Dream Scenario

Die Genrefizierung des Nicolas Cage – im Kino

Borgli, Cage, Dream Scenario
Dream Scenario, 2023, Kristoffer Borgli

„Dream Scenario“: Die Meta-Ebene läuft in seinen Filmen immer mit, hier glänzt Nicolas Cage passender und hochkomischer Weise als eine Art Meme-Professor.

Nicolas Cage ist einer der wenigen Schauspieler, die es geschafft haben, zu ihrem eigenen Genre zu werden. Der Nicolas-Cage-Film emaniert übergreifend, in den vergangenen Jahren allerdings mit starker Schlagseite Richtung B-Movie und Horrorfilm. Er zeichnet sich aus durch forcierte Skurrilität, Overacting, Spektakelhaftigkeit in verschiedenen Formen und durch seine potenziell nervtötende Kraft, die sich aus eben den genannten Merkmalen speist. Nur wenig geht einem im Kino so sehr auf den Keks wie ein Nicolas-Cage-Film, der einen auf dem falschen Fuß erwischt.

Mit der Genrefizierung des Schauspielers Nicolas Cage ging eine Memefizierung einher, die karrierebestimmende Ausmaße angenommen hat. Cage hatte sich schon vorher quer durch alle Regionen gearbeitet, vom Autorenfilm (Lynch, Coens, Figgis, Jonze) übers Blockbuster-Kino (Con Air, The Rock) bis hin zu einem 2006 erschienenen Wicker Man-Remake. Die Szene, in der Cages Figur von Bienen angegriffen wird und verzweifelt rumschreit, ließ den Mann zu einer unerschöpflichen Quelle für Meme-Material werden. Die Signifikanz dieses filmhistorischen Moments ist noch nicht vollständig ausgedeutet worden. Das „Not the Bees!“-Meme ist genau zu dem Zeitpunkt viral gegangen, als die Verwurstung von Filmbildern und -sequenzen zu Memes und GIFs an Fahrt aufnahm und seitdem die Filmwahrnehmung der nach 2000 Geborenen mitbestimmt.

Das Zentrum der Filme mit Nicolas Cage ist seither Nicolas Cage, also nicht nur seine jeweilige Figur, sondern Nicolas Cage selbst, in all seiner Nicolas-Cage-Haftigkeit. Was sich im konkreten Erleben eines Nicolas-Cage-Films in der bei Zuschauerin und Zuschauer auf der Metaebene konstant mitlaufenden Frage manifestiert, was Nicolas Cage wohl dieses Mal Verrücktes angestellt haben mag.

Die Meta-Ebene läuft im Nicolas-Cage-Film – egal, ob quietschbunter Splatter wie Mandy oder im Overacting-Overkill Renfield – immer mit. Von der impliziten auf die endgültig explizite Ebene gehoben wurde sie vor zwei Jahren mit Massive Talent, in dem Nicolas Cage dann einfach Nicolas Cage spielt. Und auch rückblickend nimmt man zum Beispiel die bereits sehr Nicolas-Cage-lastige Nicolas-Cage-Performance in David Lynchs Wild at Heart als Teil des Nicolas-Cage-Films wahr.

Diese Metaebene ist im Falle von Nicolas Cages neuem Film Dream Scenario nun zum zweiten Mal in den Plot gerutscht. Nicolas Cage spielt den erfolglosen, semi-apathischen und nah an der Midlife Crisis entlangschrammenden Biologieprofessor Paul Matthews, der zu einer Art freudianischem Meme wird. Paul geht als Erscheinung in den Träumen der Menschen viral, erst im Nahbereich und dann weltweit. Zuerst tut er nichts und steht nur rum, auch wenn die Träumenden in ihren Träumen zu Tode kommen. Diese Teilnahmslosigkeit und Indifferenz, die Paul in den Erzählungen der Träumenden an den Tag legt und von ihnen gespiegelt bekommt, quält ihn. Seine 15 Minuten Fame, die er als globales unerklärliches Phänomen bekommt, genießt er wiederum. Und wie Cage diese Gleichzeitigkeit aus Eitelkeit, Wurstigkeit, stiller Verzweiflung und Tapsigkeit in Szene setzt, ist wirklich herzerweichend und geht über seine übliche Performance weit hinaus. Dream Scenario ist zum einen hochkomisch, zum anderen aber berührt der zunehmend überforderte, zugleich schlaue und vertrottelte Paul einen sehr. Diese Gleichzeitigkeit hat Dream Scenario mit Sick of Myself gemeinsam (hier unsere Kritik), dem vorherigen Film von Regisseur Kristoffer Borgli.

Damit funktioniert Dream Scenario nicht nur auf der Meta-Ebene, sondern auch eins zu eins, als Midlife-Crisis-Komödie, die ihren Antihelden nicht schonen möchte. Vielleicht auch deswegen, weil Cage hier mit einem Mal betont minimalistisch spielt und somit seinen üblichen Modus untergräbt. Und man zum ersten Mal seit Langem wieder sieht, was für ein toller Schauspieler der Mann eigentlich ist. Der hier in einem impliziten filmischen Kommentar zur eigenen Memefizierung sozusagen zu sich selbst zurückkommt; einem filmischen Kommentar, der aber als Tragikomödie auf vielen anderen Ebenen und auch unmittelbar einschlägt.

 

Dream Scenario
USA 2023, Regie Kristoffer Borgli
Mit Nicolas Cage, Lily Bird, Julianne Nicholson
Laufzeit 102 Minuten