Worth waiting?

Nach zwei Jahren des Hoffens sind drei große Serien zurück.

House of the Dragon, Emma D'Arcy
House of the Dragon, 2022–, Ryan J. Condal @ HBO

„House of the Dragon“, „Bridgerton“, „The Boys“: In Westeros brennen die männlichen Egos, in Shondaland sprühen die Funken, die Handlung in der Welt der Supes hingegen stagniert.

Die Drachen fliegen also wieder auf Sky, aber das Feuer bleibt eingangs noch aus. Anstatt uns die Drachen zu zeigen, wird hauptsächlich geredet über die schönen CGI-Geschöpfe. Und es rollen auch sehr viele Köpfe in der neuen Season von House of the Dragon. Gleich am Ende der ersten Episode wird einem kleinen Kind im Schlaf der Kopf abgesäbelt. Und weil dies eine Serie von HBO ist, hält man sich auch nicht mit bloßem Fleisch zurück. Es gibt allerdings zu viele halbnackte Prostituierte und zu wenig echte Erotik. Willkommen zurück in Westeros – 200 Jahre vor den Ereignissen von Game of Thrones.

Viserys Targaryen (Paddy Considine) ist tot, und weil niemand die letzten Worte des Königs richtig verstanden hat, sitzt jetzt sein verzogener Sohn Aegon (Tom Glynn-Carney) auf dem Eisernen Thron, der rechtmäßig seiner älteren Halbschwester Rhaenyra (eine stets fabelhafte Emma D’Arcy) gehört. Es würde mehrere Seiten benötigen, um die Details der inzestuösen Player vollständig zu rekonstruieren – auch in seiner zweiten Season stiftet House of the Dragon viel Verwirrung. Wichtig ist: Sie sind alle wütend und ein Bürgerkrieg zwischen den „Grünen“ und den „Schwarzen“ (die Nähe zur österreichischen Innenpolitik ist eher zufällig) steht ins Haus.

Die Königsmutter Alicent (immer schon fehlbesetzt: Olivia Cooke) und ihre Stieftochter/Rivalin Rhaenyra wollen eine Eskalation verhindern, aber weil HotD auch eine Kritik an patriarchalen Machtstrukturen sein will, sind die beiden Frauen von übellaunigen Mannskindern umgeben: Rhaenyras Ehemann und, ähm, Onkel Daemon (Matt Smith) fliegt beleidigt auf seinem Drachen durch die Gegend, weil er selbst gerne König wäre. Aemond (Ewan Mitchell) überlegt sich, zusammengerollt in Embryonalstellung im Schoß seiner Lieblingsprostituierten, wie er seinen Bruder vom Thron stoßen kann. Unterdessen zettelt Aegon einen Krieg an, um allen zu beweisen, dass er ein „richtiger“ Mann ist.

Die Serienschöpfer Ryan Condal und George R.R. Martin bemühen sich sehr, ihre Schachfiguren in den ersten Folgen für ein unausweichliches Blutbad in Stellung zu bringen, aber es gibt zu viele uninteressante Nebenhandlungen und zu viele Figuren, zu denen man keine Beziehung aufbauen kann. Sogar ihre Namen klingen austauschbar. Es gibt drei Frauen, die Rhaenyra, Rhaenys und Rhaena heißen. Es gibt auch eineiige Zwillinge namens Arryk und Erryk, einmal herrscht lebensgefährliche Verwechslungsgefahr. So unterhaltsam das Game of Thrones-Prequel auch sein mag, es kämpft immer noch damit, im Schatten der weitaus besseren und aufwändiger produzierten Mutter-Serie zu stehen. Auch enttäuschend: Es wird sehr lange darüber diskutiert, was mit den Drachen geschehen soll, und es dauert bis zur vierten Episode (von acht), bis sie es endlich herausfinden. Die Ausdauernden werden zwar belohnt, aber warum drei Folgen auf Zündflamme halten?

Geduld ist eine Tugend, so sagt man. Aber Warten kann auch frustrierend sein. Das wissen Fans von Bridgerton auch nur zu gut, nachdem sie nach zwei Jahren des Ausharrens gezwungen waren, zwischen jeder Hälfte der dritten Staffel eine monatelange Pause zu ertragen – eine inzwischen bekannte Strategie von Netflix, um die Zuschauer:innen länger bei der Stange zu halten. Aber dearest gentle reader, es hat sich ausgezahlt (außerdem kann man die komplette Staffel jetzt auch bingen).

