Oh Tannenbaum, oh Weihnachtsgrau’n

Warum sind die meisten Weihnachtsfilme so schlecht?

Damian, Falling for Christmas
Falling for Christmas, 2022, Janeen Damian

Ach, der Weihnachtsfilm! Der Schnee, die Lichter, der Schmalz, die Paare, die sich gegen alle Widrigkeiten verlieben. Viele solcher Filme werden Jahr für Jahr im Advent und zu den Feiertagen im Fernsehen ausgestrahlt oder in den Kinos gezeigt. Doch die meisten von ihnen finden sich bald auf der Müllhalde der Filmgeschichte. Denn an hochwertigen, gefeierten Weihnachtsfilmen mangelt es merklich.

Natürlich gibt es Ausnahmen von dieser pauschalen Aussage. Frank Capras It’s a Wonderful Life aus dem Jahr 1946 wird nie weniger beeindruckend sein, egal wie oft man ihn sieht. Auch Filme aus den 1980er und 1990er Jahren kann man sich im Fernsehen wiederholt geben: die Griswolds und ihr verdammtes Lichtergesindel (an einer Serien-Neuauflage wird gewerkt); ein grantiger Billy Bob Thornton in Bad Santa; die gotischen Weihnachtsgeschichten von Tim Burton; die endlosen Interpretationen von A Christmas Carol. All dies wird für immer in meinem und vielen anderen Haushalten willkommen sein.

Aber auf Netflix (und zunehmend auch auf Prime Video) dreht sich Weihnachten hauptsächlich um die vielen Möglichkeiten, wie liebeskranke Paare unter der Mistel zusammenkommen und schließlich entdecken können, dass Liebe das größte Geschenk von allen ist. Qualität sei verdammt. Es hat den Anschein, dass diese Filme gar nicht erst versuchen, gute Filme zu sein. Sie müssen nur existieren. Fans romantischer Komödien bekamen z.B. neuerdings Falling for Christmas mit Lindsay Lohan. Die Kurzzusammenfassung: „Nach ihrem Gedächtnisverlust bei einem Skiunfall wird eine verwöhnte Erbin zur Weihnachtszeit von einem glücklosen Witwer und seiner Tochter umsorgt.“

Wen das nicht anspricht, für die oder den hat Netflix kürzlich noch The Noel Diary hinterhergeschoben (offenbar eine der sehenswerteren Weihnachtsneuheiten), das divers-bunte Popmärchen Christmas with You (Metascore 39) und Ich hasse Weihnachten. Letzteres ist ein italienisches Remake der norwegischen Serie Weihnachten zu Hause, in der eine Frau innerhalb von 24 Tagen einen Freund finden will, damit ihre Familie an den Feiertagen kein Single-Shaming betreiben kann. Der US-amerikanische Hallmark-Channel fand seine Nische mit Weihnachtsgeschichten schon vor über zwanzig Jahren und bedient seither getreulich den gleichen Schmalzfilmtrend, der sich wie eine Seuche Jahr für Jahr ausgeweitet hat.

Offensichtlich gibt es ein Publikum, das zur Weihnachtszeit nichts mehr liebt als Realitätsflucht. Man kann es niemandem verübeln, der warmen Umarmung eines Weihnachtsfilms nicht zu widerstehen. Aber müssen wir Qualität über den Haufen werfen, nur weil Weihnachten ist?

Das Subgenre Weihnachtsfilm eignet sich bemerkenswert gut für reichhaltige Erzählungen. Filme wie The Apartment (1960) schaffen es, die Jahreszeit effektiv für dramatische Zwecke zu nutzen. Billy Wilders Oscar-gekrönte Romantik-Farce ist natürlich nicht der klassische Weihnachtsfilm, aber es ist ein perfekter. Nicht Weihnachten, wie wir es gerne haben mit loderndem Feuer, Glöckchen und Schnee, sondern Weihnachten, wie es in Wirklichkeit ist. Mal fröhlich, mal banal, mal einsam.

Die besten Filme haben oft einen dunklen Unterbauch, auch in der Zeichentrickkiste. Die Verfilmungen von How the Grinch Stole Christmas sind im Grunde antikapitalistische Parabeln. Der amerikanische Kinderbuch-Autor Dr. Seuss war ein unglaublich fortschrittlicher Denker. Genauso wie der Comiczeichner Charles M. Schulz.

In diesem Jahr haben die großen Streaming-Plattformen zum großen Fest kein neues Meisterwerk herausgebracht, aber es gibt immer noch kleine Wunder neben den unvermeidlichen Kohleklumpen. Auf Apple TV+ lässt sich über die Feiertage kostenlos der Klassiker A Charlie Brown Christmas / Die Peanuts: Fröhliche Weihnachten streamen, eine kleine Fabel des erwähnten Charles M. Schulz über die Kommerzialisierung des Christkinds – gesprochen mit den Stimmen echter Kinder und geschmückt mit Vince Guaraldis berühmter Jazz-Klavierpartitur. Die Tatsache, dass der kleine Charlie Brown in der ersten Szene dieses Peanuts-Weihnachtsspezials aus dem Jahr 1965 so offen über seine Feiertagsdepression spricht, ist für mich immer noch außergewöhnlich.

In der Regel wollen Fernsehsender und die auf ihnen werbenden Unternehmen so etwas nicht, und die Produzenten von CBS und Coca-Cola, die das Spezial ursprünglich finanziert hatten, waren nicht sehr glücklich darüber.

Der Charlie-Brown-Weihnachtsfilm enthält ziemlich philosophisches Zeug. Niemand bekommt Spielzeug. Aber für diejenigen von uns, die ein wenig Schwierigkeiten haben, in Schwung zu kommen, ist Charlie Brown immer da, um zu tanzen. Und X-mas-Blues hin oder her: Charlie und seine Freunde erinnern uns auch hier wieder daran, niemals aufzugeben.