodies Bodies
Bodies Bodies Bodies, 2022, Halina Reijn (Credit: Erik Chakeen)

Bodies, Brüder, Biopic: Wir filtern die nächste Startwelle in Deutschlands Lichtspielhäusern, darunter der neue Fatih Akin, ein spannendes Debüt, eine LGBTQ-Romcom und zweimal Horror.

Massig viele neue – und ein paar alte – Filme starten diese Woche in den Kinos. Los geht es mit Fatih Akins erstem Film seit der sehr bösen Heinz-Strunk-Verfilmung Der goldene Handschuh. Wieder eine Crime-Geschichte, dieses Mal aber nicht aus dem Bermuda-Dreieck von Schmiersuff, Degeneration und Lustmord, sondern mehr so glamourös. Akin hat mit Rheingold die Autobiografie „Alles oder Nix“ des Rappers Xatar verfilmt, einer der wenigen deutschen Gangsta-Rapper, der tatsächlich eine Gangster-Vergangenheit (Raubüberfall, fünf Jahre Knast) vorweisen kann. Akins Kino ist nie mehr an die rohe Lebendigkeit seines besten Films Gegen die Wand herangekommen, auch im Goldenen Handschuh nicht. Rheingold erzählt die Herkunftsgeschichte Xatars (Flucht aus Iran, harte Schule der Straße in Bonn) im ersten Teil, und im zweiten dann die Gangsta-Story. Der Film endet aber sehr deutsch mit Wagner und ist auch sonst vergleichsweise wohltemperiert.

Von Wagner ist es bis zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte gar nicht so weit. Schweigend steht der Wald, das Regiedebüt der Schauspielerin Saralisa Volm, erzählt von der Vergangenheit, die nicht vergehen will, mit nicht unbedingt neuen oder originellen Mitteln, aber doch emotional durchschlagend (unsere Kritik zum Film folgt).

Eher heiter erscheinen Mord und Totschlag dagegen in See How They Run, der Sam Rockwell als desillusionierten Ermittler mitsamt übereifriger Anfängerin (Saoirse Ronan) auf eine Theatergruppe loslässt, in der jede/r verdächtig ist. Dass das Agatha-Christie-Stück „The Mousetrap“ eine zentrale Rolle spielt, ist ein wenig dezenter Hinweis auf die Tradition, die hier zelebriert und ironisiert wird: der kunstvolle Whodunit. Ideal, um die Zeit bis Knives Out 2 zu verkürzen.

Lebensbejahender geht es in der Romantic Comedy Bros zu, einem Film, der als erste Hollywood-Produktion gilt, deren Cast bis in nahezu alle Nebenrollen aus Mitgliedern der LGBTQ-Community besteht (u.a. der wie immer hochkomische Jim Rash). Der Film macht Spaß und sich in einer Weise über die eigene Szene lustig, die von tiefer Verbundenheit zeugt. Außerdem beweist er, dass die komische Romantik der Comedy-Schule von Judd Apatow, der hier auch produziert hat, ohne Weiteres jenseits des gängigen Hetero-Elends funktioniert (zu moralischen Rezeptionsfragen bitte hier lang).

Und damit geht es in die Halloween-Sektion. Allerdings etwas hölzern am Anfang: The Social Experiment handelt von einem, der Titel deutet es an, Experiment, in dem eine KI die Stärken und Schwächen der unwissenden Teilnehmer:innen erkennt. Letztere wähnen sich in einem Escape-Room-Spiel. Die nicht gerade konsistent agierenden Veranstalter aber wollen beweisen, dass die Kenntnis von nur wenigen Social-Media-Interaktionen genügt, um das Verhalten von Menschen einschätzen und vorhersagen zu können. Dann natürlich bald Heulen und Zähneklappern. Das ist weder plausibel, noch sonderlich spannend und also leider alles in allem verschenkt.

Ein besseres Spielformat fährt Bodies Bodies Bodies auf, der beginnt wie viele geschätzte Slasher – junge Menschen, eine etwas abgelegene Party, dann liegt der erste mit durchgeschnittener Kehle auf der Veranda. Das Drehbuch legt den Schwerpunkt aber auf den Whodunit-Aspekt, was dem ganzen Treiben bei aller Aufgekratztheit automatisch etwas Klassisches verleiht. Zugleich aber auch frisch wirkt. Die Drehbuchautorinnen Kristen Roupenian und Sarah DeLappe haben hier ihr erstes Skript verfilmt bekommen, nämlich von der Niederländerin Halina Reijn; die erfahrene Schauspielerin legt damit ihren zweiten Spielfilm vor, es sieht vielversprechend aus.

So richtig grimmig ist der spanische Mobbing-and-Revenge-Thriller Piggy, in dem ein dickes Mädchen nach langen Jahren der Demütigung vor die Entscheidung gestellt wird, ob sie ihre Peinigerinnen draufgehen lassen soll oder nicht. Düster, bedrückend und von schwarzer Komik beseelt. Könnte einer der Horrorfilme (im weitesten Sinne) sein, die auch in fünf Jahren nicht vergessen sein werden.

Wieder aufgeführt werden im Halloween-Monat Oktober John Carpenters Die Klapperschlange und George A. Romeros stilbildender Genreklassiker Die Nacht der lebenden Toten. Zwei Filme, die man mindestens einmal in seinem Leben auf der großen Leinwand gesehen haben sollte.

Was auch für die meisten Filme von Werner Herzog gilt, über den der Regisseur Thomas von Steinaecker zu Herzogs 80. Geburtstag – der u.a. mit einer sehr empfehlenswerten Sonderausstellung in der Deutschen Kinemathek gefeiert wurde – einen Dokumentarfilm gedreht hat (hier der Trailer). Werner Herzog – Radical Dreamer ist konventionell gebaut (Filmausschnitte, Herzog sagt was in seinem lustigen Akzent, dann Lobpreisungen von Weggefährt:innen und wieder von vorne), hat seinen Reiz aber nicht zuletzt durch die Bandbreite der Interview-Partner:innen – von Nicole Kidman über Carl Weathers zu Volker Schlöndorff.