Das Ziel der Seifenoper von Showrunner Chris Van Dusen und Produzentin Shonda Rhimes bestand schon immer darin, den Schundroman für ein modernes Publikum neu zu erfinden. Und genau das tut die neue Staffel in jeder Hinsicht. Sie ist so gut darin, genau das zu sein, was sie sein muss: Ein üppiges Jane-Austen-Märchen voller Diversität mit ein bisschen Barbie-Feminismus, Vanilla-Sex und opulenten Kostümen mit hochgedrücktem Busen. Mit Nicola Coughlins Penelope bekommen wir außerdem eine Heldin, die nicht dem vom Schlankheitswahn geprägten Körperideal der Branche entspricht.

Penelope will einen Mann finden, denn eine Heirat ist immer noch der einzige Ausweg für eine Dame der Regency-Ära. Dabei ist sie seit der ersten Staffel heimlich in ihren besten Freund Colin (Luke Newton) verliebt. Der weiß natürlich nicht, dass Penelope in ihrer Freizeit die berüchtigte Klatschtante Lady Whistledown ist. Jedes Kapitel basiert immer auf dem gleichen Prinzip, daher ist es nicht schwer, herauszufinden, was mit Penelope und Colin (von Fans nur „Polin“ genannt) passieren wird. Die Kunst dieses Genres besteht darin, das Publikum auf dem Weg zum Happy End zu erregen und zu faszinieren! Luke Newtons Colin ist mehr als fähig, seine Penelope mit Sehnsucht und Bestürzung anzustarren. Aber die Schauspielerin der Stunde ist Nicola Coughlan, die ihrer Figur nicht nur ein Makeover, sondern auch Tiefe verpasst. Persönliches Highlight: Ihre Mutter Portia Featherington, gespielt von Polly Walker, die mit jeder Szene, die sie bekommt, davonläuft.

Auf Prime Video kämpfen die Supes unterdessen mit dem Status quo. Die letzte Staffel von The Boys endete damit, dass Anthony Starrs Homelander, eine faschistische Superhelden-Version von Donald Trump, unter dem Jubel seiner Anhänger in aller Öffentlichkeit einem Mann den Kopf ablaserte. So amoralisch die Supes in der Serie auch waren, das war neues Terrain – inklusive Arsch-explodierender Eskapaden. Zwei Jahre später, mit Beginn der vierten und vorletzten Staffel, fühlt sich der Superhelden-Spandex ein bisschen ausgeleiert an.

Homelander will immer noch die Weltherrschaft an sich reißen, ist aber gelangweilt, weil ihm niemand die Stirn bieten kann. Karl Urbans Schlägertyp Butcher leidet unter den tödlichen Folgen seines Superserums. Hughie (Jack Quaid) leidet unter einem zu guten Herzen. Frenchies Geschichte steckt in einer Endlosschleife fest. Und so weiter. Es ist im Grunde mehr vom Gleichen. Was nicht heißen soll, dass The Boys schlechter geworden ist. Die Gesellschaftssatire von Showrunner Eric Kripke ist herrlich anarchisch wie eh und je und generiert die üblichen „WTF“-Momente: Eine Heavy-Metal-Version von „Hava Nagila“ untermalt z.B. eine Action-Szene, in der jede Menge männlicher Genitalien zu sehen sind. Die Autor:innen der Serie scheinen außerdem einen Anus-Fetisch entwickelt zu haben.

Die Parallelen zur realen US-Politik werden nochmal verstärkt. Es gibt Verschwörungstheorien und Anspielungen auf Pizzagate. Die neue Superheldin Firecracker (Valorie Curry) erinnert nicht nur zufällig an die ultra-rechte US-Abgeordnete Marjorie Taylor Greene. Homelander ist ein geouteter Soziopath und die Amerikanner:innen lieben ihn dafür. Es bleibt dennoch zu hoffen, dass die Fiktion, die hier zu Tage kommt, eben auch das in diesem US-Wahljahr bleiben wird: eine Fantasie.