Sapphische Extravaganz

Lesbische Horrorfilme im Netflix-Mainstream

The Haunting of Bly Manor, 2020, Mike Flanagan

Zugegeben, das lesbische Kino hat viel zu wünschen übrig gelassen seit Romy Schneider 1958 Lilli Palmer in Mädchen in Uniform küsste (ein historischer Meilenstein war schon das Original von Leontine Sagan im Jahr 1931), wobei viele Filme auf billige Tropen und etwas, das nur als Softcore-Porno bezeichnet werden kann, zurückgriffen, anstatt sich auf echte Beziehungen zwischen Frauen zu konzentrieren. Und lesbischer Horror war lange rar.

Es gibt eine besonders berühmte Szene in Robert Wises The Haunting, in der sich Eleanor (Julie Harris) an Theodora (Claire Bloom) wendet und behauptet, sie sei „unnatürlich“. Jeder, der die Alltagssprache rund um Homosexualität im Jahr 1963 verstand, hätte gewusst, worauf sie anspielte. Die Dinge werden zum Glück besser.

Nicht nur weil wir Geschichten von Frauen in Unterröcken gesehen haben, die früher nicht erzählt wurden, zum Beispiel in The World to Come, Ammonite und Portrait of a Lady on Fire, sondern weil Frauen, die Frauen lieben, auch im Horrorgenre gedeihen, und zwar auf eine Weise, die völlig neu ist.

Lesbischer Horror war lange Zeit gleichbedeutend mit erotischen Vampirfilmen. In New York lief diesen Herbst eine ganz großartige, lesbische Vampirserie mit dem Titel: „A Woman’s Bite: Cinema’s Sapphic Vampires“.

The Vampire Lovers, 1970, Roy Ward Baker

Es ist ein Bild, das mit Lambert Hillyers Dracula’s Daughter bis ins Jahr 1936 zurückreicht und in den 1970er Jahren mit Filmen wie The Vampire Lovers (auf Sky zu sehen), Daughters of Darkness und einem der Ur-Filme des lesbischen Vampir-Subgenres, Jesús Francos Vampyros Lesbos (der übrigens auch wahnsinnig lustig ist) zum Trend wurde. Wir hatten Tony Scotts Kultklassiker The Hunger. Sowohl ein großartiger Kunstfilm als auch eine Metapher für die bevorstehende Aids-Krise. Dass wir Susan Sarandon, David Bowie und Catherine Deneuve als bisexuelle Vampirgräfin im selben Film zu sehen bekommen, ist da wieder eine ganz andere Art von Segen.

Oft wurden Lesben als monströse „andere“ dargestellt, dienten den Blicken von Männern, oder starben den „Bury your Gays“-Tod, ein amerikanischer Begriff, der erfunden wurde, weil so viele lesbische Figuren in Film und Fernsehen sterben (in den meisten Fällen bedeutet das den Tod der „Verführerin“, während die andere Frau mit gebrochenem Herzen in ihr heterosexuelles Leben zurückkehrt).

Fear Street Part One: 1994, 2021, Leigh Janiak

In einer Reihe von Serien auf Netflix ist das anders. Sie laufen nicht in Tanktops halbnackt durch die Szene. Es dreht sich nicht alles um ihre Sexualität. Sie dürfen Heldinnen sein und bekommen manchmal sogar ein Happy End.

Mit The Haunting of Bly Manor hat uns Mike Flanagan eine gotische, lesbische Horror-Romanze geschenkt, eine wahre Genre-Rarität, die es in den Mainstream geschafft hat: eine zärtliche Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen, gespielt von Victoria Pedretti und Amelia Eve. Wie wir am Ende erfahren, ist die Beziehung zwischen den beiden sozusagen der springende Punkt. Es ist der Grund, warum die Geschichte erzählt wird.

Lesbischer Horror ist auch in den Fear Street-Filmen von Regisseurin Leigh Janiak zu finden, einer Netflix-Produktion (hier der Trilogie-Trailer). Von der Horrorserie des amerikanischen Autors R.L. Stine inspiriert , sind gleichgeschlechtliche Menschen hier nicht nur die Heldinnen. Eine lesbische Romanze treibt die gesamte Erzählung an. Die Trilogie umspannt einen Zeitraum von 300 Jahren, wechselt zwischen Camp, Blut und überschwänglicher Sentimentalität und erzählt die Geschichte zweier lesbischer Mädchen, die sich einem uralten Bösen stellen müssen, um ihre Liebe zu schützen.

Das Gleiche gilt für Ryan Murphys Ratched, eine Art Prequel zu One Flew Over the Cuckoo’s Nest, eine Horrorgeschichte, die sich als Liebesgeschichte entpuppt – über eine Krankenschwester, die, wie es Sharon Stones Figur in einer Szene ausdrückt: „die Art von Frau sein könnte, die die Gesellschaft anderer Frauen genießt“. Ja, sicher, Mildred Ratched, gespielt von Sarah Paulson, ist ein bisschen verrückt, aber niemand hat gesagt, dass Frauen perfekt sind. Immerhin bekommt sie jetzt ihre eigene Geschichte und die Männer stehen an der Seitenlinie. Die Frauen im Film aus dem Jahr 1975 waren entweder seelenzerstörende Unterdrückerinnen oder Sexmaschinen ohne Persönlichkeit.

Frauen verlieben sich in Frauen, sie streiten sich, sie betrügen und lügen – wie in jeder romantischen Beziehung. Man kann über Netflix sagen, was man will, aber das scheint der Streamer verstanden zu haben.